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Sport: Abstieg eines Favoriten

Alexander Winokurow wird positiv auf Blutdoping getestet – sein Team muss die Tour de France verlassen

Das Gesicht von David Millar wurde kreidebleich, und dem ehemaligen Weltmeister schossen die Tränen in die Augen. „Wenn das wahr ist, dann können wir alle einpacken.“ Das war alles, was dem sonst wortgewandten Briten, der vor zwei Jahren Epo-Missbrauch gestanden hatte, über die Lippen kam. Millar war gerade dabei, im Kongresszentrum von Pau seine Ruhetags-Pressekonferenz abzuhalten und über seine Rennwoche zu plaudern, als sich die Nachricht verbreitet, dass Alexander Winokurow bei einem Dopingtest vom vergangenen Samstag aufgefallen war. Der 33 Jahre alte Kasache, bei Tourstart einer der Favoriten auf den Gesamtsieg, hatte sich mutmaßlich Fremdblut in die Adern pumpen lassen. Am selben Tag gewann er überraschend deutlich das Einzelzeitfahren in Albi.

Der Sieg war auch deshalb so verblüffend, weil Winokurow kurz zuvor in den Alpen abgehängt worden war. Der Kasache litt an den Folgen eines Sturzes in der ersten Tourwoche, bei dem er schwere Knieverletzungen erlitt. Noch erstaunlicher als der Erfolg in Albi war sein Etappensieg am Montag darauf, als er mit einer mächtigen Attacke in den Pyrenäen der Konkurrenz davon stiefelte. Tags zuvor noch hatte er beim Anstieg zum Plateau de Beille fast eine halbe Stunde verloren. Das Comeback erinnerte stark an jenes von Floyd Landis, der im vergangenen Jahr ebenfalls an einem Tag den Anschluss verloren hatte, am nächsten jedoch die gesamte Konkurrenz deklassierte. Eine Woche später wurde bekannt, dass Landis am Abend nach seinem Comeback positiv auf Testosteron getestet wurde.

Gegen Winokurow gab es bereits seit langem Verdachtsmomente, nicht zuletzt wegen seiner Zusammenarbeit mit dem berüchtigten italienischen Arzt Michele Ferrari. Aber auch sein Team Astana ist vorbelastet. Kurz vor der Tour war sein Fahrer Matthias Kessler positiv auf Testosteron getestet worden. Während der Tour bestätigte die B-Probe den Verdacht. Zugleich musste Astana gemäß dem Ethik-Codex der Profi-Teams den italienischen Fahrer Eddy Mazzoleni entlassen, weil das Olympische Komitee Italiens gegen ihn wegen Verdachts auf Epo-Missbrauch ermittelt.

Unmittelbar nachdem Winokurows positiver Test bekannt geworden war, rief der Direktor der Tour, Christian Prudhomme, den Astana-Teammanager Marc Biver an und bat ihn darum, die Tour zu verlassen. Biver akzeptierte, wie Prudhomme sich ausdrückte, und schon kurz darauf kamen die Fahrer des Teams mit Rollkoffern aus ihrem Hotel und fuhren in Richtung Flughafen ab. Die französische Polizei suchte am Dienstag im Mannschaftshotel von Astana nach Spuren von Dopingmitteln.

Auch für den Deutschen Andreas Klöden, der als Fünfter noch geringe Chancen auf einen Podiumsplatz hatte, ist die Tour damit beendet. Winokurow selbst lag im Gesamtklassement auf Platz 23.

Marc Biver gab nur knapp bekannt, dass der Fall katastrophal für die Zukunft der Mannschaft sei, die um ihren kasachischen Kapitän herum gebaut ist und von kasachischen Firmen finanziert wird. Winokurow werde selbstverständlich umgehend suspendiert. Der Fahrer selbst ließ mitteilen, dass er die Blutanomalien auf seine Sturzverletzungen und die darauf folgende Behandlung im Hospital von Beaune zurückführe.

Tour-Chef Christian Prudhomme trat kurz darauf zusammen mit Patrice Clerc, dem Präsidenten der Tour- Holding ASO, vor die Presse. Clerc sagte: „Ich bereue die Entscheidung, Astana zugelassen zu haben. Ich bin verraten worden.“ Trotzdem soll die Tour weitergehen. „Wir haben den Krieg gegen das Doping aufgenommen, und wir wussten, dass wir Schlachten verlieren würden“, sagte Prudhomme martialisch. „Aber wir werden auf keinen Fall den Betrügern das Feld überlassen.“

Prudhomme fügte mehrfach an, dass die Doper begreifen müssten, dass sie russisches Roulette spielten und die Tour „mit aller Entschlossenheit um die Träume unserer Kindheit“ kämpfen werde. Linus Gerdemann vom T-Mobile-Team fühlte sich „von Winokurow verarscht“. Peter Danckert (SPD), der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, sagte: „Das ist doch eine verlogene Bande. Die Folge ist, dass man sich von dieser Sportart ganz zurückziehen muss. Man kann niemandem mehr trauen. Das sollte dem anderen Leistungssport eine Warnung sein.“

Paul Kimmage, der ehemalige irische Rennfahrer, der schon 1991 ein Enthüllungsbuch über die Dopingpraktiken im Profi-Radsport geschrieben hatte, stand mit der aktuellen Ausgabe der Sportzeitung L’Equipe im Pressesaal und zeigte auf das Titelblatt des Tages, auf dem noch der Mut von Winokurow bei seinem Etappensieg vom Montag gepriesen wurde. „Solche Menschen sind einfach unerträglich“, sagte er. Kimmage hatte Winokurow beim Tourstart vor zwei Wochen in London vor versammelter Presse ins Gesicht gesagt, dass er der Tour schade, wenn er mitfahre. Damals hatte sich Kimmage für seine Unverfrorenheit noch die Empörung der Anwesenden zugezogen.

Sebastian Moll[Pau]

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