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Landeshauptstadt: „Wir gehören zum Stadtbild“

Mehr als 600 Besucher beim Integrationsfest für Menschen mit Behinderung auf dem Luisenplatz

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Carola Fischer ist zu spät. Als sie auf dem Luisenplatz ankommt, hat die Combo des Polizeiorchesters bereits die ersten Blues-Songs gespielt. Die uniformierte Kapelle trat gestern Nachmittag auf dem Straßenfest für Menschen mit und ohne Behinderung auf. Aber Carola Fischer hatte Pech: Der Bus, mit dem sie vom Hauptbahnhof zum Luisenplatz fahren wollte, war bereits mit einem Rollstuhlfahrer „belegt“, erzählt die Rollstuhlfahrerin. Da sei sie den Weg „gelaufen, also gerollt“. Obwohl seit April 2008 die älteren Fahrzeuge der Potsdamer Verkehrsbetriebe wieder mehr Rollstühle mitfahren lassen und damit das im Herbst 2007 entstandene Transportproblem entschärft wurde – „ausgeräumt ist das Thema noch nicht“, sagt Fischer, die auch im Vorstand des Behindertenverbandes sitzt.

Mehr als 600 Gäste kamen zu dem Fest auf den Luisenplatz, schätzte Antje Tannert vom Haus der Begegnung, einem der neun Veranstalter des Integrations-Straßenfestes. Verspätet eröffnet wurde es von der Sozialbeigeordneten Elona Müller (parteilos): „Es ist schon vieles passiert, aber noch nicht genug“, schätzte sie die Lage der Behinderten in Potsdam ein. 18 574 behinderte Potsdamer gibt es laut dem aktuellen Behindertenbericht der Stadt. Elona Müller lobte das engagierte Auftreten des 2004 gegründeten Behindertenbeirates, der „als Experte in eigener Sache“ die Belange von Behinderten gegenüber der Stadtverwaltung vertritt. Dem Behindertenbeirat sei es etwa zu verdanken, dass das Hans Otto Theater mit behindertengerechten Toiletten ausgestattet wurde, so Müller.

Allerdings warte man in dem Theaterneubau am Tiefen See noch immer auf die behindertengerechte Markierung der Treppen, monierte Eberhard Bewer, der Beiratsvorsitzende. Beim Theater wusste man davon gestern jedoch nichts: „Die vorhandene Markierung entspricht den DIN-Normen“, sagte Theatersprecher Georg Kehren auf PNN-Anfrage. Probleme gibt es laut Bewer auch in der Brandenburger Straße: Dass die Freiflächen dort an Cafés vermietet oder mit Aufstellern belegt werden, sei für Sehgeschädigte „ein sehr großes Hindernis“.

Sorgen macht sich Eberhard Bewer unterdessen auch um die Zukunft des Behindertenbeirats. Denn im November finden Neuwahlen für das neunköpfige Gremium statt. Drei der Mitglieder scheiden dann definitiv aus, so Bewer – darunter auch er selbst. Er habe die Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen der Stadt bereits angeschrieben und um die Aufstellung von Kandidaten gebeten.

Vielleicht wird sich ja eine Neu-Potsdamerin wie Anett Gräbert dafür engagieren: Die 42-jährige Festbesucherin ist im November aus Zwickau nach Potsdam gezogen – „der Liebe wegen“, wie sie erzählt. Bisher habe sie in Potsdam „nur Vorteile entdeckt“, sagt die Rollstuhlfahrerin. In der Landeshauptstadt könne sie „sehr viel selbstständiger“ leben als in Zwickau. Geschäfte und Straßen seien auf Behinderte ausgelegt, aber auch die Menschen reagierten „offen“: „Wir gehören zum Stadtbild“, sagt Anett Gräbert.

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