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Sport: „Alle haben Schiss vor Beckenbauer“

Warum nicht mehr Risiko? Rudi Assauer über den Unterschied zwischen dem DFB und Schalke 04

Herr Assauer, gleich zum Eröffnungsspiel treten Sie am Freitag in Bremen an, beim Deutschen Meister, dem Sie seine besten Spieler weggekauft haben. Was haben Sie sich als Wiedergutmachung ausgedacht?

Ich laufe vor dem Spiel einmal gemütlich durch den ganzen Innenraum, quer über den Rasen, dann ist da schon mal richtig Stimmung in der Hütte.

Bremen, immerhin später der Deutsche Meister, konnte bei Ihren Angeboten für den Stürmer Ailton und den Verteidiger Krstajic nicht mithalten. Hat Sie das überrascht?

Bremen hat ein Problem: Die kriegen das Stadion nicht voll. Die haben kein Umland, und am Samstag sind viele auf ihren Bötchen segeln. Man müsste in Bremen immer am Freitagabend spielen oder am Wochenende ins Weserstadion ein Bassin reinstellen und eine Segelregatta veranstalten. Dann kommen alle.

Schalke hat damit kein Problem, selbst beim UI-Cup gegen den dänischen Provinzverein Esbjerg kommen 56 000 Zuschauer. Dafür fehlt Ihnen der große Titel. Müssen Sie in dieser Saison Meister werden?

Auch der Schalke-Fan ist nur bis zu einem gewissen Grade leidensfähig. Wir sind der zweitgrößte Verein in Deutschland und haben die tollsten Zuschauer. Nur die Bayern sind noch ein bisschen vor uns. Da müssen wir mehr tun als andere, mehr wagen.

Aber wenn Jupp Heynckes mal wieder auf das Thema Meisterschaft angesprochen wird, stehen Sie daneben und verziehen mürrisch das Gesicht. Warum gehen Sie nicht offensiv mit Ihren Ansprüchen um?

Wenn man angreift, muss man die Klappe halten und nicht alles rausposaunen. Ich habe keine Lust, hinterher als Depp dazustehen. Außerdem setze ich unnütz andere im Verein unter Druck. Für uns gilt als Saisonziel Platz fünf, ein Platz im Uefa-Cup.

Sie sprachen schon von Schalke als der dritten Kraft in Deutschland. Jetzt wollen Sie nur noch fünfte Kraft sein? Reicht es Ihnen, nur für ein tolles Stadion in die Schalker Geschichte einzugehen?

Ein neues Stadion kann eine Meisterschaft nicht ersetzen.

Für dieses große Ziel haben sie das Risiko nochmals erhöht?

Wir haben die Grundlagen gelegt, um angreifen zu können. Das ja. Aber das Risiko ist überschaubar. Schauen Sie sich doch hier um: Das Stadion und das ganze Umfeld gehört zu 80 Prozent uns. Das ist alles Schalke. Bei uns mussten Bund und Land nicht das Stadion finanzieren wie in Berlin. Und bei uns ist das Stadion immer voll, in der Hauptstadt schaffen die das ja noch nicht einmal zur Eröffnungsfeier.

Herthas Manager Dieter Hoeneß sagt, die Arena auf Schalke sei künstlich laut und habe keinen Charme.

Ach, der Dieter. Der war schon immer so. Als wir ihm den Victor Agali weggeschnappt hatten, rief er bei mir an und drohte. Der Dieter ist ein verquanteter Mensch, wie wir in Westfalen sagen, nicht so gerade heraus wie sein Bruder.

Dafür haben Sie sich in die Hände eines Londoner Finanzmaklers begeben, sich über diesen eine Anleihe vermitteln lassen und Ihre Zuschauereinnahmen bis 2025 verpfändet. Sie verlagern das Schuldenproblem auf Ihre Nachfolger.

