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Auf Heimatbesuch. Dienstag gewann Christian Ehrhoff als Kapitän der Buffalo Sabres ein Testspiel bei den Adler Mannheim 8:3. Foto: AP

© dapd

Sport: 30 Apfelsinen, geviertelt

Die NHL hält heute erstmals ein Punktspiel in Deutschland ab – und spielt dabei nach ihren guten Sitten

Berlin - Mal angenommen, die Premier League würde ihre Fußballsaison in der Münchner Arena eröffnen, mit einem Spiel zwischen Manchester City und Tottenham Hotspur. Absurd, hieße das doch so viel wie: Schön, dass ihr eure Bundesliga habt, aber jetzt führen wir euch aus England mal etwas Besseres vor als Bayern gegen Bayer Leverkusen. Es wäre anmaßend, weil zwischen dem Niveau von Manchester und Bayern nicht Welten liegen. So gesehen ist es legitim, wenn am Sonnabend Buffalo Sabres und Los Angeles Kings um 20 Uhr in der Arena am Berliner Ostbahnhof ein Punktspiel der National Hockey-League (NHL) veranstalten, schließlich kommen die Teams aus einer Liga, in der besser Eishockey gespielt wird als in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).

Die besten Eishockeyspieler der Welt sind auch die bestbezahltesten. Allein bei Buffalo verdienen 15 Profis jeweils weit mehr als eine Millionen Dollar pro Saison. Der Mannheimer Jochen Hecht ist dabei mit drei Millionen Kleinverdiener, am meisten kommt auf Christian Ehrhoffs Konto an. Der Verteidiger aus Moers bekommt diese Saison mit zehn Millionen Dollar vergütet. Und wer so viel verdient, hat natürlich Anspruch auf einen erstklassigen Arbeitsplatz. So hat die NHL haargenau festgelegt, was in den Berliner Umkleidekabinen alles zu sein hat. Im 80-Punkte-Plan finden sich neben Eishockeyafinen Artikeln wie Schmirgelpapier (10 Blatt) oder Übungspucks (600) auch etliche kulinarische Essentials für die Millionäre: 30 Bananen, 30 Apfelsinen – geviertelt, bitte. Dazu werden 40 Bagles mit Erdnussbutter oder Schmierkäse serviert.

Abenteuerlich ist die Geschichte in vielerlei Hinsicht. Erstmals hält eine der großen nordamerikanischen Profiligen eine reguläre Partie in Deutschland ab. Es ist nicht neu, dass die NHL durch die Welt tourt, schon 1997 fand in Japan ein Saisoneröffnungsspiel statt. Diesmal wurde die Saison in Amerika eröffnet, aber gestern auch schon in Stockholm und Helsinki gespielt. Gary Bettman, Comissioner der NHL und mächtigster Mann im nordamerikanischen Eishockey, sagt: „Es ist wichtig für die Liga, in Europa zu spielen, um so bei unseren europäischen Fans das Wissen über NHL-Eishockey zu erhöhen.“ Übersetzt heißt das: Auf dem Markt lässt sich dazu verdienen. Ein Viertel der Profis aus der Liga stammt aus Europa.

Pünktlich zum Spiel in Berlin gibt es die NHL-Website auch auf deutsch und auf sechs anderen Sprachen. Mit Marco Sturm (Washington Capitals), Marcel Goc (Florida Panthers), Ehrhoff, Hecht und Denis Seidenberg, der vergangene Saison mit den Boston Bruins den NHL-Titel, den Stanley-Cup, gewann, haben fünf Deutsche Stammplätze in der Liga. Andere wie Torwart Dennis Endras sind auf dem Sprung in die NHL. Dass die NHL in Berlin vorbeischaut, berührt die hiesige Eishockeyszene allerdings weniger. Der Apell der Anschutz-Gruppe an die Eisbären-Fans, die ebenfalls zur Firma gehörenden Kings beim Spiel zu unterstützen, verhallte. 70 Prozent der teuren Karten (ab 52 Euro) wurden außerhalb Berlins verkauft. 3000 der 14 300 Tickets gingen nach Österreich: Bei den Sabres spielt mit Thomas Vanek der bestbezahlte österreichische Sportler überhaupt, Jahresgehalt 6,4 Millionen Dollar.

23 Teams aus den USA und sieben aus Kanada spielen in der NHL auf einer etwas kleineren Eisfläche als international üblich in einer megalangen Saison um den Titel und schwingen dabei häufiger die Fäuste als im Rest der Eishockeywelt erwünscht. Show ist eben essentiell in Nordamerika, Geld auch: Natürlich ist ein Christian Ehrhoff auf dem Eis nicht 40 Mal wertvoller als sein in Berlin bei den Eisbären spielender Nationalmannschaftkollege Frank Hördler – er verdient aber etwa 40 Mal so viel.

Das absurd hohe Gehalt ist ein Teil des Mythos NHL, einer Liga, die in jeder Hinsicht eine professionellere Infrastruktur hat als alle anderen Ligen. Sicher werden auch bei dem Spiel in Berlin etliche NHL-Devotionalien verhökert werden. Wenn der Tross aus Buffalo und Los Angeles wieder abgezogen ist, freuen sich die Fans der Eisbären auf ihr DEL-Spiel am Sonntag gegen die Adler Mannheim. Dafür wurden die Tickets vor allem im Berliner Raum verkauft. Berlin ist den Berlinern emotional eben ein Stück näher als Buffalo.

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