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Für Berlin am Ball. Albas Spielmacher Heiko Schaffartzik (hier gegen Oldenburgs Louis Campbell).

© dapd

Albas Spielmacher im Interview: Heiko Schaffartzik: „Du bringst Berlin überall hin, wo du bist“

Basketballer Heiko Schaffartzik über sein Jahr mit Alba, Wanderjahre in der Bundesliga und wie er fast Versicherungsvertreter geworden wäre.

Herr Schaffartzik, Sie sind Anfang 2011 zu Alba in ihre Heimatstadt Berlin gewechselt. Ein aufregendes Jahr?

Auf jeden Fall. Als ich zu Alba kam, wollte mich Trainer Luka Pavicevic gar nicht haben. Zumindest nehme ich das an, weil ich bei ihm gar nicht gespielt habe. Dann kam Muli Katzurin, der Spieler nach nur 30 Sekunden ausgewechselt hat – damit bin ich überhaupt nicht klargekommen. Aber dann habe ich verstanden, was er von mir will, ich habe von ihm noch viel gelernt. Es war wirklich ein aufregendes Jahr – mit einem beinahe perfekten Ausgang, wir sind fast Meister geworden.

Nach der Finalserie gegen Bamberg haben Sie bei der EM erstmals mit Dirk Nowitzki zusammen gespielt, im Herbst haben Sie im Sportausschuss des Bundestags über die Sicht der Profibasketballer auf Dopingkontrollen gesprochen, danach waren Sie noch Gast bei „Wetten, dass..?“. Was ist Ihnen davon am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Okay, wow. Das ist ganz schwer miteinander zu vergleichen. Die beiden Heimspielsiege gegen Bamberg im Finale – das war toll, das bleibt in meinem Kopf. Was für ein Wir-Gefühl! Und danach auch noch die EM zusammen mit Dirk Nowitzki!

Die meisten deutschen Basketballer träumen davon, mit Nowitzki zu spielen. Wie war es, als dieser Traum in Erfüllung ging?

Für Dirk war es bei der EM sehr schwer, der war kaputt ohne Ende. Ging halt alles nicht mehr so wie in der NBA-Finalserie. Von der Arbeitseinstellung war Dirk aber, wie es mir immer alle erzählt haben: Er trainiert immer mehr als alle anderen. Er ist auch sonst ein guter Typ, man kann einfach mit ihm reden. Bei der EM gab es ein ganz großes Highlight – das Spiel gegen Litauen. Das war unglaublich, von der Atmosphäre her, eine tolle Erfahrung. Was war noch ...?

… Sportausschuss.

Sportausschuss war total geil. Weil das echt aufregend war für mich. Eine Situation, in der ich noch nie war. Würden die mich zerfleischen? Was ist angebracht zu sagen? Letzten Endes habe ich das ganz gut gemeistert, glaube ich.

Sie haben eine Abgeordnete der Linken geduzt.

Sie hat mich ja zuerst geduzt.

Das ist etwas anderes.

Nö. Wir sind beide erwachsene Menschen. Sie hat mich geduzt, also kann ich sie auch duzen. Sie hat meinen Nachnamen nicht aussprechen können und hat gesagt: „Ich sag’ einfach Heiko zu dir.“ Als ich dann geantwortet habe, habe ich gesagt: „Katrin, du hattest ja noch die Frage…“ Das hat die auch verstanden.

Lesen Sie auf der nächste Seite, warum Thomas Gottschalk bei "Wetten dass...?" niemandem den Arsch küsst.

Bleibt noch „Wetten, dass..?“.

Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker waren unglaublich freundlich. Die küssen einem nicht den Arsch, sondern geben einem das Gefühl: Du bist jetzt gerade der wichtigste Mensch in dieser Sendung. Weltklasse! Ich meine – wer bin ich schon? Ich schieß’ da Dreier gegen ’ne Golferin. Ich glaube, dass die Sendung so erfolgreich ist, weil Gottschalk ein Prinzip hat: Die Leute sollen sich wohl fühlen. Egal, ob das ein Typ ist, der 1000 Kerzen mit seiner Zunge ausleckt, oder Lenny Kravitz.

Ihre Wette gegen die Golferin haben Sie trotzdem verloren.

Das Beste war, als ich nach der Wette auf die Couch durfte. Alter! Ich meine: Ich gucke die Sendung, seit ich ein Kind bin. Und dann sitze ich da neben Günther Jauch und quatsche mit Dirk, wir haben die ganze Zeit gelacht. Man kann mir nicht leicht schmeicheln – aber da habe ich mich wirklich geehrt gefühlt.

