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Wieder aufgetaucht. Tiger Woods beim Training in England. Foto: dpa

© dapd

Sport: Ära Woods, Teil zwei

Bei den British Open kann der Golfprofi wieder Weltranglistenerster werden.

206 Bunker verteilt auf 18 Golflöcher. Mal sind sie in Grüppchen formiert, mal lose über die Spielbahn verteilt. Tief in den Boden eingelassen, erinnern sie ein wenig an kleine Trichter mit steilen, hohen Kanten. Sie sind der Verteidigungsring des Golfplatzes von Royal Lytham & St. Annes, ein uraltes Abwehrsystem aus dem Jahr 1897.

Mental hat Tiger Woods längst begonnen, diesen Platz zu sezieren, bevor er am heutigen Donnerstag die erste Runde der British Open bestreitet. „Zum Teil muss man den Ball sehr weit über einen Bunker schlagen. Aber der Ball muss dann sofort stoppen. Oder man muss versuchen, ihn am Bunker vorbeilaufen zu lassen“, referierte er am Dienstag über die richtige Strategie. „Es reicht nicht aus, den Ball einfach nur vor dem Bunker landen zu lassen oder ihn darüber zu schießen. Die Schläge müssen außerdem noch jeweils den passenden Spin und die passende Flugbahn mitbringen.“ Als Tiger Woods die Golfwelt mit seinem ersten Major-Sieg im Jahr 1997 in Augusta in Aufruhr versetzte, staunte alle Welt über seine endlos langen Drives. Rückblickend sind seine Erfolge bei der British Open 2000 in St. Andrews, als er vier Tage lang keinen Bunker traf, und 2006 in Royal Liverpool, als er an vier Spieltagen nur einmal den Driver benutzte, viel beeindruckender gewesen.

Seine Emotionen im Zaum zu halten, Driver und pure Kraft aus dem Spiel zu nehmen, ist in Royal Lytham & St. Annes Pflicht für all jene, die Europas einziges Major-Turnier gewinnen wollen. „Da muss der Ball auf den Punkt genau auf dem Fairway liegen“, analysiert Peter Wolfenstetter die Lage. Der Münchner, Coach der Thailänder Thongchai Jaidee und Prayad Marksaeng, schreitet seit Montag mit seinen Profis die Bahnen ab, sucht für jeden Abschlag, jede Annäherung zum Grün die exakten Schlaglängen und die passenden Schläger aus. „Das wird für die Spieler einfach im Kopf anstrengend, sich vier Tage daran zu halten“, weiß er schon jetzt. Ausreißer mit dem Driver, da ist er sich sicher, wird der Platz gnadenlos bestrafen. Ein selbst für britische Verhältnisse ungewöhnlich nasser Sommer hat das hohe Gras am Rande der Bahnen zu einem tückisch dichten Gewirr gemacht, in dem sich der Ball sofort verfängt.

Die Suche nach Namen, die der hohen Herausforderung gewachsen sind, fällt nicht leicht. Herausragende Spieler sucht man derzeit vergeblich. Selbst der Weltspitze mangelt es ein wenig an Figuren mit beeindruckender Präsenz. „Mein Name ist Luke Donald. Ich bin die Nummer eins der Welt“, hat der Brite am Dienstagabend im Rahmen einer Dankesrede gesagt. Es sollte ein Witz sein. Doch Donald selbst weiß, dass seine Führungsposition aufgrund fehlender Major-Siege nicht unbestritten ist. Zusammen mit Lee Westwood, dem Weltranglistendritten, kommt er auf eine Bilanz von null Siegen bei 88 Major-Starts.

Das Bild wird nicht besser, wenn man andere Kollegen unter den Top Ten betrachtet. Die Form des Jungstars Rory McIlroy, Weltranglistenzweiter, hat unter der Liebesbeziehung mit Tennisstar Caroline Wozniacki zuletzt etwas gelitten. Bubba Watson hat sich seit seinem Masters-Sieg deutlich mehr für seine Familie engagiert als für sein Golf. Der US-Open-Champion Webb Simpson tritt diese Woche aufgrund der nahenden Geburt seines zweiten Kindes überhaupt nicht an. Der Amerikaner Jason Dufner schließlich, ein Mensch, der Turnieren und Golfplätzen außerhalb der USA grundsätzlich mit großem Misstrauen begegnete, wirkte während seiner Übungsrunde am Dienstag zwischen den Bunkerlandschaften in der britischen Grafschaft Lancashire wie ein Mann von einem anderen Stern.

Angesichts all dieser Unwägbarkeiten bleibt Tiger Woods die einzige Figur mit überzeugendem Format. Drei Siege hat er in diesem Jahr geholt, mehr als jeder andere Spieler auf der US- und European Tour. Am Sonntag könnte er die Spitze der Weltrangliste wieder übernehmen. Ob ihn das überrascht, nach all den Turbulenzen der vergangenen drei Jahre? „Nein“, antwortet der 36-Jährige knapp und bestimmt. Für ihn kann Teil zwei der Tiger-Woods-Ära beginnen.

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