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Am Wochenende startet die DTM in Hockenheim in die neue Saison.

© imago/HochZwei

DTM-Piloten Mattias Ekström und Maximilian Götz im Interview: „Miese Tricks, Crashs – das wollen die Fans sehen“

Die DTM-Piloten Mattias Ekström und Maximilian Götz fordern weniger Stromlinienförmigkeit und mehr Charaktere im Motorsport.

Von Christian Hönicke

Herr Ekström, am Wochenende startet die DTM in Hockenheim in die neue Saison. Sie gehen jetzt in Ihr 16. DTM-Jahr. Sind Sie zu gut oder sind die Jungen zu schwach, um Sie zu verdrängen?

EKSTRÖM: Die jungen Fahrer, die jetzt in die DTM einsteigen, die haben ein hohes fahrerisches Niveau und viel mehr Basiswissen als wir früher. Aber das sind oft verwöhnte Jungs, wenn es um die Technik geht. Sie strampeln 5000 Kilometer auf dem Rennrad im Jahr und machen 1000 Liegestütze am Tag. Aber wenn ich sie frage: Welchen Kaltdruck hast du im Reifen? Dann sagen sie: Das mache ich nicht, ist nicht meine Arbeit.

Und deswegen sind Sie immer noch da?

EKSTRÖM: Die DTM ist die Königsklasse des Tourenwagensports. Da geht es um jede Kleinigkeit. 99 Prozent der Neulinge haben von diesen Kleinigkeiten und der entsprechenden Arbeitsweise keine Ahnung. Viele sind daran gescheitert, dass sie nicht auf allen Ebenen gleich gut waren.

GÖTZ: Meinst du die Formel-1-Fahrer?

EKSTRÖM: Auch, ja.

GÖTZ: Ich habe auch schon Formel-1-Fahrer kennen gelernt, die steigen ins Auto ein und wissen eigentlich gar nichts darüber, weil sie sich auf den Ingenieur verlassen. Auch unsere Ex-Formel-1-Jungs Timo Glock und Paul Di Resta sagen, in der DTM geht es mehr in die Tiefe. Das Fahrerfeld ist wahnsinnig ausgeglichen, die Autos sind sich sehr ähnlich. Da kommt es auf jedes Hundertstel an. Vor allem die Fahrzeugeinstellung ist extrem wichtig.

EKSTRÖM: Du musst nicht selbst dein Auto zusammenschrauben können, aber du musst wenigstens verstehen, wie es zusammengeschraubt ist. Du musst deinem Ingenieur sagen können: Ich brauche mehr mechanischen Grip auf der Hinterachse, verstell mal bitte diese Schraube da um 16 Millimeter. Das ganze Zusammenspiel zwischen Fahrer, Auto und Ingenieuren zu verstehen, das dauert lange.

GÖTZ: Man braucht als Neuling ein bisschen Eingewöhnungszeit, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Du bist selbst im zweiten, dritten Jahr noch Rookie.

EKSTRÖM: Auch im 16. Jahr bist du noch Rookie (lacht).

Pascal Wehrlein ist einer dieser jungen Fahrer, von denen Sie vorhin sprachen. Er ist vergangene Saison Meister geworden.

GÖTZ: Ja, aber das hat drei Jahre gedauert. Er ist schnell, aber er ist nicht gekommen und hat alle niedergemacht. Er hat sich erst zwei Jahre lang die Hörner abgestoßen. Bei Pascal muss man aber auch sagen, dass er einer der Fahrer ist, die die Technik verstehen.

EKSTRÖM: Alle sagen jetzt: Oh, der Pascal Wehrlein, der ist der Gott! (lacht) Das denkt Mercedes über ihn, und das sollen die ruhig glauben. Pascal ist ein super Talent, keine Frage, aber er war nicht der beste Fahrer letztes Jahr. Er hatte das beste Paket, keine technischen Defekte, hat keinen Fehler gemacht. Und er hatte sieben Teamkollegen, die ihr Leben für ihn geopfert hätten.

Wehrlein ist in die Formel 1 gewechselt. Früher lief es andersrum: Formel-1-Piloten wie Mika Häkkinen oder Ralf Schumacher ließen in der DTM ihre Karrieren ausklingen.