Wo ist denn der Unterschied, ob ich mir über eine Bank oder eine Anleihe Geld besorge? Deutsche denken dabei zu konservativ und glauben, allein eine Bank stehe für Seriosität. Dabei leihen die mir auch kein Geld nur wegen meiner treuen Augen. Auch Banken wollen umfangreichste Sicherheiten. Im Übrigen war diese Anleihe für uns wesentlich günstiger als Bankkredite. Die konnten wir durch die Anleihe alle ablösen. Das überschüssige Geld haben wir nicht in die Mannschaft gesteckt. Ein gewisses Risiko müssen wir aber eingehen, wenn wir sportliche Ziele erreichen wollen. Das ist aber nicht weiter tragisch.

Was wäre denn tragisch?

Wenn du jetzt in den nächsten Jahren dreimal Zehnter wirst und fünfmal bist du Vierzehnter, fängt der Baum an zu brennen. Oder wenn du die Nähe zu deinen Fans verlierst, wenn du dich als Verein mit einem Zaun abschottest und die Fans drücken sich daran die Nasen platt.

Sie reden von Borussia Dortmund.

Dortmund oder auch andere.

Wir haben aber richtig verstanden, dass Sie sich eine eher verkorkste Saison wie die letzte noch einmal erlauben können?

Das kann man alles noch auffangen.

Sie kaufen den Torschützenkönig der Bundesliga und sagen uns, dass Sie auch in der nächsten Saison ohne Folgen den Uefa-Cup verpassen können?

Sehen Sie, wir haben die Personalkosten unserer Lizenzspieler trotz der großen Namen sogar verkleinert. 44 Millionen Euro waren es vor zwei Jahren, 39 in der letzten Saison, diesmal gehen wir von 36 Millionen aus. Wir haben uns von Spielern getrennt, wir haben aber auch starke Spieler geholt, meist ablösefrei.

Und ein Ailton bekommt jetzt vier Millionen Euro pro Saison.

Viel weniger. Aber ich werde Ihnen nicht unsere Verträge offen legen.

In Deutschland werden Manager- und Politiker-Gehälter inzwischen immer öfter offen gelegt. In Amerika ist das auch bei Sportlern kein Problem.

In Amerika sind die Leute stolz, wenn die Nachbarn etwas schaffen und einen großen Wagen fahren. Bei uns werden sie neidisch und bösartig.

Sie gehören auch nicht immer zu den ersten Gratulanten. Die Trainersuche in der Nationalmannschaft haben Sie hart kritisiert, dabei haben Sie doch selbst unerfahrene Trainer wie Frank Neubarth geholt. Jürgen Klinsmann müsste Ihnen gefallen.

Hören Sie doch auf. Wenn man es unbedingt so gewollt hätte, gut und schön. Aber die Trainersuche war doch Kasperletheater. Nur Löw hat bislang als Trainer gearbeitet. Was bitte befähigt denn die Herren Klinsmann und Bierhoff dazu, die Nationalelf zu führen? Was haben die als Trainer oder Manager vorzuweisen? Da hätte man richtig investieren und einen erfahrenen Mann holen müssen. Das kostet dann halt ein bisschen Geld. Bislang wirkt alles wie eine PR-Aktion.

Was ist schief gelaufen?

Die wissen beim DFB nicht wie das geht, einen Trainer zu verpflichten. Weil sie nicht im Tagesgeschäft des Fußballs sind, haben sie nicht das Wissen, wie man eine Mannschaft führt. Da sagt einer nach dem anderen ab, in aller Öffentlichkeit. Und alle haben Schiss vor dem großen Franz Beckenbauer, obwohl der jeden Tag einen neuen Namen genannt hat. Keiner traute sich ihm zu sagen: Jetzt halt dich mal bedeckt, Franz. Erst haben sie den Hitzfeld reingesungen, dann den, dann den. Und dann Lothar Matthäus! Das wäre das Nonplusultra gewesen. Wenn ich mir so etwas auf Schalke leisten würde, die würden mich kreuzigen.

Sie hätten sich in die Trainersuche einmischen können.

Mich hat der DFL-Präsident Hackmann angerufen und mich gebeten, Kontakt zu Morten Olsen aufzunehmen. Das habe ich getan. Aber da hatten die beim DFB schon längst einen anderen ausgeguckt.

Das Gespräch führten Markus Hesselmann und Armin Lehmann.

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