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Sport: Adieu, Ballonseide

Das deutsche Team gehört auch in Modefragen zur Weltspitze – das war nicht immer so

Neulich in Bloemfontein. „So seh’n Sieger aus, schaaalalalala!“, grölen ein paar Fans, irgendwo auf dem dunklen Rang hinter dem WM-Stadion. Klar, 4:1 gegen England, die Laune war verständlich. Und auch klar, wen sie gesehen hatten: Bundestrainer Joachim Löw, gekleidet im kornblumenblauen Pullover mit V-Ausschnitt. Prompt stellte ein Reporter aus dem stilbildenden England die Frage: Herr Löw, ist der Pullover ihr WM-Ritual? „Äh, no“, sagte Löw, 50, sichtlich irritiert. „Next question!“

Amüsant ist es schon, wie sich der einst schnauzbärtige, Goldkettchen tragende Bundestrainer zur smarten Mode-Ikone gewandelt hat. Was Löw wohl gegen Argentinien tragen wird? Blau, wie die Argentinier? Immerhin hat er diesen Pulli auch beim Sieg gegen Australien übergezogen, und da schossen die Deutschen auch vier Tore. Beim 0:1 gegen Serbien erschien er in schwarzer Strickjacke, beim rumpeligen 1:0 gegen Ghana im Mantel mit Schal. Aber in Johannesburg war’s abends kalt. Das WM-Viertelfinale gegen Argentinien findet nachmittags in Kapstadt statt. Da sollte es so mild sein wie zuvor bei den Siegen auch in Durban und Bloemfontein.

Die Kleiderordnung im WM-Quartier der Deutschen entsteht nicht zufällig, auch wenn die Trainer freie Auswahl haben. Alle anderen müssen auf einen Zettel gucken, der morgens im Speisesaal hängt: Da steht drauf, wer was in welchen Farben an welchem Tag zu tragen hat. Es geht um klassisch deutsche Tugenden: um einheitliches Auftreten, um Ordnung. Und um Stil, was nicht immer die Stärke war von deutschen Fußballern, die früher gern im ballonseidenen Trainingsanzug und mit Badelatschen herumschlurften.

„Die jungen Spieler sind modebewusst und achten auf ihre Kleidung“, hat Manager Oliver Bierhoff mal erzählt. Doch das stimmt eben nicht ganz: Auf die Kleidung achtet vor allem der DFB selbst. Wer genauer hinschaut, kann eine prima abgestimmte Kostümschau betrachten, wie sie in dieser Perfektion wohl sonst nur im Friedrichstadtpalast zu bestaunen ist.

Das fing an beim Hinflug: Als sich die Spieler dem A380 näherten, trugen sie eng anliegende schwarze Anzüge und weiße Hemden mit schwarz-rot-goldenen Sternchen auf der Brust, dazu eine graue Krawatte, auf die nur die Herren Bierhoff, Löw, Köpke, Flick verzichteten, was schon wieder sehr harmonisch wirkte. So posierten sie vor dem Flugzeug für ein offizielles Abschiedsfoto. Im Innern des Fliegers aber liefen sie plötzlich einheitlich mit blauen Longsleeves und grauen Hosen herum, in die sie in einer stillen Ecke geschlüpft waren. Dies war die Freizeitkollektion.

So ist die 70 Mann große Delegation nach Anlass und Dienstgruppe im WM-Camp aufzuteilen: Spieler tragen meist schwarz-weiße Kleidung ohne DFB-Sponsorenlogos im Stadion, weil dort nur Fifa-Embleme erlaubt sind, und Kleidung mit Firmensignets bei anderen Terminen. Mediziner und Betreuer sind in der Regel in roten Hemden unterwegs, die Personenschützer laufen in weiten khakifarbenen Hosen, mit schweren Schuhen und schwarzem Shirt herum – bei Spielen hingegen treten sie weniger martialisch auf, sondern elegant im Anzug. Und seit der ersten WM-Woche haben sie alle schwarz-rot-goldene Stoffbändchen am Handgelenk. Noch so ein Symbol für Geschlossenheit.

Der Großteil der Klamotten, die alle mit eingenähten Initialen versehen sind, kommt aus Herzogenaurach und von einer Modefirma aus Nördlingen. „So patriotisch sind wir“, hat Bierhoff gesagt. Und natürlich – das ist sein Job – hat er im Hinterkopf auch ans Geschäft gedacht. Davon profitieren letztlich auch die Spieler. Erstens liegen die Klamotten jeden Tag frisch gewaschen und ohne Makel vor der Hoteltür. Zweitens muss man nur mal an die Handgelenke der Spieler gucken, an denen eine schwere Uhr baumelt. In jede ist der Bundesadler eingraviert und die Trikotnummer des Spielers. Stückpreis: Angeblich 11 600 Euro. Das Geschenk kommt aus der Schweiz. Patriotismus hin oder her.

Nur bei den Schuhen pflegen die Spieler so ihre Eigenheiten. Und die vielleicht schönste persönliche Note hat sich Torhüter Manuel Neuer einsticken lassen. Auf seinem linken Schuh steht „Wuppi75“ (so heißt sein bester Kumpel), auf dem rechten „Buersche75“. Eine chiffrierte Botschaft an die Freunde aus der Fankurve in Gelsenkirchen-Buer, der Heimat von Schalke 04. Und die 75? Gemeint ist der siebte und fünfte Buchstabe im Alphabet – GE. Wie Gelsenkirchen.

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