GÖTZ: Für uns als Fahrer ist es schade: Wir wollen ihm ja den Titel abjagen. Dieses Spiel fehlt, wenn der Meister nicht da ist. Aber generell ist es natürlich weltweit gute Werbung für die DTM, wenn der Meister in die Formel 1 aufsteigt.

EKSTRÖM: Man sieht: Wenn du bei uns erfolgreich bist, kommst du auch dahin. Ich glaube, jeder Topfahrer in der DTM könnte auf einem guten Niveau in der Formel 1 mitfahren. Keiner würde sich lächerlich machen. Wir sind alle gut, hier kommt keiner mit 20 Millionen Sponsorengeld und kauft sich ein Cockpit. Das ist das Einzigartige an der DTM: In der ganzen Serie fahren nur Profis. Das sind echte, wirkliche Werksfahrer im klassischen Sinn, die für ihre Arbeit bezahlt werden. In der Formel 1, da ist das nicht so.

Sie finden, das fahrerische Niveau in der DTM ist höher als in der Formel 1?

EKSTRÖM: Hier sind drei große Werke, drei Autohersteller am Start, die wollen gewinnen. Die suchen nicht die reichsten, verschnöselten Söhne mit den größten Geldbeuteln. Sondern die acht besten Fahrer, die sie kriegen können, und die bezahlen sie auch. Deswegen hast du auch nicht nur einen Teamkollegen auf deinem Gehaltsniveau, sondern sieben. Die musst du alle schlagen, und wenn du das geschafft hast, dann musst du die 16 Fahrer der anderen Marken auch noch schlagen.

Was missfällt Ihnen noch an der Formel 1?

EKSTRÖM: Natürlich ist die Formel 1 ein Weltsport. Die Autos sind viel schneller, unsere sind zu langsam. Jedenfalls für mich, ich will mehr Motorleistung (lacht). Dennoch sind unsere Rennen oft viel unterhaltsamer als die in der Formel 1. Der Abstand vom Führenden bis zum Letzten ist wegen des ähnlichen Materials oft gering. Wir haben auch viel mehr Zweikämpfe. In der Formel 1 jubeln die ja schon bei einem Überholmanöver.

Die DTM setzt weiter auf Verbrennungsmotoren. Ist der Elektromotorsport wie die Formel E die Zukunft?

EKSTRÖM: Für mich persönlich ist das unwichtig. Egal welcher Motor, Einzylinder, Achtzylinder oder Elektromotor: Du musst das Maximale herausholen.

GÖTZ: Aber zum Motorsport gehört der Motorsound. Wenn ich auf der Tribüne sitze und es ist Totenstille, dann ist es emotional nicht das Gleiche, als wenn ein Auto mit Flammen am Auspuff vorbeirast und die Tribüne vibriert.

EKSTRÖM: Als Kind habe ich immer die Zweikämpfe auf der Strecke gemocht und den unterschiedlichen Sound. Du konntest die Augen zumachen und wusstest, aha, Audi S1 Turbo. Oder: V 10 Saugmotor. Der Sound ist ein Merkmal für Autos.

GÖTZ: Ein Charaktermerkmal.

EKSTRÖM: Ja, und als ich klein war, haben die Unterschiede mein Interesse geweckt. Es gab einfach eine Vielfalt von Menschen und Teams im Motorsport. Das ist etwas, was in unserer heutigen Welt generell in Vergessenheit gerät. Die Autos klingen gleich, die Fahrer klingen gleich und sehen gleich aus, sie kommen alle mit grauen Pullis und roten Kappen. Wenn einer sich nicht rasiert, dann ist das schon eine Nachricht. Bei den Autos ist es dasselbe. Sogar wir Fahrer können die Sounds kaum noch unterscheiden.

Ein Plädoyer für weniger Stromlinienförmigkeit im Motorsport, auch in der DTM?

GÖTZ: Die DTM ist sehr ausgeglichen, aber es fehlt auch ein wenig die Vielfalt.

EKSTRÖM: Wir brauchen wieder mehr Charakter. Dann ist es auch leichter für einen Fan, der sich fragt: Wen von den Fahrern mag ich eigentlich?

