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Zahlenspiel. Markus Rehm posiert 50 Tage vor dem Beginn für die Para-Leichtathletik-EM.

© Binh Truong

50 Tage vor dem Start: Para-Leichtathletik-EM hofft noch auf mehr Zuschauer

Die Para-Leichtathletik-EM präsentiert einen ersten Zeitplan. Weitspringer Markus Rehm bereitet sich seit über einem Jahr.

Für Para-Athleten braucht es eine spezielle Infrastruktur, das ist klar. Rollstuhlrampen etwa, und Vorrichtungen für das Speerwerfen im Sitzen – all das ist schon jetzt im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg vorbereitet, rechtzeitig zur Para-Leichtathletik-EM, die vom 20. bis zum 26. August im Anschluss an die Leichtathletik-EM der nicht-beeinträchtigten Athleten in Berlin stattfindet.

110 Millionen Euro hatte der Berliner Senat dafür bewilligt. Aber eine besondere Baumaßnahme hatte man ganz vergessen, das fiel Sport-Staatssekretär Aleksander Dzembritzki bei der Pressekonferenz am Sonntag, fünfzig Tage vor dem Start der Wettbewerbe, plötzlich auf. Denn die Sprunggrube ist womöglich zu kurz für den Weitsprung-Paralympicssieger Markus Rehm. „Wenn wir die Sprunggrube erweitern sollen, dann sagen Sie Bescheid“, bot er dem Athleten schmunzelnd an. Rehm quittierte das Angebot lächelnd. Tatsächlich könnte es knapp werden, wenn er mit seiner Karbonprothese anläuft. Der 29-Jährige sprang schon weiter als die Gewinner der olympischen Wettbewerbe etwa in Rio: Der Sieger von 2016, Jeff Henderson, legte 8,38 Meter in der Luft zurück, bevor er im Sand aufkam. Bei Rehm waren es in Doha vor drei Jahren schon einmal 8,40 Meter, in Paris erreichte er in diesem Jahr 8,34 Meter.

Para-Athleten starten oft in mehreren Disziplinen

Damit gilt er als Favorit in seiner Disziplin. Nebenbei wird er bei der 4x100-Meter-Staffel starten, denn bisher ist die Leistungsdichte im Para-Sport relativ dünn, oft startet ein Athlet in mehreren Disziplinen. „Da sind andere Länder schon weiter als Deutschland“, sagte Rehm am Sonntag. „Vor allem in England hat der Para-Sport nach den Paralympischen Spielen einen richtigen Hype erfahren.“ Er hofft auf einen ähnlichen Effekt in Berlin. Denn neben der britischen gehört die deutsche Mannschaft zu den zahlenstärksten.

Bisher sind zwar erst 10 000 Tickets verkauft, mit einer Auslastung von 20 Prozent etwa am zweiten Tag der Veranstaltung. Klaas Brose, Organisationsleiter der Para-Leichtathletik-EM, hofft auf noch mehr Zuschauer. „Bisher haben wir uns auf die ersten zwei Tage konzentriert“, sagte er. Gleich am ersten Tag wird der Paralympics-Goldmedaillengewinner Nico Kappel beim Kugelstoßen der Kleinwüchsigen antreten. Ein Abschied steht dann am zweiten Tag an: Heinrich Popow, eines der bekanntesten Gesichter der Para-Leichtathletik in Deutschland, beendet nach 18 Jahren seine Karriere und bestreitet in Berlin seinen letzten Wettkampf. Ebenso wie Rehm startet er im Weitsprung, allerdings in einer anderen Klasse als sein Leverkusener Kollege, da er ein bis über das Knie amputiertes Bein hat, Rehm dagegen einen amputieren Unterschenkel.

Kappel, Popow und Rehm sind aber nur drei von insgesamt 650 Athleten und Athletinnen, die Ende August in 191 Wettbewerben starten werden. Betreut werden sie von 400 Freiwilligen mit und ohne Beeinträchtigung – und einem Maskottchen: Während bei der Leichtathletik-EM der Bär Berlino, der auch schon bei der WM 2009 im Olympiastadion Athleten und Publikum belustigte, wieder auftritt, ist es bei der Para-EM Berlinos Verwandter: der Para-Panda Max.

Auch die Geschichte der Unfalls gehört dazu

Der Panda bekam am Sonntag seinen offiziellen Namen von einer Schulklasse der Evangelischen Schule Lichtenberg und posierte anschließend mit Rehm und den Kindern, die auch vom Para-Sportler sichtlich beeindruckt waren. Sie fragten Rehm nach seinem Wakeboard-Unfall, der ihn seinen Unterschenkel gekostet hatte. Immer wieder kommen bei Rehm die Fragen nach seiner Behinderung, seltener als bei olympischen Athleten geht es etwa um sein hartes Training. „Das ist ein Teil meiner Identität, die Geschichten gehören dazu“, sagte Rehm. Dazu gehört aber auch der sportliche Ehrgeiz und die Vorbereitung, die bereits nach der WM im Sommer 2017 begann. Denn er begreift sich als Leistungssportler, bei dem jeder Zentimeter zählt: „Ich will unbedingt immer weiter springen.“ Sein Ziel für Berlin: Bis ans Ende der Sprunggrube fliegen. Nantke Garrelts

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