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Sport: 90 MINUTEN MIT Bernd Schneider

Wie der Leverkusener das Spiel gegen Litauen erlebte

Bernd Schneider hat zu Beginn der Saison nach einem BundesligaSpiel einmal gesagt, der Gegner sei „heute eine Nummer zu groß für uns gewesen, nicht nur von der Größe her“. Er hat in den vergangenen Monaten solch unangenehme Erlebnisse häufig über sich ergehen lassen müssen mit seinem Hauptarbeitgeber Leverkusen, und deshalb sieht er nun meist recht unglücklich aus, wenn er aus dem Rheinland zu Treffpunkten der Nationalelf anreist; es fällt dann schwer zu glauben, dass derselbe Mann im letztjährigen WM-Finale den Ball liebevoller knechtete als der Gegner, dass ihn Fachmänner respektvoll „weißer Brasilianer“ tauften.

Als Schneider auf den Platz läuft, sieht er entschlossen aus, nicht der zurzeit verhinderte Leverkusener Führungsspieler zu sein, sondern Bernd Schneider, Sommer 2002. Vom Anpfiff an bemüht er sich, der Aufgabe gerecht zu werden, die die beiden aufgeflockten Ziffern auf seinem Trikot andeuten. Er fordert Bälle, bekommt sie, sammelt Sicherheit. Als sich nach sieben Minuten der Ball vor ihm senkt, braucht er nur eine Berührung, um ihn samtweich auf Böhme abzulegen. Den Rest der Szene genießt Schneider, er sieht, wie Böhmes Schuss Richtung Carsten Ramelow fliegt, der ihn per Hacke ins Tor befördert.

Schneider mag das so, im Zentrum des Spiels zu agieren, das Zentrum zu sein. Seinen stärksten Auftritt hat er nach zwanzig Minuten, es ist die beste Szene der ersten Halbzeit. Er steht hinter der Mittellinie, als er den Ball erhält, er rennt damit los, niemand kann ihn aufhalten, bis zum Strafraum, dann schießt er Richtung rechtes Toreck. Wäre der Ball im Netz gelandet und nicht an der Rollbande Zentimeter daneben – man hätte sich an einen ähnlichen Auftritt von Matthäus erinnert gefühlt, beim ersten WM-Spiel 1990 gegen Jugoslawien

Danach drosselt Schneider das Tempo, zugleich ist der Anfangsschwung im deutschen Spiel beendet. Erst nach der Halbzeit ändert sich das, und es sind die Minuten, in denen sich Schneider eine gute Note verdient. Jede gefährliche Szene geht von ihm aus. Er schlägt die Ecken, hat die meisten Ballkontakte, und manchmal wirkt es, als kehre die Leichtigkeit des Vorjahres in seine Aktionen zurück.

Er ist der stärkste Deutsche in diesem Spiel, doch das Erfolgserlebnis, das er so gerne mitgenommen hätte von der Nationalmannschaft, bekommt er nicht, trotz aller Bemühungen. Er sieht geschafft aus, als er nach dem Schlusspfiff über die Tartanbahn schleicht, ernsthaft unglücklich wirkt er nicht.

Er hat Routine gewonnen im Umgang mit Enttäuschungen.

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