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Sport: 90 Jahre und ein bisschen müde

Am Ende eines Kraft raubenden Jahres verliert Serena Williams das WM-Finale gegen Kim Clijsters

Von Stefan Liwocha und

Barbara Müller

Los Angeles. Es war das merkwürdige Ende eines seltsamen Turniers. Serena Williams, die Tennisspielerin mit der Figur einer Bodybuilderin, mühte sich über den Platz und schlug mit letzter Kraft eine Vorhand über das Netz. Der Ball landete wie ein Geschenk im Halbfeld von Kim Clijsters, und die Belgierin konnte gar nicht anders, als mit der Vorhand den siegbringenden Schlag zu landen. Danach ließ sie den Schläger fallen und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Das Match war gewonnen, der bislang größte Erfolg in Clijsters’ Karriere perfekt. 7:5, 6:3 vor offiziell 10232 Zuschauern im Finale der WTA-Weltmeisterschaft gegen die Titelverteidigerin Serena Williams.

Später klagte die Verliererin, dass „ich mich nicht wie 21 sondern eher wie 90 fühle. Meine Arme, Beine und der Rücken – alles tut weh.“ Die körperlichen Gebrechen waren in erster Linie auf ein hochklassiges Halbfinal-Match gegen Jennifer Capriati (USA) zurückzuführen, das die jüngere Williams-Schwester in drei Sätzen (Spielzeit: zwei Stunden und elf Minuten) am Sonntag gewonnen hatte. 24 Stunden später war die beste Spielerin des Jahres erschöpft, während Clijsters hochmotiviert und frisch an die scheinbar unlösbare Finalaufgabe ging. „Ich möchte aber Kims Leistung keineswegs herabsetzen. Sie hat sehr gut gespielt und verdient gewonnen“, sagte die Amerikanerin, die in diesem Jahr bei den French Open, in Wimbledon und bei den US Open triumphiert hatte und die letzten 18 Matches ungeschlagen war. Ihre Matchbilanz 2002 von 56:5 ist atemberaubend, auch wenn Serena Williams ihre Erfolge wenig euphorisch bewertete. Das Jahr sei „ganz anständig“ gewesen, sagte sie lapidar, wenngleich sie doch „stolz auf den Titel ,Beste Frau der Welt’“ sei.

Auf der Gegenseite freute sich Clijsters über einen Siegerscheck von 765000 Dollar und den größten Titel ihrer Laufbahn. Die bisherigen fünf Duelle mit Serena Williams hatte sie alle verloren. Aber was war dieser Tage im Staples Center von Los Angeles schon normal? Die Fans blieben beim mit drei Millionen Dollar dotierten Damen-Masters weg, die Spielerinnen klagten reihenweise über „Müdigkeit und eine zu lange Saison“ (Justine Henin), die Matches waren fast alle Langweiler, und das von vielen erhoffte Duell der Williams-Schwestern – die immerhin im Ghetto-Vorort Compton aufwuchsen – fand im Finale nicht statt. Da die WTA und die Organisatoren von den amerikanischen Medien aufgrund eines wenig weltmeisterlichen Produkts heftig in die Kritik gerieten, denkt man nun darüber nach, „den Spielmodus zu ändern und vielleicht nur noch acht oder zwölf statt sechzehn Spielerinnen einzuladen“ (WTA-Chef Kevin Wulff). Am Austragungsort Los Angeles soll aber festgehalten werden. Sehr zur Freude von Serena Williams, die nach einer ersten Gastrolle in einer TV-Seifenoper nun Hollywood erobern will. „Ich habe jetzt einige Vorsprechtermine für Filmrollen“, sagte die Weltranglistenerste. „Aber dafür muss ich unbedingt abnehmen.“ Es machte ihr sichtlich Spaß, nicht mehr über diese leidliche Tennis-WM sprechen zu müssen.

Stefan Liwocha, Barbara Müller

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