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Landeshauptstadt: Wahlsieger – und doch verloren

Wie das Abschneiden von Parteien und Wählergruppen zu bewerten ist

Stand:

Die Linke ist der Wahlsieger, gewann gegenüber 2003 noch einmal absolut 6000 Stimmen hinzu. Durch die Konzentration auf den Zweikampf zwischen Linke-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg und SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs konnte eine große Mobilisierung der Stammwählerschaft erreicht werden. Scharfenberg ist der Politiker in der Stadt, der die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte: 10225. Das macht ihn stärker. Insgesamt jedoch hat die Linke an Macht verloren, weil die SPD wesentlich mehr Stimmen dazu gewinnen konnte – nämlich 16 000. Im Stadtparlament hat die bürgerliche Mitte erheblich an Einfluss gewonnen: Linke 17 Abgeordnete; SPD, CDU und Grüne zusammen 27 – im alten Stadtparlament war das Kräfteverhältnis wesentlich anders: PDS 18; SPD, CDU und Grüne zusammen nur 22. Die Linken werden somit wesentlich größere Probleme bekommen, Mehrheiten gegen Jakobs zu organisieren.

Die SPD geht mit 27,1 Prozent der Stimmen gestärkt aus der Wahl hervor, ist aber nicht annähernd da gelandet, wo sie 1998 mit Matthias Platzeck schon mal war – damals gab es 38,1 Prozent. Dass so bekannte Sozialdemokraten wie Platzeck, Andrea Wicklein und Jann Jakobs in den Wahlkampf einstiegen, hat sicher Punkte gebracht. Und die SPD dürfte am meisten von den Stimmen der Neu-Potsdamer profitiert haben. Die SPD stellt die zweitstärkste Fraktion. Mehrheiten zu erreichen, wird für Jakobs leichter.

Die CDU ist der große Verlierer der Wahl: 7000 Stimmen weniger als 2003. Das schlechte Ergebnis hat vor allem zwei Gründe: Die öffentlichkeitswirksamen Querelen im Frühjahr, als der bisherige Kreisvorsitzende Wieland Niekisch gestürzt wurde. Und ein blasser Wahlkampf, dem ein charismatischer Spitzenkandidat fehlte. Immerhin bekam sie mit Niekisch noch 19,2 Prozent. Den früheren Fraktionsvorsitzenden Steeven Bretz hat die Partei verschlissen. Nachfolger Michael Schröder agierte glanzlos.

Unaufgeregte Sachpolitik, Stabilität beim Personal, Glaubwürdigkeit durch hartnäckiges Festhalten an Dauerthemen wie die Annäherung an die historische Mitte und die Bewahrung des Weltkulturerbes – all das hat Bündnis 90/Grüne zu dem sehr guten Wahlergebnis verholfen. Die Grünen punkteten im Norden und in der Mitte, konnten auch Stimmen Zugezogener gewinnen. Mit fünf Stadtverordneten sind die Bündnisgrünen zu einer kleinen Macht in Potsdam geworden.

2003 mit nur einem Stadtverordneten gestartet, in den letzten Monaten der Legislaturperiode sogar ganz ohne Vertreter im Parlament – nun hat sich die FDP auf der politischen Bühne der Landeshauptstadt zurückgemeldet. Die drei Mandate sind einem guten Wahlkampf zu verdanken, in dem die Liberalen sehr themenorientiert arbeiteten und mit Umfragen – so zur Kita-Situation und zur Zufriedenheit der Potsdamer – Wähler mobilisierten. Auch wirkte das Personal unverbraucht.

Die Andere hat knapp 3500 Stimmen dazu gewonnen. Das liegt auch an den vielen bekannten Personen, die Kneipier Lutz Boede um sich scharen konnte. „Typen“ wie der Suchtpräventions-Experte Frank Prinz-Schubert stehen für Kompetenz in ihren Fachgebieten und haben selber viele Kontakte zu potenziellen Wählern. Zudem hat die Partei einen durchaus kreativen Wahlkampf organisiert.

Eine Überraschung sind die beiden Sitze für die Familienpartei. Deren Kandidaten traten während des Wahlkampfes so gut wie gar nicht in Erscheinung. Im Schlussspurt wurde mit einfachen Losungen plakatiert. Wirkliche Programmatik war nicht zu spüren – ob es somit der alles oder nichts sagende Parteiname war, der zog?

Das Bürgerbündnis ist wieder da, wo es 2003 die Legislaturperiode begonnen hat – damals holte die politische Vereinigung zwei Stadtverordnetenmandate. Allerdings verstärkte sich das BürgerBündnis zum Ende der Legislaturperiode mit drei Abgeordneten: dem Unternehmer und Ex-SPDler Wolfhard Kirsch, der früheren Lindenpark-Chefin Monika Keilholz und dem abtrünnigen FDP-Mann Gerhard Arndt. Alle drei sind jedoch umstritten: Kirsch wegen seines Streits mit der Stadtverwaltung um den Uferweg am Griebnitzsee, Keilholz wegen der Insolvenz des Lindenparks und Arndt wegen seiner Flucht aus der FDP. Die „Bunte Truppe“ geht trotz ihres aufwendigen Wahlkampfs dezimiert aus der Kommunalwahl hervor, weil die Wähler genau diesem Personal offenkundig nicht trauten.erb/HK

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