zum Hauptinhalt

Sport: 90 Minuten mit Sebastian Kehl

Dass er in Bayern-Bettwäsche geschlafen habe, sei eine Erfindung, behauptet Sebastian Kehl. Zugegeben, Bayern-Fan sei er gewesen, aber "höchstens mit Schal" und in seiner Jugend.

Dass er in Bayern-Bettwäsche geschlafen habe, sei eine Erfindung, behauptet Sebastian Kehl. Zugegeben, Bayern-Fan sei er gewesen, aber "höchstens mit Schal" und in seiner Jugend. Die ist noch nicht lange her. 21 Jahre ist der Hesse jung, und schon ruhen die Hoffnungen des deutschen Fußballs samt der seiner beiden reichsten Klubs auf seinen Schultern. Bayern und Dortmund wollen ihn, Deutschland baut auf ihn für die nächste WM, noch mehr für die übernächste im eigenen Land.

Dass Kehl das Fußballspiel beherrscht, sieht man schon beim ersten Ballkontakt in der Hamburger AOL-Arena. Er muss nicht auf den Ball gucken, um ihn zu beherrschen. Das Spielgerät gehorcht ihm, es landet dort, wo er es hinhaben will. In den ersten 20 Minuten trabt Kehl locker über den Platz, das wirkt kaiserlich elegant. Auch in Bedrängnis spielt er die Pässe präzise. Bei Zweikämpfen trifft er erst mal nur auf Albertz und Töfting, die seine Schwäche teilen: einen schwachen Antritt. Dann aber zieht ihn Collin Benyamin zweimal auf die linke Abwehrseite und lässt ihn alt aussehen. Kehl sieht nur noch Benyamins Hacken und hat Glück, dass dessen Flanken verpuffen. Seine zweite Schwäche wird deutlich, auch eine kaiserliche: Zweikämpfe mit Tempo.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Das verunsichert ihn. Fehlpässe schleichen sich ein. Jeder weiß, dass er es besser kann, die fast unsittlichen Angebote der Liga-Elite scheinen ihn zu hemmen. Selten stand ein so junger Spieler derart unter Beobachtung als Kehl. Jüngst zierte der Jungstar das Titelblatt des größten Fachmagazins, in der Winterpause soll er entscheiden, ob er künftig mit Ballack und Deisler beim Champions-League-Sieger spielen oder den kongenialen Partner Rosickys im Dortmunder Zentrum geben will. Vertrag hat er zwar noch bis 2003, doch die Herren Hoeneß und Meyer wetzen schon die Messer um Kampf um Kehl, von Schecks und Schubkarren mit Bargeld wird gemunkelt. Noch spielt Kehl für Freiburg, das scheint er im Laufe des Spiels manchmal selbst zu vergessen. Der "Kicker" hat ihn neulich mit der Note fünf für seinen Auftritt in Kaiserslautern abgestraft, das Blatt wird den Abiturienten (Notenschnitt 2,4) für seine Leistung in Hamburg kaum besser bewerten. Wie gut, dass der einfühlsame Pädagoge Finke noch sein Trainer ist.

Am Ende fängt sich Kehl wieder. Nach einer Stunde gelingt ihm ein gescheiter Pass in die Spitze. Vielleicht ein Zeichen für die harmlosen Freiburger, zehn Minuten später schießt Kollege Stefan Müller den Ausgleich. Kehl ist nicht beteiligt, zeigt aber später mit einem Doppelpass, dass er die Feinheiten beherrscht, ebenso bei einem Zuckerpass in die Gasse für Sellimi kurz vor Schluss. Ein Sieg wäre nicht verdient gewesen. Nicht für Freiburg, nicht für Kehl. Zu viele Zweikämpfe hat er verloren. In lichten Momenten aber hat Sebastian Kehl angedeutet, warum wichtige Herren in feinen Anzügen im Streit um ihn ihre Kinderstube vergessen.

Zur Startseite