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Legendär. Roger Milla bei der WM 1990.

© AFP

Afrika-Cup 2019: Schaffen Roger Milla und Kamerun das?

Das Heimatland von Roger Milla muss den Afrika-Cup 2019 ausrichten. Doch wegen der Konflikte in Kamerun ist unklar, wie das gelingen soll.

Und dann kommt er doch. Nach fünf, sechs Telefonaten, zwei Zusagen, zwei Absagen, steht Roger Milla in der Lobby des „Hilton“ in Yaoundé. An diesem Frühlingsabend, der in Kameruns Hauptstadt geografiebedingt 31 Grad Celsius und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit mit sich bringt, hat Milla eine halbe Stunde für die deutschen Journalisten eingeplant. Milla schreitet in Begleitung zweier hochgewachsener, wachsamer Funktionäre des kamerunischen Fußballverbandes an einen Tisch, setzt sich - und lächelt.

An Roger Milla, 65 Jahre, wenden sie sich in Kamerun immer noch, wenn es um Fußball geht. Sein Tanz auf dem Spielfeld bei der WM 1990, diese in den Straßenclubs Kameruns erlernten Makossa- Bewegungen, machten Milla berühmt. Sein seitdem oft kopierter Tanz mit der Eckfahne begeisterte Zuschauer im Stadion und weltweit vor den Fernsehern. Zumal Milla mit damals 38 Jahren bei der WM in Italien insgesamt vier Tore schoss und somit sein Team ins Viertelfinale führte. Auch danach spielte Milla auf hohem Niveau; in einem Alter, in dem deutsche Spieler den Nachwuchs trainieren, Versicherungen verkaufen oder das Eigenheim pflegen. Mit 42 Jahren trat er zur WM 1994 in den USA an.

Klar kennt er Franz Beckenbauer noch

Mit seinen 102 Länderspielen ist Milla eine Legende, wobei Sportlegenden in anderen Ländern nicht gleich Minister werden. Kameruns Präsident Paul Biya, der dienstälteste Staatschef des Kontinents, aber hat ihn zum Minister und WM-Botschafter seines Landes ernannt. Auch wenn Kamerun 65 weitere Minister hat, ist das vielleicht schon ein Zeichen.

Milla pendelt zwischen Kamerun und Frankreich, wo er ein Haus hat. Die markante Zahnlücke, das Jungenhafte, Verschmitzte - alles wie früher. Und an diesem Abend wird Milla auch fast ausnahmslos bei seinem Lächeln bleiben. Als er von Franz Beckenbauer erzählt, den er seit Jahrzehnten kennt. Von all den Fans, die ihm wie damals auf Straßen, vor Ehrentribünen, in Flughäfen zurufen. Vom 5. Februar 2017, als die Kameruner bei der 31. Fußball-Afrikameisterschaft in Gabun die Ägypter besiegten.

Autogramm von Wert - Roger Milla hat in Kamerun dieser Tage einen Ministerrang.
Autogramm von Wert - Roger Milla hat in Kamerun dieser Tage einen Ministerrang.

© Hannes Heine

Nachdem Kamerun den Cup gewonnen hatte, stand fest, dass die 32. Fußball-Afrikameisterschaft im Sommer 2019 in Millas Heimat ausgetragen werden soll. Erstmals werden 24 statt 16 Mannschaften an der Endrunde teilnehmen. Das erfordert mehr Equipment, mehr Hotels, mehr Infrastruktur. Und während Milla vom glücklichen Früher erzählt, überhört er fast die Fragen nach dem anstrengenden Demnächst: Schafft Kamerun das? Werden die Baustellen fertig? Oder haben die Zweifler in der Opposition und im Ausland vielleicht Recht?

Baupannen? "Alles wird rechtzeitig fertig", sagt Roger Milla

Roger Milla räuspert sich, setzt dann zu fast apodiktischen Sätzen an: „Die allermeisten Kameruner wollen den Africa-Cup hier bei uns! Und, das sage ich ganz deutlich, alles wird rechtzeitig fertig.“ Wenn Milla da mal Recht behalten sollte. Kamerun droht derzeit die politische Spaltung: Die Proteste der englischsprachigen Minderheit im Westen eskalieren, viele Aktivisten in der Region fordern einen eigenen Staat - einige gar die Angliederung an das Nachbarland Nigeria. Die mehrheitlich frankophonen Eliten verschärfen gleichzeitig die Repression, es gibt Tote, Straßensperren, Haft.

Dazu kommen die Korruption und das Klima. Wie viel Geld beim wem versickert, wer mit Gefälligkeiten bedacht wird, ist nicht ganz klar. Bekannt allerdings ist Kameruns Rang im Korruptionsindex von Transparency International: 153 von 200. Und ausgerechnet das Paul-Biya-Stadium in der Hauptstadt ist nicht fertig. Benannt ist es nach dem Präsidenten - jenem Mann, der seit 1982 an der Macht ist. Seine Nachfolge hat er nicht geregelt; es drohen Unruhen, weil einige Stämme des Vielvölkerstaates - in Kamerun werden 200 Sprachen gesprochen - benachteiligt wurden.

Dann wären da jene klimatischen Bedingungen, die schon vor der WM in Brasilien die Lage erschwerten: Was an Bauten nicht umgehend fertig wird, ist durch die schwüle Hitze nach wenigen Wochen gefährdet. Die Feuchtigkeit nach den monsunartigen Güssen dringt zügig in die Mauern ein. Die Straßen im Land sind oft eine Herausforderung, Fahrten zwischen den fünf Austragungsorten des Afrika-Cup - Bafoussam, Doula, Garoua, Limbe und Yaoundé - beanspruchen viele Stunden. Berater aus dem Westen haben sich die Lage vor einigen Wochen angeschaut. Ob das was bringt? Jedenfalls könnte es die Entscheider in Afrikas Fußballföderation, der Caf, beruhigen. Caf-Präsident Ahmad Ahmad erklärte dennoch: Werden die Stadien nicht fertig, habe man Ersatzorte im Blick - Marokkos Regierung bietet ihr Land an.

Hoffentlich verpuffen die Investitionen nicht wie in Südafrika

Ist die Skepsis berechtigt? Silvester Stahl ist Professor an der Fachhochschule für Sport und Management in Potsdam. Als Sportsoziologe befasst er sich mit den Schnittstellen zwischen Sport, Staat und Gesellschaft: „Wegen der ambivalenten Folgen sollte man skeptisch sein, wenn solche Großveranstaltungen in armen Ländern stattfinden. Aber Kamerun ist ein traditionelles Fußballland und im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ein geeigneter Austragungsort.“ Hoffentlich verpufften die aktuellen Investitionen nicht wie damals nach der WM in Südafrika. „Ein gutes Abschneiden der eigenen Mannschaft könnte auch den Spannungen zwischen verschiedenen Sprach- und Glaubensgruppen entgegenwirken, die zuletzt zugenommen haben.“

Das dürfte auch Roger Milla wollen. Organisiert hat das Gespräch mit ihm übrigens die israelische Botschaft in Yaoundé. Obwohl Israels Diplomaten wissen, dass ihr Land keine traditionelle Fußballnationen ist, helfen sie den Kamerunern - dabei geht es aber nicht um Sport, sondern um die Modernisierung des Staates. Anders als in den arabisch geprägten Ländern Nordafrikas genießt Israel in Kamerun einen guten Ruf.

Die Zeit ist rum, Milla beendet das Gespräch. „Wir schaffen das“, sagt er noch. Dann muss er los. Es gibt viel zu tun.

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