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Sport: 90 MINUTEN MIT Stefan Effenberg

Wie Wolfsburgs neuer Spielmacher sein Debüt in Bielefeld erlebte

Die Menschen schreien, sie pfeifen und sie pöbeln. Die Ordner haben jede Menge zu tun, damit der Wolfsburger Fußballprofi Stefan Effenberg (Foto: dpa) unbedrängt in die Kabine kommt. „Du wirst heute durch die Hölle gehen“, knurrt ein Mann. Sein Kumpel hebt drohend die Faust. Es ist Samstagnachmittag, 14.30 Uhr. Noch eine Stunde bis zum Anpfiff auf der Alm, dem Fußballstadion in Bielefeld.

Eigentlich können sie dort pfeifen, spucken, pöbeln, wie sie wollen. Effenberg steht vier Monaten nach seinem letzten Bundesligaspiel wieder auf dem Fußballplatz. Nur das zählt. Vor neun Tagen hat er seinen Arbeitsvertrag beim VfL Wolfsburg unterschrieben. Eine halbe Stunde vor Anpfiff läuft er seine erste Bahn im Stadion. Die Fans rufen: „Effe – du Arschloch!“ Er trabt desinteressiert über den Rasen, die Schritte sind kurz, langsam. Den Ball lässt er liegen. Effenberg ist konzentriert. In Intervallen lockert er die Muskeln. Routine ist das nicht, sondern absolute Perfektion. Nach zehn Minuten legt er sich flach auf den Boden und dehnt sich. Die Kollegen ballern da längst mit den Bällen umher. Aber Effenberg ist 34 Jahre alt, er kennt seinen Körper, er weiß, dass er ihn pflegen muss.

Einen Charaktertypen wie ihn haben sie sich in Wolfsburg gewünscht. Effenberg darf sogar in Adidas-Schuhen spielen. Die Kollegen rennen mit Puma umher. Effenberg darf so etwas. Wenn der Mann am Ball ist, ist es verdammt schwer, ihm diesen wieder abzunehmen. Als Effenberg nach fünf Minuten am Bielefelder Strafraum auftaucht, bricht Panik aus. Die Bielefelder rudern mit den Armen, sie schreien, und plötzlich kümmern sich drei Männer um ihn. Das nützt nicht immer etwas: Zwei Minuten später steht Effenberg mit dem Rücken zum Tor. Der Ball rollt ihm entgegen, er lässt ihn an der Innenseite vorbeigleiten und passt den Ball durch die Beine zu seinem Kollegen Ponte. Effenberg drückt den Ball nicht. Er streichelt ihn.

Nach zwanzig Minuten bekommt Effenberg keinen Ball mehr. Er ist genervt und grätscht seinem Gegenspieler Porcello in die Beine. Auf der Tribüne rufen die Fans: „Alle auf die Zehn!“ Die Zehn, das ist seine Nummer. Effenberg ist der Chef. Er gibt Kommandos, lobt, zerrt seine Mitspieler so lange am Arm, bis die Mauer perfekt steht. Aufrücken! Lücke schließen! Ruhiger! Aufdringlich ist das nicht. Trotzdem: Zwei Minuten vor der Pause geht Bielefeld durch Brinkmann in Führung.

Effenberg fehlt noch die Spritzigkeit. Und ein, zwei Kilo zu viel scheint er noch drauf zu haben. Aber deshalb auswechseln? Als Trainer Wolfgang Wolf nach einer Stunde einen Wechsel ankündigt, schauen die Spieler im Kollektiv zur Seitenlinie. Effenberg nicht. Wenn, dann sagt er, dass es nicht mehr geht. Effenberg spielt durch, aber das Spiel läuft an ihm vorbei. „Ohne Effe hättet ihr ’ne Chance“, singen die Bielefelder. Kurz vor dem Abpfiff trifft Wolfsburgs Klimowicz ins Bielefelder Tor. Effenberg umarmt den Kollegen, er schreit. Draußen steht der Linienrichter und hebt die Fahne. Abseits. Effenberg tobt, wie früher. Es hilft nichts. Schiedsrichter Wagner pfeift ab. Wolfsburg hat 0:1 verloren. André Görke

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