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Kenias Präsident William Ruto gilt im Westen als Hoffnungsträger, doch im eigenen Land wächst der Druck auf ihn.

© dpa/AP/Brian Inganga

Scholz besucht Ostafrika: Warum Kenias Präsident Ruto im Westen beliebter ist als im eigenen Land

Am Freitag empfängt Kenias Staatschef William Ruto den deutschen Bundeskanzler. Im Westen gilt Ruto als Hoffnungsträger. Im eigenen Land sind hingegen viele schwer enttäuscht von ihm.

Von
  • Judie Kaberia
  • Stefan Schott

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Freitag das ostafrikanische Kenia besucht, dann wird er dort auf einen echten Macher treffen – oder zumindest auf einen, der sich selbst gerne so sieht: Präsident William Ruto.

Der 56-Jährige ist eine Art Liebling westlicher Staatschefs und Diplomaten. Er gilt als dynamisch, pragmatisch und vor allem als viel zugänglicher als alle seine Vorgänger. Ruto kümmert sich aktiv um die wirtschaftlichen und politischen Außenbeziehungen seines Landes. Bereits mehrfach war er auf diplomatischer Mission im Westen, zum Beispiel Ende März bei Scholz im Kanzleramt in Berlin.

Doch Rutos Image als strahlender Gewinnertyp täuscht. Inzwischen mehren sich die Zweifel an seiner Person. Ist er doch kein so vorbildlicher Partner, für den man ihn in Deutschland gerne hält?

Hohe Schulden, schwache Währung

Rutos Erfolg in Kenia basiert vor allem auf seiner eigenen Erzählung. So hat er sich den Wahlsieg im August 2022 erkämpft, indem er sich als Fürsprecher der kleinen Leute präsentierte.

Er versprach, die Wirtschaft von unten anzukurbeln, um das Leben der „Hustler“ zu verbessern. So werden die vielen Kenianer genannt, die täglich ums wirtschaftliche Überleben kämpfen. Sie standen im Zentrum seiner Kampagne im Wahlkampf.

Jetzt, sieben Monate später, geht es den „Hustlers“ schlechter als zuvor. Die Wirtschaft steckt in der Krise, und viele Kenianer fühlen sich existenziell bedroht, weil die Preise für Grundnahrungsmittel und Energie immer weiter ansteigen. Mit jedem Tag wächst der Druck auf Ruto, etwas dagegen zu tun. 

Doch Kenia ist hochverschuldet. Das Staatsdefizit liegt bei 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Kassen der Regierung sind so leer, dass zum ersten Mal seit langer Zeit die Gehälter der Staatsbediensteten nicht pünktlich ausbezahlt werden konnten. Der Kurs des kenianischen Schilling zeigt seit Monaten nach unten. Die Währung verlor seit September 22 Prozent an Wert.

Angesichts dieser Realität hat Ruto in großem Umfang staatliche Subventionen gestrichen. Das entlastet den Haushalt, trifft aber besonders die einfachen Kenianerinnen und Kenianer, die nun noch mehr für Energie, Lebensmittel und Schulgebühren ausgeben müssen.

Die Einführung des „Hustler-Fonds“, der billige Kredite zur Gründung kleiner Unternehmen anbietet, ist da nur ein schwacher Ausgleich.

Die Opposition um Raila Odinga nutzt die Unzufriedenheit der Menschen, um Ruto unter Druck zu setzen. Im März veranstaltete sie landesweite Proteste, die Kenia weitgehend zum Stillstand brachten und zusätzlichen wirtschaftlichen Schaden verursachten.

Kenias Oppositionsführer Raila Odinga.
Kenias Oppositionsführer Raila Odinga.

© Reuters/Thomas Mukoya

Neben den hohen Lebenshaltungskosten prangerte Odinga weitere Missstände an: Vetternwirtschaft und Rechtsbeugung bei der Ernennung von Ministern und Beamten sowie Einschränkungen der Freiheiten von Regierungskritikern und Zivilgesellschaft. Immer wieder klagt Odinga, die Wahl 2022 sei „gestohlen“.

Viele Beobachter sehen darin das eigentliche Motiv für die Proteste. Odinga wolle die Wahlniederlage nicht akzeptieren und sich mit Druck von der Straße den Platz im State House erkämpfen oder, wenn das nicht gelingt, zumindest ein lukratives Stück vom Kuchen.

Die Regierung reagierte auf die Proteste mit Tränengas und Schlagstöcken Zwei Demonstranten wurden von der Polizei getötet. Umgekehrt bewarfen Demonstranten die Polizei mit Steinen, es kam zu Vandalismus und Plünderungen.

Bei Demonstrationen, zu denen der Oppositionsführer Odinga aufgerufen hatte, kam es in Kenia zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Regierungsgegnern.
Bei Demonstrationen, zu denen der Oppositionsführer Odinga aufgerufen hatte, kam es in Kenia zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Regierungsgegnern.

© dpa/Ben Curtis

Nur auf internationalen Druck hin haben sich Regierung und Opposition auf bilaterale Gespräche verständigt. Die Demonstrationen wurden zunächst ausgesetzt. Doch auf beiden Seiten gibt es Hardliner, die zündeln und provozieren. Odinga hat die Gespräche schließlich abgesagt, noch bevor sie begonnen haben. Seit dieser Woche wird in Nairobi und anderen Städten wieder protestiert, Krawalle inklusive.

Unterdessen versucht die Regierung, die kenianischen Medien unter Kontrolle zu bringen. Die Kommunikationsbehörde droht sechs Fernsehstationen, die live von den letzten Demos berichtet hatten, mit dem Entzug ihrer Sendelizenzen. Das ist nur einer von zahlreichen Angriffen auf die Pressefreiheit. Der Mehrheitsführer im Senat, ein Verbündeter Rutos, hat jüngst die Medien als Kartell bezeichnet, das zum Wohle der Öffentlichkeit zerschlagen werden müsse.

Die internationale Gemeinschaft ist gut beraten, sich nicht zu sehr von dem dynamischen, eloquenten und zugänglichen Präsidenten Ruto blenden zu lassen. Fragwürdige Berufungen von Ministern, das harte Vorgehen gegen die Opposition und insbesondere die Attacken auf die Pressefreiheit erinnern an die dunklen Zeiten von Präsident Daniel arap Moi vor gut 20 Jahren.

Ein Rückfall Kenias in die autokratischen Strukturen dieser Zeit wäre eine Katastrophe für das Land und Ostafrika insgesamt.

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