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Gesellschaft: SPEZIELLE WEINE 

Nach Feierabend geht’s erst richtig los. Es ist neun Uhr abends, 28 Nasen schnüffeln an Gläsern mit Sancerre Rouge, 28 Stücke Petit Langres wandern auf 28 Zungen, die den Rotschmierkäse aus der Champagne am Gaumen zerdrücken.

Nach Feierabend geht’s erst richtig los. Es ist neun Uhr abends, 28 Nasen schnüffeln an Gläsern mit Sancerre Rouge, 28 Stücke Petit Langres wandern auf 28 Zungen, die den Rotschmierkäse aus der Champagne am Gaumen zerdrücken. „Die beste Verbindung bisher“, brummt es aus einem Mund, der mit etwas Brot gestopft wird. Am Ende eines langen Tischs sitzt zufrieden Holger Schwarz und trinkt einen Schluck. Soeben hat er den Gästen des Seminars „Wein & Käse“ einen, wie er sagt, „Naturwein“ untergejubelt und keiner meckert; mehr noch: Es schmeckt.

Schwarz ist, nun ja, auf einer Mission. Er war irgendwann der gängigen Weine überdrüssig geworden, zu glatt, zu fruchtig, wenn auch perfekt und routiniert gemacht. Er suchte nach „etwas Urwüchsigem“. Er fand Weine, die diese Sehnsucht stillen konnten, doch er sagt auch: „Ich habe sie selbst nicht gleich verstanden.“

Der Chef des Weinladens Viniculture, 43, froschgrüne Trainingsjacke, spricht mit weichem Pfälzer Dialekt. Er ist keiner der vielen Quereinsteiger dieser Profession, Schwarz ist mit Reben und Weinbergen aufgewachsen. Schon der Onkel war Kellermeister beim berühmten Gut Müller-Catoir, er selbst hat Restaurantfachmann gelernt, in großen Hotels wie Steigenberger und Hilton gearbeitet, Stationen in London und Argentinien, ein Jahr Studium zum staatlich geprüften Sommelier, sprich Weinberater. Bei Viniculture arbeitet er seit 15 Jahren, 2006 hat er das Geschäft übernommen.

Ein geräumiger Laden ist das, der Boden aus Lärchenstirnholz, kaum zu glauben, dass hier 400 Weine im Angebot sind, Brände, Calvados, links im Regal ein wenig Pasta, Essig, Öl – und selbstverständlich Wurstdosen aus der Pfalz. Frankreich dominiert, Flaschen aus Italien und Deutschland liegen sanft gebettet, vieles zu fünf bis zehn Euro, wer will, kann auch einen Burgunder Pinot zu 199 haben.

Und zwischendrin sind Schwarz’ Lieblinge versteckt, schwach oder gar nicht geschwefelt, unfiltriert, biodynamisch, Demeter ... Der Chef ist ganz und gar nicht beleidigt, wenn man beim Probieren dieser Weine „Sauerkrautsaft“ oder „Hefeteig“ sagt. Er redet lieber von „starker Mundhaptik“ oder davon, dass man „das Gerüst des Weins schmeckt und nicht nur den Aromenschwall“. Und noch ein hübscher Schwarz-Satz: „Was sonst hinter der Frucht liegt, stülpt sich hier nach vorne.“

Klar, Naturweine sind sperrig und von ihrem Verkauf alleine könnte der Laden nie leben. Es braucht die Klassiker aus Bordeaux, der Toscana, der Pfalz. Doch Schwarz sorgt dafür, dass man die anderen kennenlernt. Norbert Thomma

Grolmanstraße 44, Berlin-Charlottenburg, Telefon 883 8174; www.viniculture.de

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