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Sport: Allein es fehlt der Glaube

Stefan Hermanns über die Bayern und ihre ungewohnten Selbstzweifel Wir wissen nicht genau, was Franz Beckenbauer gestern Nachmittag gemacht hat. Vielleicht war er Golf spielen, oder er hat sich mit seinem Sohn beschäftigt, vielleicht hat er auch im Fernsehen das Spiel seiner Bayern in Bremen gesehen.

Stefan Hermanns über die Bayern

und ihre ungewohnten Selbstzweifel

Wir wissen nicht genau, was Franz Beckenbauer gestern Nachmittag gemacht hat. Vielleicht war er Golf spielen, oder er hat sich mit seinem Sohn beschäftigt, vielleicht hat er auch im Fernsehen das Spiel seiner Bayern in Bremen gesehen. Und möglicherweise hat sich Beckenbauer sogar ein wenig gefreut, weil er wieder einmal Recht gehabt hat. Vor dem Spiel nämlich hat er seine Überzeugung kundgetan, „dass wir die Punkte in Bremen lassen“. So ist es gekommen.

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass Beckenbauer mit seinen Vorhersagen Recht behält. Das liegt unter anderem daran, dass der allmächtige Kaiser auch schon mal zwei widerstreitende Meinungen vertritt. Insgeheim aber hat er wahrscheinlich gehofft, dass er sich irren würde. Sein Ärger über die Niederlage dürfte jedenfalls größer sein als die Freude über seinen Sachverstand. Beckenbauers defätistischer Spruch zeigt nur, dass er als Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern München inzwischen mehr Fan ist denn Funktionär. Und die Fans leiden.

Als einziger Trost bleibt ihnen der Blick auf die BundesligaTabelle, die den Rekord- und Dauermeister immer noch an herausragender Position ausweist. Die Konkurrenz stellt sich im Moment nämlich auch nicht viel geschickter an als die Bayern. Leverkusen bastelt sich gerade einen hübschen Heimkomplex; Borussia Dortmund konnte gegen die Furcht erregenden Bielefelder und Hamburger zuletzt im eigenen Stadion immerhin ein Tor schießen und zwei Punkte holen, und die Berliner Hertha hat nach Aussage ihres Trainers Huub Stevens nie von sich behauptet, eine Spitzenmannschaft zu sein. Seit der Begegnung in Bochum käme wohl auch niemand mehr auf diese Idee.

Die Bayern und ihre Fans aber sollten sich nicht darauf verlassen, dass die Mitbewerber um den nationalen Titel auf Dauer schwächeln. Auch im vergangenen Jahr wähnten sie sich im Herbst nach neun Siegen in Folge schon wieder als unbezwingbar. Dann aber drängte der zuvor verletzte Stefan Effenberg in die Mannschaft zurück, und am Ende der Saison belegte Bayern einen hervorragenden dritten Platz. So viel zu dem Thema, dass dem Team ein Anführer wie Effenberg fehle.

Was den Bayern fehlt, ist der unerschütterliche Glaube, der sie immer ausgezeichnet hat. „Das Selbstvertrauen ist nicht da“, sagt Oliver Kahn, der Erfinder der allgemeinen und besonderen Unbezwingbarkeit. Am Mittwoch müssen die Bayern im Pokal gegen Hannover spielen. Man hört schon das Zähneklappern. Und am Wochenende wird es ganz schlimm. Da kommt der Meister aus Dortmund zu Besuch nach München. Franz Beckenbauer weiß wahrscheinlich schon, wie es ausgehen wird.

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