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Das Drehmoment. Das US-Team fährt den Neuseeländern meist hinterher, weil es ihm schwerer fällt, durch den Wind zu drehen.

© pixathlon / DPPI

34. America's Cup: Vom Tempo geblendet

Das US-Team ist vor heimischer Kulisse chancenlos. Die Fehler wurden vor Monaten gemacht.

Sie haben ein Problem, und sie ahnen jetzt wohl auch, dass sie es nicht mehr beheben können. Nicht mal mit dem vielen Geld Larry Ellisons, des Oracle-Gründers und fünftreichsten Menschen der Welt, in dessen Namen sie segeln. Jedenfalls wirkt Jimmy Spithill beinahe gelöst, als er nach dem ersten von zwei Rennen am Donnerstag erklären soll, warum er verloren hat. Der Skipper des Titelhalters Oracle Team USA spricht von der „guten Kommunikation“ an Bord und dass es „einen guten Job“ gemacht hätten. Kein Groll in seiner Stimme. Kein Zeichen von Stress. Dabei ist die Überlegenheit des Herausforderers aus Neuseeland immer deutlicher vor Augen geführt geworden. 6:-1 lautet der Punktestand. Nur drei Wettfahrten könnten Neuseeland-Skipper Dean Barker vom Cup-Triumph trennen.

Panik hatte Spithill, den 34-jährigen Australier in den Diensten des amerikanischen Teams, zwei Tage zuvor ergriffen. Nachdem er und seine Crew zweimal hintereinander einen Vorsprung aus der Hand gegeben und sich hatten abhängen lassen, wussten sie sich nicht anders zu helfen, als Taktiker John Kostecki auszuwechseln. Für ihn trainierte schon am Nachmittag desselben Tages Ersatzsteuermann Ben Ainslie mit. Er sollte die Afterguard verstärken, die an Bord von USA 17 hinter dem Skipper steht und ihm einflüstert, welche Optionen sich ihm bieten.

Ben Ainslie ist eine Legende, schon jetzt, mit 36 Jahren. Kein Segler hat mehr olympische Medaillen gewonnen als er, viermal Gold, einmal Silber. Er ist berühmt für seine Kämpfernatur, aber seine Erfolge fuhr er immer alleine ein. Und er hat wenig Erfahrung im Match Racing, bei dem nur zwei Yachten gegeneinander antreten. Trotzdem hat seine Berufung den Effekt, dass Tom Slingsby zu reden beginnt. Kostecki und Spithill hatten seiner Regattaerfahrung als Olympiasieger von London (im Laser) nicht bedurft. Jetzt sprudelt es aus dem Australier heraus, und Spithill hat Leute hinter sich, die so alt sind wie er, die reden wie er und die so schnell denken wie er.

Trotzdem sollte die Verbannung eines so verdienten Mannes wie Kostecki, des 49-jährigen Lokalmatadors von San Francisco, auch schon irgendwas bewirken. Aber das tat es nicht. Die Maßnahme zahlt sich nicht aus. Zwar blockt Spithill seinen Kontrahenten Dean Barker an der Startlinie geschickt ab und liegt bis zur zweiten Wendemarke komfortabel in Führung, doch dann beginnt abermals das amerikanische Trauerspiel.

In einem Wendeduell, wie es dieser Cup noch nicht gesehen hat, nutzt Team New Zealand seine Amwind-Stärke, um den Titelverteidiger niederzuringen. "We're gaining every time, boys", hört man Dean Barker an Bord Aotearoas sagen. Mit jedem Manöver vergrößern die Kiwis den Abstand. Einmal greift Barker zu einer besonders rüden Attacke, als er beinahe direkt auf das US-Boot zusteuert und es in einen weiten Bogen zwingt.

Ainslie unterläuft kein Fehler, das Timing stimmt auch. Daher Spithills Erleichterung: Die Fehler wurden vor Monaten gemacht an den Zeichentischen der für den amerikanischen AC72- Entwurf zuständigen Designer.

Das ist so tückisch bei der ersten Generation einer neuen Bootsklasse. Man kann viel falsch machen, und weiß nicht einmal warum. Die Experten rätseln, was USA 17 langsamer sein lässt als die Aotearoa. Man hat bei Oracle offenbar unterschätzt, wie wichtig der bei diesem Bootstyp ohnehin problematische Kurs gegen den Wind sein würde, der ein Viertel der Strecke, aber zwei Drittel der Zeit ausmacht. Wie wichtig die Wendemanöver und die Fähigkeit des Bootes ist, auch bei leichteren Winden schnell wieder Fahrt aufzunehmen. Geblendet vom revolutionären Speed des Tragflächensegelns haben Larry Ellisons Männer sich verrechnet. Denn es geht nicht um die Frage, ob das Boot 44 oder 42 Knoten schnell ist, wenn solche Top-Geschwindigkeiten weit über die Hälfte der Rennzeit (66 Prozent) ohnehin nicht in Betracht kommen. Auf dem langsameren Kreuzkurs aber macht die Differenz von einem Knoten einen riesigen Unterschied.

Sind es die spitzeren Rümpfe, die weniger Raumvolumen haben, oder ist es die Deckskonfiguration, ist es das Vorsegel, das im Vergleich niedriger geschnitten ist und deshalb eine schwächere Hebelwirkung hat?

Auffällig ist, dass USA 17 mit dem luvwärtigen Rumpf schwerfälliger aus dem Wasser kommt. Das unter dem Rumpf seitlich abkippende Schwert lässt oft Wasserfontänen auf die Crew niederprasseln, was ein deutliches Indiz für seine Bremswirkung ist. Bei Manövern muss das US-Team zwischen engen Arbeitsboxen pendeln, aus denen herauszukommen zusätzliche Mühe bedeutet, während die Barker-Jungs immer auf derselben Ebene arbeiten und einander dadurch leichter unterstützen können. Außerdem segeln sie mit einer automatisch wendenden Fock, um die sie sich nicht kümmern müssen. Was es auch ist, das US-Team ist durch seine Amwind-Schwäche taktisch gelähmt und muss auf Fehler warten, die einer wie Dean Barker nie macht.

Nun hofft Spithill auf anderen Wind, schwächeren. Die Boote, sagt er, hätten noch gar nicht gezeigt, was in ihnen steckt. Wenn er erst das große Leichtwindsegel setzen könnte, würde sich vielleicht etwas ändern.

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