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AHORNBlätter (12): Synchronschreien

Benedikt Voigt wundert sich, warum es in Whistler plötzlich so still geworden ist. Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Es ist Eishockeyzeit.

Etwas stimmt nicht in der Fußgängerzone von Whistler. Sie ist so ruhig geworden. Sind die Winterspiele von Vancouver eine Woche zu früh beendet worden? Auf dem Spielplatz an der Medal Plaza spielen tatsächlich Kinder. An den Vortagen hatten hier Jugendliche zu Musik aus Ghettoblastern getanzt und waren auf Mini-Rodelschlitten die Kinderrutsche hinuntergefahren. Jetzt sind sie verschwunden. Niemand wartet vor dem Olympic Store, um weinrote Olympiahandschuhe zu kaufen. Plötzlich dringt ein Schrei des Entsetzens vom Village Place herüber. Da fällt es dem Olympiaberichterstatter wieder ein: Es ist Eishockeyzeit, Kanada gegen USA.

Rund tausend Zuschauer sitzen oder stehen am Village Place vor einer riesigen Leinwand, alle umliegenden Bars sind überfüllt. Der Fernsehkommentar dröhnt über den Platz, viele tragen ein rotes Ahornblatt auf den Wangen, manche haben die kanadische Flagge mitgebracht. Es ist still, die USA haben nach nur 41 Sekunden das 1:0 erzielt haben. Ein paar US-Amerikaner freuen sich. „Hey Dude“, sagt ein Snowboard-Kid, „kannst du das glauben, nach 41 Sekunden?“ Dann ist es vorbei mit der Ruhe. Die Menge springt auf, ein Bierbecher fällt vom Tisch, zwei Jungs rennen mit einer riesigen Kanada-Fahne durch die Menge, das 1:1.

Später im Pressezentrum erlebt der Olympiaberichterstatter eine Merkwürdigkeit. Erst dringt der Jubel vom Village Place zu ihm hinüber – und als er aufblickt, fällt auf dem Monitor der erneute Ausgleich für Kanada. Wird das Spiel im Pressezentrum zeitverzögert übertragen? Nein, das dritte kanadische Tor fällt wieder synchron. Kurz vor dem Ende aber verlassen die ersten Zuschauer den Village Place, das Spiel ist verloren. Wahrscheinlich kommen sie am Sonntag wieder. Dann ist Endspiel.

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