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Sport: Achtung, Überfall des dänischen Nationalspielers!

Als Frank Rijkaard, der Trainer des großen EM-Favoriten neulich gefragt wurde, ob er sich in der so genannten "Todesgruppe" vor irgendeinem Gegner fürchte, hat er gesagt, dass er ein bisschen Angst vor den Dänen habe. Rijkaard: "Bei denen weißt du nämlich nie, was sie machen.

Als Frank Rijkaard, der Trainer des großen EM-Favoriten neulich gefragt wurde, ob er sich in der so genannten "Todesgruppe" vor irgendeinem Gegner fürchte, hat er gesagt, dass er ein bisschen Angst vor den Dänen habe. Rijkaard: "Bei denen weißt du nämlich nie, was sie machen." Die Konstellation mit den Champions aus Frankreich, Vize-Europameister Tschechien und den geheimen Weltmeistern Niederlande erinnert schon ein bisschen an den größten Clou von "Danish Dynamite" 1992, als der lustige Überraschungsgast der EM-Party von Schweden allen Großen eine lange Nase drehte: zum Schluss im Finale auch den siegessicheren Deutschen.

Und Frank Rijkaard weiß auch, wer die Ängste vor den frechen Nordländern personifiziert. Denn immer, wenn er im Stadion "de Kuip", wo das Finale der EM ausgetragen wird, bei Feyenoord Rotterdam und deren Gegner aus der Ehrendivision Kandidaten fürs Oranje-Team beobachtet hat, ist ihm Jon Dahl Tomasson aufgefallen. Rein äußerlich kein besonders außergewöhnlicher Typ. Man sieht den 23-jährigen immer nur rennen, und denkt, was für ein fleißiger und lauffreudiger Mittelspieler. Und dann inszeniert Tomasson plötzlich einen Überfall. So hat er bei der EM-Qualifikation die Waliser, die Schweizer und die Italiener überrumpelt, immer mit den entscheidenden Treffern. Und die Israelis, die es in die Play-off-Spiele gegen Dänemark geschafft hatten, schoss er mit vier Treffern wieder in jene Dimension zurück, wo die Kicker aus Jerusalem und Tel Aviv in Europa hingehören. Sie alle hatten jene Gefahr unterschätzt, die von Jon Dahl Tomasson ausgeht.

Ein dänischer Journalist hat ihn mal mit einem Indianer verglichen, der sich in den Strafraum einschleicht. In diesem Zusammenhang muss man auch den Partner erwähnen, dem Tomasson den entscheidenden Pass serviert, falls er seine Attacke nicht selbst abschließt: Ebbe Sand von Schalke 04. Die beiden sind, in ihrer Art, wie sie das Tor suchen, fast schon Brüder im Geist. Wäre das Spiel ein Polit-Thriller oder eine Spionage-Geschichte, dann würde Tomasson den etwas vertrottelten Agenten darstellen, Sand wäre der sogenannte "Schläfer", der von seinem Geheimdienst für die Stunde x im Lager des Gegners platziert worden ist.

Es hat auch ziemlich lange gedauert, bis Jon Dahl Tomasson in seiner Heimat als Star entdeckt worden ist. Mehr als ein Jahrzehnt war der Fußball-Ruhm fast ausschließlich für die Laudrup-Familie reserviert. Michael, der Älterere der zwei Brüder, wurde nach dem Abschluss seiner aussergewöhnlichen Karriere von Königin Margarete II. zum Ritter geschlagen. An ihm und Bruder Brian wurden und werden alle Talente aus Kopenhagen, Aarhus und Odense gemessen. Und diese Latte liegt verdammt hoch. Über Jon Dahl Tomasson hatten die Verbandstrainer schon in der Junioren-Nationalmannschaft ein hartes Urteil gefällt. Eigentlich könne Tomasson gar nichts richtig, hieß es in dem Exposé: er sei weder sehr schnell, noch verfüge er über eine besondere Technik, er sei weder ein Dribbler noch ein besonders zweikampfstarker Spieler, und auch an Schusshaltung und Kopfballspiel hatten die Experten etwas herumzunörgeln. Jon Dahl Tomasson passte einfach in keine der gängigen Kategorien.

Erst bei Feyenoord Rotterdam durfte er spielen, wie es seinem Naturell entsprach. Die ganze Mannschaft orientierte sich an Tomassons besonderen Qualitäten. Mittlerweile sind sie in Dänemark zu Kreuze gekrochen vor dem Mann, dessen Spiel nicht in Schablonen passt. Die ersten vergleichen ihn schon mit den Laudrup-Brüdern. Oder erinnern wegen des blinden Verständnisses mit Partner Ebbe Sand an jenes Duo, das in Dänemark das Maß für Fußball-Ruhm gewesen war, bevor die Laudrups diese Bühne besetzten. Allan Simonsen und Henning Jensen, der Paradesturm von Borussia Mönchengladbach. Das ist 25 Jahre her. Die Zeit scheint reif für einen Nachfolger.Aus der Tagesspiegel-Serie: "Männer, die Europas Fußball besser machen (VIII)"

Martin Hägele

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