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Doppelt hält besser: Milot Rashica (links) und Josh Sargent trafen beide gegen Köln.

© Patrik Stollarz/REUTERS

Abstieg vermieden, Relegation erreicht: Was Werder Bremen jetzt noch zum Wunder fehlt

Wunder von der Weser? Werderaner Wiederauferstehung? Mit dem 6:1 gegen Köln ist den Bremern Beeindruckendes gelungen. Doch nun braucht es den letzten Schritt.

Ist ein Wunder eigentlich auch dann noch ein Wunder, wenn es bereits im Vorfeld erahnt worden ist? Diese Frage müsste man Juliane Kohfeldt stellen, der Frau von Werders Trainer Florian. Sie hatte jedenfalls schon vor diesem wegweisenden Tag in der Geschichte des Bremer Bundesliga-Fußballs den richtigen Riecher.

„Meine Frau hat mir heute Morgen geschrieben, dass wir 6:1 gewinnen“, berichtete Ehemann Kohfeldt nach einem aufwühlenden Nachmittag im Bremer Weserstadion, der wenn nicht als Wunder zumindest als Werders Wiederauferstehung in die Geschichte des traditionsreichen Nordklubs eingehen wird.

Werder Bremen brauchte Schützenhilfe aus Berlin-Köpenick

Denn Frau Kohfeldt lag mit ihrer Weissagung goldrichtig. Durch ein fulminantes 6:1 (3:0) gegen den 1. FC Köln kletterten die Bremer am 34. und letzten Spieltag dieser Bundesliga-Saison noch auf Tabellenplatz 16 und erhalten nun in zwei Relegationsspielen eine weitere Chance auf den Klassenerhalt, weil parallel Fortuna Düsseldorf mit 0:3 (0:1) beim 1. FC Union verlor.

Ist ein Wunder eigentlich auch dann noch ein Wunder, wenn es dafür Schützenhilfe braucht? Das wäre die nächste Frage, die man nach diesem denkwürdigen Abstiegsfinale hätte stellen können. Auch Juliane Kohfeldt war sich dieser Ausgangslage sehr wohl bewusst. „Zum Spiel in Berlin hat sie keine Prognose abgegeben“, erklärte ihr erleichterter Gatte: „Wir standen unter unglaublichem Druck, hatten ein Spiel auf zwei Feldern heute.“

Nun lassen sich Wunder sicherlich nicht erzwingen, aber zumindest taten die Bremer bereits vor Spielbeginn alles in ihrer Macht Stehende, um das Los möglichst zu ihren Gunsten zu beeinflussen: „Wir aus dem Osten geh’n immer nach vorn – Schulter an Schulter für Eisern Union“, schallte es etwa bereits vor dem Spiel als musikalische Motivationshilfe durch das Weserstadion.

Und weil die Grüße ihren Weg offenbar bis nach Berlin-Köpenick fanden, hatten die Bremer nach dem Spiel schon die nächste Idee, wie das Schicksal auch weiterhin zu besänftigen sein sollte: „Wir danken Union unglaublich“, sagte Angreifer Niclas Füllkrug. „Mal sehen, ob wir da mal eine Kiste Bier rüberwachsen lassen.“

Ist ein Wunder eigentlich auch dann noch ein Wunder, wenn es keine Wunderheilung gibt? Diese Frage wiederum stellte sich am Samstagnachmittag nicht, denn Füllkrug selbst stand nach einer schweren Knieverletzung erstmals wieder in der Startformation und wirkte mit seinem Treffer zum 3:0 nicht nur an seinem persönlichen Comeback, sondern auch an der Auferweckung eines ganzen Vereins mit, der nach dem kraftlosen 1:3 vor einer Woche in Mainz schon abgeschrieben schien. „Ich habe alle 15 Sekunden oben auf die Tafel geguckt“, sagte Füllkrug. „Ein ganz aufregender Tag, die Zeit ist nicht vergangen.“

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Denn auf dem Rasen drohten an diesem Nachmittag nicht nur 90 Minuten Spielzeit zu verrinnen, sondern die jahrzehntelang ununterbrochene Bundesliga-Zugehörigkeit. 40 Jahre waren seit dem ersten und einzigen Abstieg der Bremer aus der Bundesliga vergangen.

Grün-weiße Freude: Die Bremer Fans feierten nach dem Spiel gegen Köln vor dem Stadion.
Grün-weiße Freude: Die Bremer Fans feierten nach dem Spiel gegen Köln vor dem Stadion.

© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Nach dem sofortigen Wiederaufstieg holte Werder drei Meistertitel und fünf Pokalsiege. Über Jahrzehnte war der Klub eines der Schwergewichte der Liga, mit großen Spielergenerationen und großen Trainern wie Otto Rehhagel und Thomas Schaaf. Es stand also viel auf dem Spiel am Samstag. Aber die Uhren ticken nun erst mal weiter.

Ist ein Wunder eigentlich auch dann noch ein Wunder, wenn es kaum Augenzeugen gibt? Diese Frage stellten sich natürlich vor allem die Fans, auf die sich die Bremer eigentlich immer verlassen konnten, wenn es in der Vergangenheit einmal eng wurde. Diesmal blieb das Stadion jedoch leer. Dem Glauben an das Wunder tat das jedoch keinen Abbruch.

[Eine Stadt, zwei Bundesligisten: Alle Entwicklungen rund um den 1. FC Union und Hertha BSC finden Sie bei uns in jeweils eigenen Newsblogs.]

Schon vor dem Spiel hatten die Fans dem Team bei einem Empfang am Stadion ihre Botschaften übermittelt: „Ihr schafft das“ oder „Wir sind bei euch“. Im Stadion selbst hing ein Banner mit der Aufschrift: „Wir glauben dran.“ Und nach der Erlösung gegen 17.25 Uhr zogen dann Hunderte Fans mit Trikots und Fahnen vor den Hinterausgang des Stadions und feierten ihr Team mit Sprechchören, während aus vorbeifahrenden Autos laut gehupt wurde. „Wir haben es geschafft!“, schallte es um das Weserstadion. „Niemand hat dran geglaubt“, rief ein Fan. „Werder ist zurück!“

Ein Schritt fehlt jedoch noch. Am Donnerstag steht das erste Relegationsspiel gegen Heidenheim oder den Hamburger SV an. „Wenn das gut geht, dann wird das heute ein besonderer Tag gewesen sein“, sagte Aufsichtsratschef Marco Bode. Oder sogar ein wundersamer. (mit dpa)

Leonard Brandbeck

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