Sportlich sind Sie 2011 nach mehreren rastlosen Jahren in Berlin angekommen, bei Alba Berlin und in der Nationalmannschaft spielen Sie eine tragende Rolle.

Ich habe bei mir festgestellt: Immer wenn ich so etwas sage wie: „Ja, ich bin angekommen! Ja, ich habe mich durchgesetzt!“, wird es hinterher schlechter. Deswegen würde ich gerne wegbleiben von solchen Aussagen.

Trotzdem wirkt Ihre Rückkehr auch wie eine Heimkehr. Seit Sie Alba 2004 verlassen haben, ist Ihre Karriere alles andere als geradlinig verlaufen. Bekommen Sie die vielen Stationen der letzten sieben Jahre überhaupt noch zusammen?

Klar.

Dann bitte.

Also: Alba Berlin, Gießen, Nürnberg, Oldenburg, Central Hoops Berlin, Ludwigsburg, Gießen, Braunschweig, Türk Telekom Ankara, Alba Berlin.

Kein gerader Weg. Dem Tagesspiegel hatten Sie schon vor elf Jahren gesagt: „Basketball wird mein Leben sein.“ Bumm, ohne Konjunktiv. Eine ungewöhnlich deutliche Aussage für einen 16-Jährigen. Haben Sie dieses Ziel auch so klar im Blick behalten, als Sie Rückschläge erlebt haben?

Es war immer klar. In der Jugend war es klar, weil ich immer einer der Besten war. Ich habe mir das immer zugetraut, auch als ich die ersten Male im Training gegen Alba-Profis gespielt habe. Ich habe keinen Unterschied gemerkt – auch wenn die Trainer das vielleicht anders gesehen haben.

Haben Sie tatsächlich nie an Ihrem Traum gezweifelt?

Doch. Ich war die ersten paar Jahre meiner Karriere sehr mit mir selbst beschäftigt. Das ist natürlich kein Rezept für Erfolg, da muss man durch. Bei meiner ersten Profistation in Gießen außerhalb von Berlin war ich total unreif, was man auch daran gesehen hat, dass ich beim Kiffen erwischt wurde. Und die folgende Saison in Nürnberg war ein Horrorjahr in jeder Hinsicht.

Inwiefern?

Ich habe gespielt, aber es hat überhaupt keinen Spaß gemacht. Meine Mitspieler waren nicht gut, ich war auch nicht gut. Es war alles unglaublich amateurhaft. Das Apartment war eine Katastrophe. Ich habe im Bahnhofsviertel gewohnt, in meiner Gegend waren fünf Waffenläden. In Deutschland gibt es eigentlich keine Waffenläden – bei mir um die Ecke gab es fünf! Wir haben in einer 9000-Mann-Arena gespielt und hatten im Schnitt 1200 Zuschauer. Es war unglaublich kalt bei den Spielen, weil der Verein kein Geld ausgeben wollte für die Heizung. Am Ende gab es noch Ärger mit dem Klub wegen des letzten Monatsgehalts. Es war heftig.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Heiko Schaffartzik fast Versicherungsvertreter geworden wäre.

Und deswegen haben Sie daran gedacht, dem Basketball den Rücken zu kehren?

Ich war danach in Berlin und mich hat ein Typ auf der Straße angequatscht. Er hat mich gefragt, ob ich Versicherungen verkaufen will, so ein Pyramidensystem. Ich habe gedacht: Warum nicht? Ich habe mir also einen Anzug angezogen und bin zum Vorstellungsgespräch. Ich habe mir allen Ernstes überlegt, das zu machen! Der Killer war dann allerdings, als er mir gesagt hat: Pass auf Heiko, einmal im Jahr fahren wir alle nach Mallorca, das ist das Highlight. Er hat mir Fotos gezeigt von jungen Versicherungsvertretern mit blondierten Haaren, saufend auf Malle, wie man sich das so vorstellt. Da hab ich gesagt: Okay… nein! Auf gar keinen Fall!

Sonst würden Sie heute wirklich Versicherungen verkaufen?

Ich kann gut quatschen, ich kann Leute gut überzeugen, ich hätte das gut hinbekommen. Ich war knapp bei Kasse damals, habe aber weiter hart trainiert. Dann kam ein gutes Angebot aus Oldenburg.

Wo Sie auch nur ein Jahr blieben, um danach zum Berliner Regionalligisten Central Hoops zu wechseln. Warum?

