Von Thomas Lähns: Wieder Leben im Lendelhaus
Werders Freigut wartet noch auf die Sanierung – das Gutshaus wird bereits von Bürgern genutzt
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Werder (Havel) - Kostbares aus alten Zeiten, Süßigkeiten aus privater Küche und bislang unbekannte Einblicke in das Leben auf Werders Insel: Hinter dem ersten Adventstürchen verbergen sich in diesem Jahr besondere Schätze. Im Rahmen der Aktion „Historischer Adventskalender“ der AG Städte mit historischem Stadtkern wird am 1. Dezember das Lendel haus seine Türen öffnen. Nach Jahren des Leerstandes ist hier mittlerweile wieder Leben eingekehrt.
Seit Ende Oktober hat die Werderanerin Claudia d“Ottillie ihren „Laden auf Zeit“ wieder geöffnet. Bis Weihnachten verkauft sie hier Antiquitäten, selbstgemachte Marmeladen und Christstollen passend zur Adventszeit. Dabei geht es längst nicht nur ums Geschäft: Zwischen Kamin und Herrenzimmer, Stuckdecken und knarrenden Holzdielen können sich die Kunden als Gäste fühlen, mit der Händlerin plaudern oder einfach nur das Haus besichtigen. „Gerade die Werderschen, die ihre Kindheit auf der Insel verbracht haben, nutzen diese Gelegenheit“, berichtet sie.
Das Sortiment besteht aus kleinen Schätzen: Eine Vitrine aus dem 19. Jahrhundert, zahlreiche Fotos und Bilder aus der wilhelminischen Epoche, Silberschmuck, Porzellan – und jede Menge Werder in Form von Karten und antiken Büchern. Das meiste davon stammt aus der Zeit zwischen 1890 und 1950. Jüngere Artikel hätten kaum antiquarischen Wert, ältere Artikel von vor 1800 wären zu teuer. „Es ist ein Laden für jedermann, auch mit kleinem Geldbeutel.“ Claudia d“Ottilie will sich nicht über den Preis eine bestimmte Kundenklientel schaffen.
Die ehemalige Juristin kommt ursprünglich aus Lüneburg, ist in den 90ern an die Havel gezogen und damit zu den Wurzeln ihrer Familie zurückgekehrt: Ihre Großeltern haben in Netzen gelebt. Werders Inselstadt sei für sie etwas Besonderes, denn hier habe man Wertvolles bewahrt. Sie meint die vielen historischen Häuser, die mittlerweile fast alle saniert worden sind. „Zurecht sind die Bürger stolz auf die Stadt.“
Eines der wenigen Anwesen, das noch auf seine Erneuerungskur wartet, ist das Lendelhaus selbst und die ehemalige Saftfabrik dahinter. Vor knapp einem Jahr hatte das 4 000 Hektar große Freigut inmitten der Insel erneut den Besitzer gewechselt – zum vierten Mal seit der Wende (PNN berichteten). Und erneut herrscht Aufbruchstimmung. Investor Christoph Höhne will – ähnlich wie sein Vorgänger – Wohnräume in den oberen Etagen der Fabrikgebäude errichten, die Erdgeschosse sind für die öffentliche Nutzung vorgesehen. So will im hinteren Bereich des Gutshauses der Potsdamer Nobelgastronom Maximilian Dreier im kommenden Jahr ein Restaurant eröffnen.
Doch es sind die Bürger, die das Haus schon jetzt mit Leben füllen. Das Theater Ton und Kirschen probt nach wie vor auf dem Gelände, Claudia D“Ottillie betreibt ihren „Laden auf Zeit“ und am Sonnabend eröffnet der hier geborene Maler Hans-Joachim Stahlberg eine Ausstellung in den benachbarten Räumen.
Auf insgesamt 18 Bildern will er die Insel zeigen, wie sie bislang nur die Einheimischen und regelmäßigen Besucher kennen. Statt Postkartenmotive wie Kirche, Mühle und Inselbrücke hat er die schmalen Gassen, engen Hoftore und versteckten Winkel festgehalten. „Es ist ein Stück Identifikation mit meiner Heimat“, erzählt der Maler, der in dieser Woche von Haus zu Haus auf der Insel pilgert, um jeden persönlich zur Eröffnung am Sonnabend um 16 Uhr einzuladen. Das Lendelhaus als Herz der Insel beginnt allmählich wieder zu schlagen, pünktlich zur Adventszeit.
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