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Kultur: „Nach jeder Probe kann ich mehr“ Integrationstheater hat heute Premiere

„Du bist nicht wie alle anderen“, ruft die Mutter ihrem behinderten Sohn hinterher, als dieser mit seiner Freundin am Arm schnurstracks die elterliche Wohnung verlässt. Und immer noch erbost, aber auch schon ganz schön hilflos, schreit sie noch: „Ohne mich bist du nichts!

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„Du bist nicht wie alle anderen“, ruft die Mutter ihrem behinderten Sohn hinterher, als dieser mit seiner Freundin am Arm schnurstracks die elterliche Wohnung verlässt. Und immer noch erbost, aber auch schon ganz schön hilflos, schreit sie noch: „Ohne mich bist du nichts!“

Die Frau und ihr aufmüpfiger Sohn sind zwei Figuren aus der gleichnamigen Szenenfolge, die am heutigen Dienstag im Haus der Begegnung am Teufelssee zur Premiere kommen wird. Regisseur Axel Tröger hat vor einem Vierteljahr Mitspieler gesucht, die zum Thema „ Paarbeziehung und Behinderung“, Theater spielen wollten. Gekommen sind sieben Menschen mit und ohne Behinderungen, die seit dieser Zeit einmal pro Woche gemeinsam Szenen erfinden und ausprobieren.

Roswitha Demme hat noch nie Theater gespielt und sie hat aus Neugier bei diesem neuen Integrationstheaterprojekt des Potsdamer Regisseurs mitgemacht. Nach ihren Erfahrungen befragt, sagt die 34-Jährige, „dass sie jetzt auf ihrer Arbeitsstelle immer öfter ihre eigene Meinung sagt“ und Konfliktsituationen nicht mehr aus dem Weg geht.

Auch Sabine Pfeifer, die im Rollstuhl sitzt, fühlt sich durch das Theaterspielen sicherer im Umgang mit fremden Menschen. „Nach jeder Probe kann ich mehr“, berichtet sie freudestrahlend und sie meint damit, dass es ihr beispielsweise immer besser gelingt, den Kopf zu drehen, um sich im Raum zu orientieren. Sabine Pfeifer hat bereits im letzten Jahr Theater gespielt, allerdings saß sie da noch mit Schattenfiguren hinter einer Leinwand. Doch schon damals war ihr klar, dass sie unbedingt den nächsten Schritt gehen und sich ganz auf der Bühne zeigen will.

Auch Rolf Gutsche, der mit spastischen Lähmungen lebt, hat diesen getan. Spielte er vorher Rollen, in denen er wenig zu sagen hatte, ist er jetzt der freche Paule, der sich nicht mehr alles von „Mutti“ sagen lässt und durchsetzt, dass er ab sofort eine Freundin hat.

Regisseur Axel Tröger war von vornherein klar, dass er mit seinem neuen Projekt auch gesellschaftliche Tabuthemen anspricht, selbst wenn zunehmend Prominente mit Behinderungen, wie der Bariton Thomas Quasthoff, in Talkshows freimütig von ihren Beziehungen berichten. Im kreativen Dialog mit den Teilnehmern seiner „Theaterwerkstatt“, die kurzfristig durch Lottomittel finanziert wurde, will er jedoch nicht nur diesen Mut machen, sich mit Themen wie Einsamkeit und Beziehungsglück, Ausgrenzung und Solidarität auseinander zu setzen, sondern auch die Zuschauer dazu anregen.

Axel Tröger hofft wie alle anderen Beteiligten auch, dass sich nach der Premiere von „Ohne mich bist du nichts!“ ein Weg finden lässt, diese Theatergruppe zu einer festen Institution am Haus der Begegnung werden zu lassen, denn noch nie hatte er nach so kurzer Zeit eine so spielfreudige Gemeinschaft beisammen.

Premiere heute um 19 Uhr im Haus der Begegnung, Zum Teufelssee 30.

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