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Sport: Alba Berlin: Kaffeefahrt ins Glück

Der Reiseleiter ist von der Fahrt nach Wroclaw überrascht worden. Die Zeit reichte nicht, um die Vorräte seines Busses aufzufüllen.

Der Reiseleiter ist von der Fahrt nach Wroclaw überrascht worden. Die Zeit reichte nicht, um die Vorräte seines Busses aufzufüllen. "Ihr wollt das Spiel ja sicher in nüchternem Zustand verfolgen", sagt er zu den Fahrgästen, "Das restliche Bier reicht sicher. Es gibt Kaffee und heiße Würstchen." Nur ein Mitfahrer protestiert vorsichtig, die übrigen rund 50 Alba-Fans haben an dem kulinarischen Angebot für die sechsstündige Reise zum Suproleague-Spiel des Deutschen Basketballmeisters in Polen nichts auszusetzen. Kaffee, wunderbar. Außerdem sind sie gut ausgerüstet: Die Kowalkes haben Hohes C und ein Nackenkissen eingepackt, die Geißlers, ein 45-jähriger Mitarbeiter vom Landeskriminalamt samt Gattin, Becher in den Alba-Farben blau und gelb.

Auch Benni und Jens, die Trommler, sitzen da mit blauen Perücken. Zivilisierte Farbtupfer, die selbst mit einem Bierchen in der Hand ruhig sind. "Beim Basketball ist es nicht so proletenhaft wie beim Fußball oder Eishockey", erklärt Jens. "Da leidet ein bisschen die Stimmung. Mit den vielen Schlipsträgern ist es eher wie im Theater." Später tönt klassische Musik durch den Bus. Nur kurz, denn das geht dann doch zu weit. Obwohl es ja passen würde zur Studienfahrt nach Polen. Listen für die Stadtführung vor dem Spiel gehen rum. "Aus dem zweiten Bus", sagt Susanne vom Fanclub "Alba Tross", "haben 40 Leute Interesse."

Im Bus sitzen nicht nur Fanclub-Mitglieder, sondern viele, die einfach mal ein Suproleague-Auswärtsspiel live sehen wollen. Reisen nach Moskau und Tel Aviv sind unbezahlbar, die Fahrt nach Wroclaw kostet dank eines kräftigen Zuschusses von Alba nur 50 Mark, Eintrittskarte inklusive. Albas Sieg im Korac-Cup 1995 war es, der Claus Kowalke und andere mit dem Alba-Bazillus infizierte. Vom ersten Pokalsieg 1997 schwärmt der 31-Jährige noch heute: "Die Spieler haben uns damals den Pokal zum Feiern gegeben", erinnert er sich. Aber jetzt? "Als wir kürzlich nach dem Spiel in Leverkusen in der Halle ein Foto mit der Mannschaft machen wollten, musste Kapitän Rödl erst den Manager fragen." Professioneller sei alles geworden, "das ist auch ein bisschen schade."

In der Bundesliga ist Alba so überlegen wie nie zuvor - so schön das auch für den Verein ist, die Siegesserie schlägt ein bisschen auf die Stimmung. Zumindest bei den langjährigen Anhängern ist die Euphorie wohltemperierter Begeisterung gewichen.

Nicht so beim Nachwuchs, der im zweiten Bus sitzt. An der Grenze treffen sich Studien- und Klassenfahrer und ziehen Wurstscheiben von ihren Brötchen, weil wegen der Maul- und Klauenseuche alle tierischen Nahrungsmittel angeblich beschlagnahmt werden sollen. Als Nadine, Julia, Katrin und Andreas von den kaffeetrinkenden Kollegen hören, die so ganz anders seien als etwa Fußballfans von Union, die morgens um sechs im Zug schon ihre dritte Dose Bier öffneten, lachen sie. Dosen? "Wir können uns Flaschen leisten", kontert der 17-jährige Andreas, ein Schüler. "Heute ist Wandertag", sagt er kichernd. Andreas ist Anmaler bei Alba, er malt den Fans bei Heimspielen gelbe und blaue Streifen ins Gesicht. Nadine führt die Statistik, Julia und Katrin bedienen das Spotlight und sind für Geburtstagskarten an die Spieler zuständig. Zu Union geht Julia auch, "aber Alba hat Vorrang. Fußball ist langweiliger". Außerdem seien Unions Spieler nicht so süß wie Stipo Papic.

Später, in der Halle, sind sie alle nur noch Fans, die Gediegenen ebenso wie die Ausgeflippten. Auch die Kowalkes und die Geißlers, die auf der Weiterfahrt ein blutrünstiges Video geboten bekommen haben statt Klassik, stecken in Alba-Trikots. Sie alle boxen blaue und gelbe Luftballons über die Tribüne - stehend. Fan sitzt nicht, Fan steht. Und klatscht. Und brüllt "Al-ba" und "De-fense". Als die polnischen Anhänger nach Albas Sieg längst gegangen sind, hüpfen die Berliner noch immer auf der Tribüne herum. Rund 20 erstaunte Sicherheitskräfte formieren sich. Die Deutschen kramen ihr Liedgut hervor. "Teo, wir sind in Wroclaw", singen sie, als Teo Öztürk auftaucht. Und: "Wir wollen den Stipo sehen." Später, vor der dunklen Halle, bilden sie ein Spalier und klatschen jeden Spieler ab. Im Mondschein stellen sich Jörg Lütcke und Dejan Koturovic zu Erinnerungsfotos auf. "Heute war die Stimmung gut", jubelt ein Mädchen. Das Blaulicht geht an. Die Polizei geleitet Mannschaft und Fans mit Sirene über viele rote Ampeln zur Autobahn. Ehepaar Geißler feiert den Sieg - mit Prosecco.

Helen Ruwald

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