Ich habe in Oldenburg nur auf der Position 2 gespielt, als Shooting Guard. Ich sehe mich aber eher als Einser, als Point Guard. Da habe ich mir gesagt: So will ich nicht mehr Basketball spielen. Ich habe mehrere Angebote abgelehnt und mich in der Regionalliga fit gehalten. Und gewartet, bis etwas kam, das mir gepasst hat.

Damit sind Sie ein Risiko eingegangen.

Natürlich hatte ich Angst: Oh Shit – was ist, wenn keiner anruft?

Nach neun Spielen kam ein Angebot aus Ludwigsburg, …

… das für mich ein Sechser im Lotto war. Ich konnte in Ludwigsburg 1 und 2 spielen, wir haben im Uleb-Cup gespielt, gute Mitspieler, toller Trainer, korrekte Wohnung, wir waren im Pokal-Endspiel, ein sehr gutes Lebensgefühl. Die Zweifel am Profibasketball waren weg.

Es folgten drei weitere Stationen, ehe Sie zurück zu Alba kamen. Wie war Ihre Beziehung zu Berlin während Ihrer Zeit im Exil?

Ich habe ja meistens für Klubs gespielt, die die Play-offs verpasst haben. Ich war also Anfang Mai immer wieder in Berlin. Ich habe jeden Sommer auf dem Freiplatz an der Gneisenaustraße gezockt, ich war mittendrin. Und mein kleiner Bruder hat ohnehin mal zu mir gesagt: Du bringst Berlin sowieso überall hin, wo du bist. Das hat mir sehr gut gefallen.

2005 haben Sie gesagt: „Meine Verbindung besteht eher zu der Stadt als zu Alba.“

Genau. Man muss natürlich sagen: Ich bin in Berlin geboren und habe hier die ersten 20 Jahre meines Lebens gewohnt. Bei Alba war ich zwei Jahre, im zweiten Jahr habe ich nicht einmal gespielt. Da wäre es doch komisch, wenn meine Beziehung zu Alba stärker wäre als zu Berlin.

Aber auch dem Verein – beziehungsweise Albas Vorgängerklub DTV Charlottenburg – sind Sie durch Ihre Familie lange verbunden. Ihre Eltern haben Sie schon im Alter von drei Jahren mit zu Spielen geschleppt.

Ich war eines der Kinder, die in der Halbzeitpause der Bundesligapartien auf die Seitenkörbe der Sömmeringhalle geworfen haben. Mein Vater ist mit Charlottenburg als Spielertrainer oder Spieler in die Bundesliga aufgestiegen, danach wollte er sich eigentlich auf sein Medizinstudium konzentrieren, war aber noch Assistenztrainer und später Chefcoach. Das muss 1982/83 gewesen sein. Ich wurde also in die spätere Alba-Familie reingeboren.

War Ihr Ziel nicht nur, Profi zu werden – sondern Profi bei Alba?

Gute Frage. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass ich früher oder später bei Alba unterschreiben würde. Ich habe ja gesehen, wie das damals funktioniert hat: Alba nimmt die Besten von TuS Lichterfelde und gibt denen einen Profivertrag. Und ich war der Beste bei TuSLi – oder einer der Besten. Es war trotzdem keine richtige Wunschvorstellung. Aber im Moment ist es für mich kaum vorstellbar, dass es für mich eine bessere Situation geben könnte. Der Verein hat eine lange Tradition, jeder der „Alba“ hört, verbindet das mit Berlin. Deswegen ist es schon eine Ehre, für diesen Verein zu spielen. Weil ich meine Stadt repräsentieren kann.

Sie sind in kurzer Zeit zu einem der Gesichter des Vereins und des deutschen Basketballs geworden. Nervt das auch?

Es gibt nichts, worüber ich mich beschweren muss. Ich würde es aber nicht genießen, wenn ich keine normalen Sachen mehr machen könnte. Das ist nicht gesund. Neulich war ich mit meiner Freundin Schlittschuhlaufen am Potsdamer Platz. Eigentlich kann ich das gar nicht, am Schluss habe ich aber zwei Runden geschafft, ohne Festhalten. Zwischendurch kamen immer mal wieder Jugendliche, die wissen wollten, ob ich Heiko Schaffartzik bin. Ich habe „Nein“ gesagt. Ein Mädchen habe ich sogar zurückgefragt: „Schaffartzik? Wer soll denn das sein?“ „Na so ein großer Basketballer“, hat sie gesagt. „Siehste“, hab ich geantwortet. „Kann ich ja gar nicht sein – seh’ ich vielleicht groß aus?“

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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