zum Hauptinhalt
Viel Ärger, wenig Freude. Sascha Lewandowski bei der Arbeit.

© dpa

1. FC Union Berlin: Ist Sascha Lewandowski auf Durchreise?

Sascha Lewandowski sollte den 1. FC Union nach oben führen, jetzt geht es nach unten. Er scheint beim 1. FC Union nicht mehr glücklich zu werden.

Unter der Woche verlor Sascha Lewandowski die Geduld. „Ihr seid die netteste Mannschaft der Zweiten Liga“, fuhr der Trainer des 1. FC Union seine Spieler während einer Übungseinheit an. Mehr Worte waren nicht nötig, die Botschaft dahinter verstanden alle Umherstehenden.

Sascha Lewandowski hatte ihnen nur ins Gedächtnis rufen wollen, was sie ihr ganzes Sportlerleben lang schon wissen: Wer nett ist, verliert. Erst Recht in der rauen Zweiten Liga, wo Körperlichkeit Spielkunst schlägt. Wo ein gewonnener zweiter Ball mehr zählt als ein erfolgreicher Flankenwechsel. In dieser Spielklasse gewinnt nicht, wer den schönsten Fußball zeigt, sondern wer bereit ist, am meisten für den Sieg zu leiden.

Für Sascha Lewandowski muss die Zweite Liga ein Graus sein. Er, der seine Mannschaften vorzugsweise aktiv verteidigen lässt, der es gern hat, wenn die Außenverteidiger sich offensiv positionieren – „hoch stehen“, wie es in der eigenwilligen Fachsprache heißt. Lewandowski liebt das Schöne am Fußball: Tempo, Offensive, Kombinationen. Dieser Mann mit dem Faible für das Anmutige wird sich in den kommenden Wochen verbiegen, vielleicht sogar neu erfinden müssen, um erfolgreich zu sein.

Der 1. FC Union befindet sich als Fünfzehnter mitten im Abstiegskampf. Langsam hineingerutscht im Rhythmus von Unentschieden und Niederlage. Sascha Lewandowski konnte als Trainer bislang nicht dagegensteuern. Die letzten zwei Spiele an diesem Sonnabend beim direkten Konkurrenten Fortuna Düsseldorf (13 Uhr) und sechs Tage später gegen Sandhausen werden darüber entscheiden, wie es für ihn und den 1. FC Union weitergeht. Der Trainer dürfte nur dann eine mittel- oder gar langfristige Zukunft in Berlin haben, wenn es ihm gelingt, sich in seiner Arbeit den Erfordernissen des Abstiegskampfes anzupassen und möglichst schnell in gesicherte Tabellenregionen vorzustoßen. „Für mich ist das eine sehr ungewohnte Situation. Ich reflektiere noch stärker als sonst und versuche mich noch mehr darauf einzustellen“, sagt Lewandowski, der zuvor im Profibereich nur Bayer Leverkusen trainiert hat. Eine Spitzenmannschaft, gespickt mit Nationalspielern, deren Ziel es war, einen internationalen Wettbewerb zu erreichen.

Lewandowski stand für die Sehnsucht nach Leichtigkeit

Abstiegskampf, erst recht in der Zweiten Liga, sind eine neue, sicherlich verzichtbare Erfahrung, für den 44-Jährigen. Schließlich war er von Klubboss Dirk Zingler nicht als Feuerwehrmann geholt worden, sondern als derjenige, der Union im Idealfall zum ersten Mal in die Bundesliga führt. Er sollte dem ehemaligen Arbeiterklub eine fußballerische Identität verpassen, fernab von Kampf, Schweiß und Grätschen. Lewandowski stand für die Sehnsucht nach Leichtigkeit, für rauschhaften Angriffsfußball mit vielen Toren.

Davon spricht momentan niemand mehr. Nun stehe laut Lewandowski Pragmatismus an erster Stelle. Im Training ließ er Spielformen auf engem Raum üben, mit vielen Zweikämpfen. Die Spieler sollten sich aneinander reiben, aggressiv sein. „Wenn du dich nur auffressen lässt, hast du ein Problem“, sagt Lewandowski. So wie vor einer Woche in Freiburg (0:3), als die Laufleistung deutlich unter der des Gegners lag. Dabei hätten alle vorher gewusst, dass sie gegen diese Spitzenmannschaft nur bestehen könnten, wenn sie mehr laufen.

Etwas zu wissen scheint aber derzeit das eine, es umzusetzen was anderes zu sein. Union tat sich in den vergangenen Wochen beim Spagat zwischen Theorie und Praxis regelmäßig weh.

Bisher wohnt er noch im Hotel

Am Wissen hat es Sascha Lewandowski nie gemangelt. Er verfolgt inzwischen intensiv die Liga, tauscht sich mit seinen Co-Trainern aus, die über mehr Erfahrung in dieser Spielklasse verfügen. An manchen Morgen sieht Sascha Lewandowski aus, als beschäftige er sich 24 Stunden am Tag ausschließlich mit seinem Beruf. Sein Gesichtsausdruck verrät all die Anspannung, seine Augenhöhlen all den Stress. Die Lockerheit aus den Anfangstagen, das Unbeschwerte sind mit der Spätsommersonne verschwunden. Nach außen hin gibt er sich weiter gesprächig, intern wirkt er immer öfter in sich gekehrt. Lewandowski grübelt. Da ist irgendetwas, dass seine Vorgaben nicht bei den Spielern ankommen lässt. Aber was? Überfordert er sie?

Beim 0:3 gegen den Tabellenführer aus Freiburg wurde ihm schmerzlich vorgeführt, wie weit seine Mannschaft von den eigenen Ansprüchen entfernt ist. Die Spieler haben längst den Abstiegskampf ausgerufen, Sascha Lewandowski nimmt dieses Wort nicht gern in den Mund. Es steht immer mehr im Zusammenhang mit seiner Person.

Seit seinem Amtsantritt im September hat Union 13 Punkte aus zwölf Spielen geholt. Die Quote ist nur unwesentlich besser als die seines Vorgängers Norbert Düwel, der nach vier Punkten aus fünf Spielen entlassen wurde. Von atmosphärischen Störungen zwischen Düwel und der Mannschaft wurde berichtet.

Lewandowski sagt: „Ich arbeite gerne mit den Jungs zusammen, auch wenn Dinge manchmal länger brauchen, um zu klappen. Das es jetzt schwieriger ist, spornt mich eher an.“

Sascha Lewandowski wirkt gewillt, den 1. FC Union aus der vielleicht schwierigsten Situation seit dem Wiederaufstieg zu führen. Aber er ist dabei auch Realist. Den Umzug vom Hotel in eine eigene Wohnung hat er sich bisher gespart.

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false