zum Hauptinhalt
Fleischlust Grill’n Chill, Pappelallee 36, Prenzlauer Berg, Tel. 44675414, Dienstag bis Sonntag ab 17 Uhr.

© Kitty Kleist-Heinrich

Restaurantkritik: Fleischlust

Burger mit hausgemachter Sauce.

Der Ober klingt streng wie ein verärgerter Kitaonkel. „Das machen wir aber bitte nicht“, spricht er und deutet anklagend auf eine Stuhllücke am Nachbartisch. „Den Tisch brauche ich dringend.“ Da wir trotz Reservierung nur einen winzigen Zweiertisch bekommen haben, dient die dort entwendete Sitzgelegenheit gerade als Ablage für Tasche und Mantel. Statt schuldbewusst zu gucken, wie er es offensichtlich erwartet, deuten wir auf den leeren Nebenraum. Ob er nicht von da Ersatz beschaffen könne. „Der ist gesperrt heute Abend“, sagt er nicht minder streng. „Wenn’s eh gesperrt ist, fehlt der Stuhl doch nicht“, beharren wir, heimlich denkend, dass er ja anbieten könnte, unsere Garderobe an einem Ständer unterzubringen, was er aber nicht tut.

Kellner, die sich pädagogisch an ihren Gästen abarbeiten, mag ich gar nicht. Man zahlt schließlich nicht dafür, ein besserer Mensch zu werden, sondern für eine hoffentlich genussreiche Mahlzeit. Vielleicht ist der Kitaonkel tagsüber ein Student der Ingenieurwissenschaften, der auch seine Schräublein immer gern akkurat am rechten Ort sitzen hat. Gecastet wurde er wohl nach Aussehen, hoch gewachsen, adretter Haarschnitt, ebenmäßige Gesichtszüge. So passt er bestens zum rot-schwarzen Lichtdesign mit Anmutungen an Szenen aus Filmen der 40er.

Die Tische sind aus nacktem Holz, immerhin die Servietten aus Stoff, kleine Windlichter flackern, hohe Fenster geben den Blick frei auf gebeugte winterliche Flaneure. Der Aperitif kommt spät, dafür werden zeitgleich Wasser und Wein serviert. Wer so viel Geld fürs Innendesign ausgibt, könnte doch auch ein kleines Flugblatt mit den wichtigsten Grundregeln für einen erfolgreichen Service an seine Mitarbeiter verteilen. Allein der modische Hinweis „Tip not included“ in der Speisekarte ist ein bisschen wenig. Amerikanische Gäste dürften jedenfalls irritiert sein von der Politik, Kreditkarten erst ab einer Rechnungssumme von 50 Euro zu nehmen.

Auch die Küche zeigt sich nicht so richtig sensibel. Zwar ist die Karotten-Ingwer-Suppe sehr gut mit separater Rindfleisch-Einlage. Das Fleisch ist richtig schön scharf gewürzt und auch halbwegs zart (6 Euro). Aber der Salat ist kaum zu bewältigen. Hoch türmen sich viel zu große Blätter über einer kleinen Beilagenschüssel. Bei dem Versuch, sie auf viel zu kleinem Raum irgendwie zu falten und achtbar zum Munde zu führen, fliegen Paprikastreifen über den Tisch. Das Hausdressing ist immerhin ganz ordentlich. Dazu gibt es Olivenbrot mit scharfem Öl (5 Euro). Der Rat, lieber einen Beilagen- als einen Gartensalat zu nehmen, hat sich immerhin als richtig erwiesen.

Der Burger de Luxe aus glaubhaften 180 Gramm Rindfleisch ist richtig groß in einem fluffigen getoasteten Sesambrötchen (13 Euro). Dazu gibt es Eisbergsalat, Tomate, Gurke und eine gute hausgemachte Hamburgersauce. Nur die Kartoffelecken sind schwarz verbrannt. Auf unsere Reklamation hin bekommen wir neue. Aber wenn die Köche nicht mit Sonnenbrillen in einer verdunkelten Küche arbeiten, hätten sie das eigentlich sehen müssen, der Kellner hätte es definitiv sehen können.

Irgendwie scheinen sie hier an unterwürfige Gäste gewöhnt zu sein, die sich alles gefallen lassen. Rinderfilet kann man hier nur in 100-Gramm-Stufen bekommen, sonst hätte ich mich für die 150-Gramm-Variante entschieden. Die 100 Gramm reichen aber auch, sind einigermaßen zart, obwohl durchgebraten, und ebenfalls gut und scharf gewürzt (16 Euro). Die hausgemachte Barbecue-Sauce schmeckt ebenfalls ordentlich (3 Euro), das Gemüse, Blumenkohl, Brokkoli, Zucchini und Möhren, ist al dente gegart und zurückhaltend gewürzt (4 Euro). Am Ende gibt es noch kaum identifizierbares, weil hart gefrorenes Sorbet aus Erdbeeren und Mangos (5,50 Euro). Ach ja, der südafrikanische Rotwein „Bush Vines Cloof“ von 2007 schmeckte zunehmend besser. Man hätte ihn von Anfang an atmen lassen müssen (21,50 Euro). Gegen Ende des Abends müht der Kellner sich zunehmend um Freundlichkeit. Vielleicht nagt sein Gewissen an ihm. An dem Tisch mit der Stuhllücke nahm nämlich gar niemand Platz.

Zur Startseite