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Aktenstudium. Derzeit läuft die Stasi-Überprüfung im Kreistag. Ergebnisse sind für den 28. April angekündigt.

© Rückeis

Von Alexander Fröhlich und Hagen Ludwig: Kein effektiver Spitzel

Der Kreistagsabgeordnete Hans-Joachim Löffelmacher war kurze Zeit IM – der Stasi brachte er wenig

Stand:

Potsdam-Mittelmark - Lange Zeit war er Bürgermeister in Lehnin, dann Gemeindevertreter und ist seit 2008 für die Freien Bürger und Bauern im Kreistag. Nur eines wussten seine Wähler nicht über den Unternehmer Hans-Joachim Löffelmacher: Die Staatssicherheit führte ihn als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM). Dabei ist das, was in der Stasi-Akte des 63-Jährigen zu finden ist, weit weniger brisant als in anderen Fällen. Es war nur einen kurze Episode.

Am 30. Mai 1972 unterschrieb Löffelmacher eine Verpflichtungserklärung, die Stasi führte ihn als IM „Elster“. Das räumte er gestern gegenüber den PNN ein. Er habe bei zwei, drei zwanglosen Gesprächen mit der Stasi mündlich berichtet, vor allem über die Missstände bei der Armee. „Die wollten was über meine Kameraden wissen. Da habe ich gesagt, sie sollten sich sich besser mit unseren Vorgesetzten beschäftigen.“ Aber „an alle Details kann ich mich nach fast 40 Jahren natürlich nicht mehr erinnern“, Die Berichte habe er nicht selbst geschrieben. „Die sind lediglich mit ,Elster’ gezeichnet worden.“ Bereits im Sommer 1973 sei für ihn klar gewesen, dass er nicht mehr mitmachen wolle.

Tatsächlich werden Löffelmachers Aussagen durch seine Stasi-Akte bestätigt. Sein Studium zum Sportlehrer brach er nach dem Tod seiner Mutter 1969 vorzeitig ab, um daheim in Wusterwitz für die Familie da zu sein. Die Stasi wurde 1972 auf ihn aufmerksam, als er in der Wusterwitzer Forstbrigade Arbeit fand. Er sollte auf einen Bekannten angesetzt werden, zugleich auch verdeckt die Radarstation im Ort absichern helfen. Im ersten Bericht von IM „Elster“ ist von „negativen Personen“ die Rede und von Besuchen aus Westberlin. Noch im selben Jahr musste Löffelmacher seinen Wehrdienst bei der Kompanie Chemische Abwehr in Brandenburg/Havel antreten, der Führungsoffizier bei der NVA nahm drei Berichte von ihm auf. Darin aber regte sich IM „Elster“ vor allem über die Vorgesetzten und über Verstöße gegen die Dienstvorschriften auf, über Offiziere, die betrunken Waffen ausgeben. Auch darüber, dass die Soldaten am einzig möglichen Tag für einen Kino-Besuch die Propaganda-Sendung „Der schwarze Kanal“ im Fernsehen schauen mussten. Die Spannungen zwischen Vorgesetzten und Soldaten hatten bei dem IM die Folge, „dass er trotz mehrmaliger Versuche des Unterzeichners nicht bereit war, eine kontinuierliche Zusammenarbeit zu gestalten“, es „kam keine effektive Zusammenarbeit zustande“, vermerkte der Führungsoffizier. Grund war auch, dass die Vorgesetzten von Löffelmachers IM-Tätigkeit erfahren hatten und er darunter zu leiden hatte.

Nach dem Wehrdienst versuchte die Stasi ihren IM weiter zu nutzen. Da aber hat Löffelmacher die Episode Stasi für sich längst abgeschlossen. Auch wegen seiner Frau, und „weil er mit den Methoden der inoffiziellen Arbeit während seines Ehrendienstes nicht einverstanden war“ und Angst davor hatte, wie es im Abschlussbericht zu IM „Elster“ heißt. Die Stasi schrieb Löffelmacher ab, die Akte verschwand im Archiv.

Eine Prüf-Kommission fand 1996 in dem Material wenig Belastendes, weil er keiner Person geschadet und auch kein Geld von der Stasi genommen hatte. Löffelmacher war damals ehrenamtlicher Bürgermeister von Lehnin. Konsequenzen habe die Kommission ihm nicht angetragen, so Löffelmacher. „Ich dachte, die Sache war für mich damit erledigt.“ Deshalb habe er sich 2008 auch der Wahl zum Kreistag gestellt.

In dem Parlament läuft derzeit erneut die Überprüfung aller Abgeordneten, ebenso des Landrats und dessen Stellvertreters. Im März 2009 war beschlossen worden, dafür eine siebenköpfige Kommission zu bilden. Mittlerweile sind alle angeforderten Unterlagen eingetroffen. Über Ergebnisse gab es noch keine Auskunft. Für den Kreistag am 28. April sei eine Erklärung zu erwarten, kündigte der amtierende Kreistagsvorsitzende Gerhard Enser (CDU) an. Laut Beschluss gewährt die Kommission bei Hinweisen auf eine Stasi-Tätigkeit den Betroffenen in einem persönlichen Gespräch rechtliches Gehör und legt ihnen gegebenenfalls den Rücktritt nahe. Ein solches Gespräch mit ihm habe noch nicht stattgefunden, sagte Löffelmacher. Das Ergebnis wolle er abwarten, bevor er eine Entscheidung über seine politische Zukunft trifft. Seine Fraktion stärkte ihm bereits den Rücken. „Er hat uns informiert, wir wissen das schon längere Zeit und haben uns ausgesprochen“, sagte Fraktionschef Wolfgard Preuß den PNN. „Nach allem was bekannt ist, hat er weiter einen Platz in unserer Fraktion“, so Preuß: „Meiner Einschätzung nach ist das Kinderkram. Wer in der DDR gelebt hat, kann das einschätzen.“

Dass Löffelmacher Konsequenzen drohen, ist unwahrscheinlich. Zwei Linke- Kreistagsabgeordnete waren viel stärker in den Stasi-Apparat verstrickt: Sieghard Rabinowitsch (Wiesenburg) war Vize- Chef der Stasi-Dienststelle in Belzig; Bernd Lachmann (Wusterwitz) war Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit (GMS) und berichtete ausführlich über Offiziere und Soldaten bei der NVA.

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