Kultur: Schönbohm ist weg!
Das Kabarett „Obelisk“ zeigte sich bei seiner neuen Premiere erfrischend interaktiv
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Das Kabarett „Obelisk“ zeigte sich bei seiner neuen Premiere erfrischend interaktiv Er war auch am Sonnabend nicht da, unauffindbar, weg, verschwunden. Keiner wusste, wo sich der Ex-General und stellvertretende Ministerpräsident seines geliebten Landes Brandenburg nun aufhält. Ein klarer Fall für den Spezialisten solcher Fälle, für Kommissar Koschuweit, sonst Ehrengast im „Obelisk“. Eine Spur fand sich schnell, denn er entdeckte ein gar kryptisches Manuskript des respektlosen Titels „Ohne Krimi geht der Schönbohm nie ins Bett!“ Solche Beute lassen sich die flinken Zungen von Gretel Schulze und Andreas Zieger natürlich nicht entgehen. Flugs war ein alertes wie abendfüllendes Spiel daraus gemacht, worin aus dem Gedruckten vorgelesen, teils gesungen, teils gespielt, jedenfalls feste losgespottet und „gefeaturt“ wurde. Jetzo bekamen auch die Potsdamer Landesgrößen mal Namen und Adresse, von P. wie Platzeck über W. wie Wanka bis zu diesem „Finanzfuzzi“, wie heißt er doch gleich? Man darf, wenn auch nirgends genannt, nicht ganz zu Unrecht Helmut Fensch als Textautor vermuten, stand er doch zum reichlichen Premierenapplaus am Samstag mit an der Rampe. Die Idee dieses kurzweiligen Abends (ausverkauft), der inmitten des Publikums stattfand, darf als kühn bezeichnet werden. Hätte man es mit Jörg Schönbohm, welcher bekanntlich Tugend liebt und Ordnung schätzt, wirklich ernst gemeint, so stände das Programm an der Grenze des Machbaren, denn der alte Soldat war gar nicht weg, sondern in Berlin, wo ihn Koschuweit nach vielen Intermezzi wiederfindet. Zu fragen war, was für „ticker“ Politiker denn seien. Der Kontakt zum Publikum, diesmal einladend an kleinen Tischen platziert, Kerzen inklusive, Wein und anderes Getränk nicht, war schnell hergestellt. Wer günstig saß oder entsprechend aussah, bekam eine Rolle im „interaktiven Kabarett“ von Gretel Schulze und Andreas Zieger. Eine Blondine war Schönbohms Sekretärin, jemand hatte Klingeltöne von Koschuweits Handys zu trällern, der „deutsch-rumänische“ Pförtner „Nicht da!“ zu sagen, vier Papageien krächzten dazwischen, kurz, alle Personen des Manuskripts fanden sich im Publikum wieder. Gretel Schulze als Herz-Dame des Hauses tat wirklich alles, diesen unterhaltsamen Abend auch interaktiv werden zu lassen. Wenn sie erst mal loslegt, was glücklicherweise immer geschieht, dann muss man einfach mit, auch wenn Herr Schönbohm „weg“ ist. Ihr Kompagnon sang mit und begleitete sie an verschiedenen Instrumenten, gab ab und an auch Parts per verbum selbst. Von ihm sieht man nur selten echtes Rollenspiel. Nun sind die Sümpfe von Potsdam und Berlin auch landesweit sehr modrig. Menschen-Lug, Wirtschafts-Trug nebst sonstigen Verbrechen häufig – ein Ärgernis für den, der Recht und Ordnung liebt. „Kriminal-Tango“ ist da genauso angebracht wie die nächtliche Konferenzschaltung mit den Getreuen, doch die wollen, wie Mimi im Lied, „einfach nur schlafen“. Hübsch. Letztlich findet sich die formidable Regierung auf einem untergehenden Schiffe Richtung China wieder, Käpt“n Schröder macht allen Mut, er hat ja als seine Korvetten Kardinal Lehmann und den alten Heesters an Bord. Clement aber wundert sich schon, warum der Mittelstand ohne ihn untergehe. Was hat das nun mit dem Verschollenen zu tun? Ganz einfach, der hat den Lotterladen satt. Er putscht – und alle Demokraten klatschen im Text wie erlöst Beifall. Doch als Schröder ihm per Bruderkuss verspricht, „diesen Fall“ in einem Ausschuss“ zu prüfen, ist alles vorbei: Wieder ist Commandante Schönbohm verschwunden, diesmal für länger. Nicht da, wo man denkt, sondern in Indien, als Yogi. Eines Tages aber wird er bei Ahlbeck neugesichtet. Zum Finale dann „Souvenirs, Souvenirs! Leute, kauft“ - noch vor dem nächsten Reichstagsbrand! Hingehen, ansehen. Auch die gesuchte Hauptperson ist herzlich geladen. Gerold Paul Nächste Vorstellungen 24. – 27. März, 19.30 Uhr.
Gerold Paul
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