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Afrikaner: Auf der Schlepperroute des Fußballs

Auf Malta wurde ein nigerianischer Spieler in der Halbzeit verhaftet – wie viele Afrikaner suchte er sein Glück in Europa. Ohne Papiere und mit Hilfe der Klubs.

Halbzeitpause in einem Fußballspiel der zweiten Liga von Gozo, der zweitgrößten Insel Maltas. Die Gharb Rangers um Stürmer Dominic Matthias liegen 0:1 zurück im Derby gegen St. Lawrence. Doch der Nigerianer Matthias hat plötzlich ganz andere Sorgen: Er wird von der maltesischen Polizei in der Umkleidekabine festgenommen. Sein Visum soll abgelaufen sein. Seit jenem Donnerstag vor zwei Wochen droht Matthias die Abschiebung in sein Heimatland. Er wäre nicht der erste Fußballer, der hoffnungsvoll in Europa ankommt und desillusioniert nach Afrika zurückkehrt.

Die Erfolgsaussichten sind gering, aber Fußballer in Afrika haben eben doch einige Mut machende Idole. Allen voran Didier Drogba und Emmanuel Adebayor, die es nach London zu Chelsea und Arsenal geschafft haben. Der Traum vom großen Geld ist verlockend, nicht nur für die Spieler. „In Afrika bezeichnet sich jeder als Spielervermittler: Geschäftsmänner, Trainer und Vereinspräsidenten. Die haben weder die nötigen Kompetenzen noch das Recht dazu“, sagt Jean-Claude Mbvoumin. Er ist Vorsitzender der französischen Hilfsorganisation „Foot solidaire“, die afrikanische Fußballer über ihre Rechte in Europa informiert. Mbvoumin sagt, dass zwielichtige Spieleragenten ihre Klienten in nicht-lizensierten Fußball-Akademien rekrutierten. Über Einsätze in den nordafrikanischen Ligen versuchten die Spieler, die Aufmerksamkeit europäischer Vereine zu erregen. „Die Spieler kommen dann nach Malta, Zypern oder in die baltischen Staaten, häufig mit einem Touristenvisum“, erläutert Mbvoumin. In diesen Ländern, die seit 2004 der Europäischen Union angehören, bekäme man weiterhin einfacher die nötigen Papiere als etwa in Deutschland oder Frankreich. Wenn die Spieler mit viel Glück eines Tages in Großbritannien, Spanien, Frankreich oder eben Deutschland spielen, dann meist unterklassig.

Auch der Nigerianer Dominic Matthias war auf Malta weit vom großen Fußball entfernt. Über ein Probetraining auf der Hauptinsel landete er vergangenen September bei den Gharb Rangers auf Gozo. Dass sein Visum schon damals abgelaufen gewesen sein soll, scheint den Verein wenig gekümmert zu haben. „Es wird immer schwieriger, die nötigen Papiere zu bekommen“, sagt Joseph Cauchi dazu nur. Ansonsten schweigt der Präsident der Rangers und verweist auf das ausstehende Urteil wegen Beschäftigung einer Person ohne gültige Papiere. Bei manchen Vereinen habe die illegale Beschäftigung von Spielern geradezu System, behauptet Aktivist Mbvoumin. „Für einen Spieler ohne Papiere gilt das Arbeitsrecht nicht. Den muss man weder regelmäßig noch in angemessener Höhe entlohnen“, sagt der Vorsitzende von „Foot solidaire“.

Mit welchen Versprechen holt ein Spielervermittler junge Afrikaner in die fußballerisch äußerste Peripherie Europas, wo meist nur ein paar hundert Euro zu verdienen sind? „Gute Frage. Ich bin Geschäftsmann“, sagt Damian Iwueke ausweichend. Der lizensierte Spielervermittler auf Malta fügt dann doch noch hinzu: „Wenn du ein leuchtender Stern am Fußball-Himmel bist, werden die Vereine in Zeiten von Internet schon von dir hören.“ Vor ein paar Jahren meinte Iwueke, einen solchen leuchtenden Stern gefunden zu haben. Weil der Spieler erst 16 Jahre alt war, habe er sich eben von dessen Eltern zu seinem Erziehungsberechtigten machen lassen, erzählt Iwueke freimütig. Der Präsident des aufnehmenden Vereins sei zudem einflussreich in Malta und das Visum somit kein Problem gewesen. Seit der EU-Mitgliedschaft Maltas sei das aber nicht mehr denkbar.

Als 2002 bekannt wurde, dass 30 Spieler auf Malta keine gültigen Papiere hatten, beantragten die Fußballer diese eben nachträglich. Seitdem aber wächst der Strom illegaler Einwanderer in den Inselstaat im Mittelmeer, der auf der Schlepperroute zwischen Libyen und Italien liegt – nahe der mittlerweile berühmten Flüchtlingsinsel Lampedusa. Vergangenes Jahr kamen 2775 illegale Einwanderer ins 400 000 Einwohner zählende Malta, ein Rekord. Die maltesische Regierung hat nun den Kampf gegen illegale Immigration zur Priorität erklärt. Ob man deswegen Dominic Matthias in der Halbzeitpause festnehmen musste, dazu wollte die maltesische Polizei sich nicht äußern.

Matthias Sander[Bordeaux]

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