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Alexandra Popp, 20, spielt seit 2010 für die Nationalmannschaft und in der Bundesliga seit 2008 für den FCR Duisburg. Beim 5:0-Sieg gegen Holland am Dienstag gegen Aachen erzielte sie mit einem wuchtigen Schuss aus knapp 20 Metern (unser Bild) das 3:0.

© Eibner-Pressefoto

Alexandra Popp: "Ich hatte keinen Bock auf Mädchenfußball"

Nationalstürmerin Alexandra Popp spricht im Interview über ihr Training mit Jungs, den Spaß am Kopfball und die Nachfolge von Birgit Prinz.

Frau Popp, sind Sie eigentlich Schalke- Fan?

Nein, ich bin Dortmund-Fan.

Obwohl Sie früher mit den Schalker Jungs an der Fußballschule Berger Feld trainiert haben?

Trotzdem hat es mich nie auf die Schalker Seite gezogen. Mein Papa ist Schalke- Fan, aber ich habe mich immer an meinem Bruder orientiert, der ist auch Dortmund-Fan. Doch das habe ich in der Fußballschule nicht groß rumposaunt.

Die Legende sagt, Sie hätten Joel Matip mal mit einem Tunnelschuss im Training beeindruckt.

Echt? Das weiß ich gar nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass mir die Jungs beim ersten Training direkt einen Beinschuss gegeben haben.

Sie waren 17, als Sie 2008 in die Fußballschule kamen und damals gerade zum FCR Duisburg in die Bundesliga gewechselt. Haben die Jungs Sie gleich akzeptiert?

Am Anfang haben die erstmal komisch geguckt, denn ich war das Versuchskaninchen in diesem Projekt und das einzige Mädchen. Als ich ihnen gesagt habe, was ich bis dahin schon erreicht hatte, haben sie schon ein wenig anders geguckt. Und im Spiel fünf gegen zwei haben die auch gesehen, dass ich was drauf habe. Danach haben sie mich ganz gut integriert.

Im vergangenen Jahr sind Sie mit zehn Toren Torschützenkönigin der U-20-WM geworden. Jetzt sind Sie bei der Frauen-WM in Deutschland dabei. Bundestrainerin Silvia Neid spricht geradezu überschwänglich von Ihrer Durchsetzungsfähigkeit auf dem Platz. Sie glaubt, dass das vor allem damit zusammenhängt, dass Sie immer mit den Jungs gespielt haben. Stimmt das?

Ich denke schon, dass das eine Rolle spielt. Ich habe früher bei den Jungs sehr viel einstecken müssen. Da wächst die Stärke auf dem Platz. Dann geht man auch gern mal dahin, wo es wehtut, weil man es gewohnt ist. Ich würde schon sagen, dass das ein Vorteil für mich ist.

Wenn man als Mädchen mitspielt, muss man da wie ein Kerl spielen?

Da gibt es schon einen Unterschied. Als Mädchen muss man ein bisschen abgezockter spielen. Wenn ich jetzt mit einem gleichaltrigen Jungen ins Laufduell gehe, wird der mich abziehen, weil er einfach athletische Vorteile hat. Von daher darf man als Frau die Zweikämpfe und Laufduelle erst gar nicht annehmen.

Und trotzdem spielen Sie anders als viele Frauen, sind auf dem Platz ziemlich bedingungslos, geradezu furchtlos. Haben Sie gar keine Angst, sich zu verletzen?

Ich weiß nicht, warum das so ist. Wenn ich in den Zweikampf gehe, denke ich nicht groß drüber nach, dass ich mir vielleicht die Nase brechen könnte. Wenn man darüber nachdenkt, geht man entweder nicht hin oder es passiert erst recht etwas.

Das liegt vielleicht auch daran, dass Sie bisher von schlimmeren Verletzungen verschont geblieben sind. Hilft Ihnen das auch beim Kopfball, wo viele Frauen Hemmungen haben?

Ich habe sogar Spaß am Kopfball. Wenn wir Flanken trainieren, freue ich mich immer darauf, in der Mitte zu stehen und die zu verwerten. Das Lustige ist, dass ich nie richtig trainiert habe, höher zu springen oder besser in die Bogenspannung zu gehen. Das ist mir irgendwie zugeflogen.

Anfangs haben Sie nur mit Jungs gespielt. Als Sie mit 14 in ein Mädchenteam mussten, wollten Sie sogar aufhören. Warum?

Ich habe zu dem Zeitpunkt neun, zehn Jahre lang nur mit Jungs gespielt. Der Frauenfußball hat mich damals gar nicht interessiert. Ich wusste, dass mein Verein auch eine Mädchenmannschaft hatte. Mit denen hatte ich aber nichts zu tun, für mich konnten die auch keinen Fußball spielen. Da war ich sehr naiv.

