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Da geht es lang! Oder doch nicht? Norbert Düwel baut sein Team ständig um, erfolgreich ist er damit bisher nicht.

© imago/Contrast

1. FC Union: Mit Strategie ans Tabellenende

Mit seinen vielen Systemwechseln scheint Unions Trainer Norbert Düwel seine Mannschaft zu überfordern. Eine Analyse der Spieltaktik vom 1. FC Union - und der Probleme, die das Team damit hat.

Die Bilanz ist unfreundlich beim 1. FC Union. Platz 17, das ist natürlich zu wenig für den Berliner Fußball-Zweitligisten, allerdings auch kein überraschender Zwischenstand. Schließlich ging Union mit der Verpflichtung von Norbert Düwel als Nachfolger von Uwe Neuhaus ein Risiko ein. Für Düwel ist es die erste Station als Cheftrainer im Profibereich. Und als Trainer-Neuling befindet er sich noch in einem Lernprozess und experimentiert bei seiner Spieltaktik. Es wird im Umfeld des Klubs mit Ungeduld beobachtet.

Zwischen 2010 und 2013 war Düwel Co-Trainer beim Bundesligisten Hannover 96. Damals seien viele Ideen zu Mirko Slomkas Kontersystem von ihm gewesen, hat Düwel gesagt. An analytischem Verständnis in strategischen Fragen mangelt es dem 46-Jährigen sicher nicht: Doch das allein macht noch keinen guten Trainer. Vor allem seine ständigen Formations- und Systemwechsel stoßen auf Kritik.

Zum Saisonstart gegen Karlsruhe begann Union im 3-5-2-System. An den darauffolgenden Spieltagen gab es Abwandlungen einer Grundformation mit Dreierabwehrreihe wie ein 3-2-4-1. Zwischenzeitlich ging Düwel zur Viererkette über und bot bei der 1:3-Niederlage gegen Heidenheim ein 4-2-1-3 auf. Dann kehrte er ab dem Darmstadt-Spiel wieder zu einer Dreierkette zurück. Mit diesen ständigen Umstellungen gehen zwei Probleme einher: Einerseits müssen bei den Spielern stets andere Abläufe verinnerlicht werden. Dabei geht es nicht nur um die Abwehrformation. Es entstehen daraus andere Strukturen in der kompletten Ballzirkulation und im Positionsspiel. Unter anderem werden Außenverteidiger in der Regel zu Flügelläufern, die weiträumiger und allein in einem 3-5-2-System die Seite bearbeiten müssen, dafür aber wiederum näher zum nächsten Verteidiger stehen.

Andererseits stellt sich die Frage, ob Düwel überhaupt die Spieler für seine jeweils geforderten Rollen hat. Toni Leistner musste zum Beispiel stets in der Dreierkette als zentraler Verteidiger auflaufen, jedoch verfügt der 24-Jährige nicht über die geforderten Qualitäten im Aufbauspiel. Fragwürdige Positionsverteilungen waren auch bei der 0:3-Niederlage gegen den FC St. Pauli zu erkennen. Fabian Schönheim agierte bis zum Platzverweis von Björn Jopek als linker Flügelläufer, was nicht zu seinem Spielstil und Bewegungsablauf passt. Michael Parensen war seinerseits mit der Rolle als linker Halbverteidiger überfordert.

Die strategische Grundidee des Union-Trainers beim Spiel in Hamburg war gut zu erkennen. Vorn pressten drei Spieler im Zentrum aggressiv und setzten die technisch limitierten Verteidiger von St. Pauli unter Druck. Eigentlich ist eine solche Pressingstruktur darauf angelegt, dass man unpräzise Pässe erzwingt und mit den dahinter gestaffelten Reihen diese Bälle gewinnt und anschließend ins Umschaltspiel übergeht. Allerdings klaffte eine riesige Lücke hinter den drei Angreifern. Die beiden Flügelspieler zogen sich teilweise auf die Höhe der Dreierabwehrreihe zurück. Union stand in einem trichterförmigen 5-2-3 gegen den Ball, wodurch St. Pauli auch unter Druck noch freie Anspielstationen auf den Außenbahnen fand. Kam es doch zu Möglichkeiten im Konter- oder Umschaltspiel, offenbarte Union zudem technische Schwächen, denn diese Art des tempostarken Überbrückens des Feldes erfordert präzise Pässe.

In der vergangenen Saison bildeten die Berliner mit ihrem häufig auf Ballbesitz angelegten Stil eine Ausnahme in der Zweiten Liga, die weitestgehend eine konterfokussierte Liga ist. Düwel hat die strategische Herangehensweise geändert, was durchaus legitim ist. Aber mit der konkreten Umsetzung in Form von gruppentaktischen Elementen scheint er die Spieler zu überfordern und vielleicht auch die Breite des Leistungsvermögens seines Kaders zu überschätzen: Im Heimspiel gegen Sandhausen am Sonnabend (13 Uhr) ist der Druck auf Düwel größer denn je.

Der Autor schreibt für das Taktikportal Spielverlagerung.de

Constantin Eckner

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