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Kultur: Alles nur ein Traum?!

Das Theater Nadi brachte „Die Eicheln und der Luchs vom Berge“ im T-Werk zur Premiere

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Das Theater Nadi brachte „Die Eicheln und der Luchs vom Berge“ im T-Werk zur Premiere Märchen sind Wunder, die ergründet werden wollen. Gelingt dies, so hat man Nutzen davon, anderenfalls schweigen sie und taugen bestenfalls für pädagogische Zwecke. Bei der theatralischen Umsetzung von „Die Eicheln und der Luchs vom Berge“ durch die Potsdamer Theatergruppe Nadi scheint der zweite Fall eingetreten zu sein. Steffen Findeisen und Noriko Seki gaben die epische Vorlage des Japaners Miyazawa Kenji bei der Premiere am Sonntagnachmittag ganz ohne Motiv und doppelten Boden. Merkwürdigerweise glaubt man dem Text sofort, nicht aber der so sparsamen wie schönen, leider eben unberedten Inszenierung von Jens-Uwe Sprengel: Offenbar hat irgendein „Luchs vom Berge“ erhebliche Probleme mit zänkischen Eicheln, es geht um Rang oder Vorrang, Klugheit, oder um „Sport“ dergestalt, dass die Beste sei, welche am weitesten vom Mutterbaum zu liegen kommt. Seine feinen Ohren brauchen wohl Ruhe. Also schreibt er dem Kind Ichiro einen Brief mit der Bitte um Hilfe, eine Auszeichnung, wenn man den Reaktionen aus des Knaben Umgebung trauen darf, dem Lehrer, einem etwas neidischem Eichhorn. In hübschen Bildern wird nun die Reise des vergnügt-naiven Knaben auf einer Off-Bühne dargestellt, deren einzige Versatzstücke zwei quaderförmige Rolltürme sind. Jede Station führt ihn etwas näher zum empfindsamen Luchs heran, die Armee der Pilze, der kluge Wasserfall oder der genial erspielte Kastanienbaum. Seine Früchte erweisen sich als Wegweiser ins Reich des Unbekannten. Ichiro wird von einem merkwürdig hinkenden Kutscher in Samurai-Kostüm empfangen, im Wortsinne die Kehrseite des Luchses, denn mit einem echten Theatertrick führt der männliche Teil von Nadi beide vor: En face den Herrn, revers den Diener. Die Verwendung von Masken und eine exakt inszenierte Körpersprache (Findeisen hat sie auf Bali erlernt) machen die Schauseite des einstündigen Spiels zu einem optischen Genuss, freilich zulasten von Vorgängen und Figuren. Märchen kehren ja das Innere nach außen, und so entsprechen Wald, Tier, Sache dem inneren Pendent des Helden. Entweder spielt er dieselben oder sie ihn. Die Darstellerin gab den braven Knaben (mit Brocken ihrer Heimatsprache) pur zum besten, bis man sich an das Parzifal-Motiv erinnert fühlte. Frank Wilke fügte eigene Gitarrenklänge dazu. Obwohl Ichiro dem Kurzschwanz zu Hilfe eilte, löst nicht er das Problem: Als er den von oben herabregnenden Früchten eine kniffelige Rechenaufgabe stellt, ist martialischer „Bandsalat“ die Folge. Luchs respektive Kutscher hingegen fragen die Geschwätzigen listig, wer denn die dümmste aller Eicheln sei. Flugs ist Ruhe im Karton. Der Bub hat nichts ins Luchsohr eingeflüstert, warum wird er belohnt? Als er sich sammeln darf, so viel er nur mag, denkt man natürlich an eine Verwandlung in Gold, doch ist dem nicht so. Ichiros unbekannter Begleiter vom Anfang taucht wieder in seinem braunen Zweiteiler auf, um den Knaben „nach Hause“ zu schicken. Während er selbst per Schneeschieber die Eicheln wegräumt, erstarrt die Szene im schwindenden Licht. Alles soll nur Traum gewesen sein. Werden Kinder dieses „intellektuelle“ Finale verstehen? Der Verlauf gehört ihnen, das Ende ist eher den Erwachsenen zugänglich. Nadi und T-Werk haben einen Kompromiss produziert, darin das Wichtigste fehlt, des Luchses Leid. Über der Freude am phantasievollen Spiel hatte man den Sinn des Ganzen vergessen. Gerold Paul

Gerold Paul

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