Und auch ein bisschen arrogant?

Das haben viele gesagt, als sie mich kennengelernt haben. Und als ich dann zu den Mädchen sollte, habe ich gesagt: Da habe ich keinen Bock drauf und wollte lieber gar nicht mehr spielen.

Der Grund, warum Sie überhaupt gespielt haben, war schließlich auch ein Junge, nämlich wie bei so vielen Fußballerinnen der große Bruder.

Da war ein Bruder im Spiel, da war ein Vater im Spiel und eine Mutter. Ich sage immer: Es hat nur gefehlt, dass ich im Mittelkreis geboren wurde, weil ich seit meiner Geburt eigentlich jedes Wochenende immer auf dem Platz war, in der Halle oder irgendwo anders, wo es einen Ball gab.

Aber inzwischen haben Sie sich daran gewöhnt, mit Mädchen zu spielen?

Natürlich. Das war damals auch keine schlechte Mannschaft, die mein Verein hatte. Ich habe mich mit den Mädels angefreundet. Aber so richtig beschäftigt habe ich mich damit erst, als ich in die Westfalenauswahl kam. Dann habe ich mich auch mal mit der Bundesliga und Nationalmannschaft beschäftigt, damit hatte ich vorher gar nichts am Hut.

Das war wohl ganz gut so: Seit Sie im Februar 2010 zum ersten Mal in der Nationalmannschaft gespielt haben, haben Sie in acht Länderspielen vier Tore geschossen, alle als Joker. Werden Sie eine zweite Birgit Prinz?

Es kommt, wie es kommt. Jetzt steht erstmal die Vorbereitung im Fokus, in der wir an uns arbeiten müssen und in der es einen Konkurrenzkampf gibt.

Was fehlt Ihnen denn noch?

Ich muss noch ein bisschen ruhiger spielen. Wenn ich den Ball habe, bin ich immer sehr hektisch und versuche, ihn sehr schnell weiter zu spielen, obwohl ich meistens noch Zeit habe. Ich muss die Übersicht noch finden, mich schneller in die Defensivposition bewegen, wenn ich vorne spiele. Und den schwachen rechten Fuß kann man immer noch stärken.

Birgit Prinz hört wahrscheinlich nach der WM auf, eine große Lücke muss gefüllt werden. Trauen Sie es sich auf lange Sicht zu, diese Rolle einzunehmen?

Damit habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Ich bin jetzt das zweite Jahr dabei und muss mich erst herantasten. Die erfahrenen Spielerinnen helfen uns dabei und ziehen uns mit. Und Verantwortung muss sowieso jeder auf dem Platz übernehmen.

Wie klappt es denn mit den älteren Spielerinnen? Sie sind ja mit 20 Jahren noch sehr jung in der Mannschaft.

Die Älteren haben uns direkt integriert und wir haben alle viel Spaß. Wir sprechen viel miteinander und sie helfen uns auch, wenn wir Tipps brauchen. Die Erfahreneren spielen natürlich auch abgezockter und sagen sich in manchen Situationen: Da brauche ich jetzt gar nicht hinlaufen, weil ich weiß, dass ich den Ball sowieso nicht kriege. Und wir Jüngeren würden wahrscheinlich wie die Wilden fünfmal hin- und herlaufen.

Aber Ihre Generation ist schon anders: Sie schminken sich, sind ein wenig flippiger im Gegensatz zu einer Birgit Prinz, die 14 Jahre älter ist als Sie. Merken Sie das innerhalb der Mannschaft?

Man merkt schon, dass ich und andere noch ein bisschen wilder sind. Aber da gibt es keine Konflikte. Birgit lacht auch super viel und hat Witze drauf.

Sie haben im vergangenen Jahr beim Algarve-Cup mit ihr ein Zimmer geteilt. Wie war das?

Anders. Es war total angenehm, aber man hat auch gemerkt, dass es einen Generationsunterschied gibt. Ich habe mich mittags nach dem Essen ins Bett gelegt und den Fernseher angemacht, sie ist auf den Balkon gegangen und hat für die Uni gelernt. Obwohl ich meine Schulsachen auch dabei hatte, habe ich nichts für die Schule getan.

Aber Sie hat dann nicht die Oberlehrerin gespielt und Ihnen gesagt, Sie sollen lernen?

Nein, das nicht. Es war ganz lustig. Zwischendurch hat sie mal gesagt: Auf Dauer halte ich das mit nur Fernsehen nicht aus. Aber das war auch nicht ganz ernst gemeint.

Das Gespräch führte Anke Myrrhe.

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