Der Moment, der der DTM in den letzten Jahren am meisten Aufmerksamkeit verschafft hat, war kein Dreifachsieg von Audi, BMW oder Mercedes, sondern …

GÖTZ: … Spielberg.

Der Unfall von Pascal Wehrlein, der 2015 von Timo Scheider auf Anweisung der Audi-Box abgeschossen wurde.

EKSTRÖM: Dieser eine Vorfall hat gezeigt: Die DTM ist wahr.

Wie meinen Sie das?

EKSTRÖM: Im Sinne von: wahrhaftig. Ein Chef darf rumbrüllen, ein Fahrer darf sauer sein, die einen tricksen mies, um zu gewinnen, die anderen rasten aus, es gibt einen Crash. Das wollen die Fans sehen. Die DTM hatte dieses Image: Die Hersteller machen doch eh untereinander aus, wer gewinnen darf, das ist doch alles Mogelei. Und dann passierte Spielberg.

GÖTZ: In der Vergangenheit hieß es immer: Sieg für Audi oder BMW oder Mercedes. Der Fahrer war zweitrangig. Das muss sich nun ändern. Wir sind 24 Topfahrer, 24 verschiedene Typen.

Die DTM soll also von der Marken- zur Fahrermeisterschaft werden? Deswegen auch die Performancegewichte in den Autos, die die technischen Vorsprünge einzelner Marken ausgleichen sollen?

GÖTZ: Die Fahrer müssen einfach in den Vordergrund. Wir sitzen ja auch drin, wir fahren, da steht unser Name drauf. Die Hersteller bieten nur die Plattform, damit wir uns bekämpfen können.

EKSTRÖM: Klar, und Maximilian ist mir letztes Jahr schon gehörig auf die Nerven gegangen, da habe ich dieses Jahr einen gut (lacht).

GÖTZ: Auch mit eurem Jamie Green bin ich ein paarmal aneinander geraten. Der war ebenfalls wenig amüsiert.

EKSTRÖM: Aber das gehört doch zum Sport, auch das mentale Tricksen. Im Fußball sagen die im Vorbeigehen: Eine geile Mama hast du. Und dann fangen sie an, sich richtig zu bekämpfen. Wenn einer sagt, aber das ist doch kein fairer Sport, dann sage ich: Gewöhn dich dran.

GÖTZ: Das Leben ist kein Ponyhof, und der Motorsport auch nicht.

Auf der anderen Seite entwickeln Ihre Arbeitgeber gerade Autos, die gar keinen Fahrer mehr brauchen. Haben Sie Angst, auch im Rennwagen langfristig von Computern ersetzt zu werden?

EKSTRÖM: Selbstfahrende Autos finde ich prinzipiell sehr gut. Im Straßenverkehr würde ich das für gewisse Teilabschnitte praktisch finden.

GÖTZ: Echt?

EKSTRÖM: Ich finde es viel schöner, Auto zu fahren als Zug oder als Flugzeug zu fliegen. Du hast deine Ruhe, hörst deine Musik. Aber stell dir mal vor, wie schön das wäre: Einfach auf einen Knopf drücken, dann kannst du im Auto mal ein bisschen schlummern für 15 Minuten. Auf der normalen Straße würde ich mir das so wünschen, als zusätzliche Option.

Aber Sie würden als Rennfahrer das Lenkrad nicht dauerhaft freiwillig aus der Hand geben, oder?

EKSTRÖM: Es liegt im Herzen der Menschen, selbst steuern zu wollen. Und natürlich macht es Spaß, auch mal ein bisschen sportlich zu fahren. Aber auf der Autobahn, Tempo 120 auf 70 Kilometern? Das ist nur zäh, das brauche ich nicht.

Und eine Weltmeisterschaft der autonom fahrenden Autos?

GÖTZ: Ich hoffe, das kommt nicht. Je mehr das im Alltag Standard wird, desto interessanter wird vielleicht der klassische Motorsport wieder. Dass es dann noch Menschen gibt, die solche Maschinen am Limit bewegen können und auch noch gegeneinander Rennen fahren.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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