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Auch die paralympische Mannschaft Russlands, hier bei der Eröffnung der Paralympics in London 2012, sind 2016 wegen systematischen Dopings gesperrt worden.

© Facundo Arrizabalaga/dpa

300 Athleten des Dopings verdächtigt: Russland ist hängengeblieben im Klassenkampf

Russland will sich im Sport rehabilitieren. Doch der Geist und die Kultur der Sowjetunion leben im russischen Sport bis heute fort.

Die Meldung ist mittlerweile so spannend wie die Nachricht, dass der FC Bayern München Deutscher Fußballmeister geworden ist: Russische Athleten könnten gedopt haben. Wie die Welt-Anti-Doping-Agentur am Dienstag bekannt gab, werden insgesamt rund 300 Sportler des Dopings verdächtigt. Das gehe aus der Analyse von 578 Stichproben hervor, teilte die Wada mit, wohlgemerkt: Stichproben. Darin liegt die neuerliche Dimension dieser Meldung, die so gewöhnlich daherkam. „Das Ergebnis zeigt, wie ausgeprägt das Manipulationssystem im russischen Sport gewesen ist“, sagte der Doping-Experte Hajo Seppelt am Mittwoch dem Tagesspiegel.

Die Welt des Sports ist groß. Doch geht es um den großen Betrug im Sport, dann fällt seit Jahren vor allem der Name Russland. Das Riesenreich hat eine – mit Blick auf die Medaillen – glänzende Historie im Leistungssport. Das liegt vor allem daran, dass es mit Ausnahme von China kaum ein Land gibt, bei dem das sportliche Höher, Schneller, Weiter so sehr Staatsauftrag ist. Die überambitionierten Ziele der politischen Führung mündeten in systemisch gestütztes Doping.

Seit 2015 sind russische Mannschaften, vereinzelte Sportler oder gar Dopinglabore, die nicht – wie vorgesehen – kontrollierten, sondern vertuschten, gesperrt und teilweise wieder zugelassen worden. Russland bekam Auflagen und gelobte Besserung. Im Herbst vergangenen Jahres wurde dann auch die Suspendierung der russischen Anti-Doping-Behörde Rusada aufgehoben. „Das war falsch“, sagt Seppelt. „Dadurch hat man die Chance verpasst, den Druck auf den russischen Sport zu erhöhen, den Kampf gegen Doping anzugehen.“

Die Beharrungskräfte des Betrugssystems in Russland sind groß

Doch mit der Zulassung der Rusada ist Russland das Doping-Problem freilich nicht los. Die Beharrungskräfte des Betrugssystems in Russland sind groß. Die alte Kaderschule, herrührend aus Sowjetzeiten und teilweise immer noch mit dem schwer belasteten Personal aus Sowjetzeiten, wird immer noch geduldet und protegiert. Leute wie der 74 Jahre Valentin Maslakov zum Beispiel, der sich als Trainer immer noch in der russischen Leichtathletik bewegt. Sie sind nicht so leicht kleinzukriegen die alten Generäle aus einer Zeit, in der noch vom Klassenkampf auf der Aschenbahn die Rede war. „Der Geist und die Kultur der alten Sowjetunion leben im russischen Sport bis heute fort“, sagt Seppelt und er hat auch eine Erklärung dafür. „Es hat dort nie eine Aufarbeitung der dopingbehafteten Sportgeschichte gegeben.“

Und das fällt den Russen bis heute auf die Füße. So stehen im Herbst dieses Jahres die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Katar an. Erst kürzlich verlängerte der Leichtathletikverband IAAF die Sperre gegen die russischen Athleten. Kurz vor der WM soll dann entschieden werden, ob die große Leichtathletiknation dieses Mal antreten darf.

Nicht nur bei der IAAF oder kritischen Doping-Experten wie Seppelt gibt es großes Misstrauen in die Selbstreinigungskräfte des russischen Sports. „Die Anti-Doping-Arbeit in Russland muss weiterhin durch externe Experten unter Federführung der Wada überwacht werden und entsprechende Hilfestellung muss beim Aufbau eines unabhängigen Systems geleistet werden“, sagt auch die Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschland, Andrea Gotzmann. „Wichtig ist, dass sich die Doping-Mentalität im russischen Sportsystem ändert. Dies ist ein langer Weg, der nicht von heute auf morgen zu schaffen ist.“

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