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Ein Künstler vor Gericht. Noka Serdarusic (rechts) will mithilfe seines Anwalts seine Unschuld beweisen. Foto: dpa

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Sport: Alles nur Verschwörung

Zum Auftakt des Handball-Prozesses inszeniert sich Kiels Ex-Manager Uwe Schwenker als Opfer

Der Schwurgerichtssaal 232 des Landgerichts Kiel ist in weichen, pastellfarbenen Tönen gehalten, ein helles Blau ziert die Erker. Doch die Verteidiger von Uwe Schwenker und Noka Serdarusic besänftigt der Raum keineswegs. Sie gehen im Handballprozess bereits am ersten Verhandlungstag zum Frontalangriff über. „Der sympathische und bodenständige THW Kiel gerät unter die Räder einer Schickeria“, resümiert Professor Erich Samson die Ereignisse aus 2009.

Es geht um alles in diesem Prozess, um die Frage, ob es im Handball fair zugeht, oder ob diese Sportart durch finstere Mächte gesteuert wird. Ex-THW-Manager Schwenker und Ex-THW-Trainer Serdarusic wird unter anderem vorgeworfen, das Champions-League-Finalrückspiel von 2007 gegen die SG Flensburg-Handewitt mit 92 000 Euro bei polnischen Schiedsrichtern gekauft zu haben. Beide bestreiten die Vorwürfe. Schwenker wähnt sich gar als Opfer einer Verschwörung der Konkurrenz aus Hamburg und von den Rhein-Neckar-Löwen.

Der Auftritt der beiden Angeklagten könnte unterschiedlicher nicht sein. Als Schwenker den Saal betritt, wirkt er selbstbewusst. Der Mann, der den THW Kiel zwischen 1993 und 2009 als Geschäftsführer zum Rekordmeister formte und als einflussreichster Mann im europäischen Handball galt, erhält Applaus.

Serdarusic ist der Gegenentwurf. Auch der 61-Jährige wird von Kameras observiert, Blitzlichter verfolgen den Trainer, der leise durch die Tür schreitet. Schwenker hat Serdarusic in seiner Aussage als „sehr sensible und komplexe Persönlichkeit“ beschrieben, als „Künstler“. Nun, zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Skandals, wirkt dieser Künstler gebrochen, die Vorwürfe haben ihn schmaler und nachdenklicher werden lassen.

Beide Angeklagten würdigen sich keines Blickes. Sie reden nicht miteinander, seit Serdarusic im Juni 2008 von seiner Aufgabe als Coach entbunden wurde. Vorausgegangen war ein Machtkampf mit Schwenker, den vor allem Serdarusic' Ehefrau Mirjana befeuert hatte, als sie Schwenkers neue Lebensgefährtin öffentlich als „Schlampe“ beschimpft hatte.

Der Vorsitzende Richter Matthias Wardeck leitet die Verhandlung souverän. Er erstickt die galligen Attacken Samsons gegen Staatsanwalt Axel Goos, die Anklageschrift doch lauter vorzutragen. Wardeck geht bei der Befragung der ersten Zeugin, einer Kriminalbeamtin, bedächtig vor. Die Vernehmung lässt erahnen, dass dieser Prozess tatsächlich die 21 anberaumten Verhandlungstage benötigen wird, fortgesetzt wird er am nächsten Mittwoch mit der Vernehmung des Hauptbelastungszeugen Jesper Nielsen, dem Gesellschafter der Rhein-Neckar-Löwen.

Dem erklärten Ziel, den Skandal als Verschwörung durch die Löwen und den HSV Hamburg darzustellen, als Versuch, den THW Kiel und Schwenker kaltzustellen, ist die Verteidigung Schwenker etwas näher gekommen. Laut Schwenkers Aussage von November 2009 soll HSV-Präsident Andreas Rudolph vor Zeugen erklärt haben, es gehe nicht darum, ob die Vorwürfe zuträfen, sondern nur darum, dem Konkurrenten zu schaden.

Auch streicht die Verteidigung in der Befragung der Kriminalbeamtin heraus, dass Löwen-Beiratschef Dieter Matheis, der den Skandal durch einen Brief an Schwenker erst ausgelöst hatte, in seiner Vernehmung widersprüchliche Angaben darüber gemacht habe, wann er von den Vorwürfen erfahren habe. Das würde die Glaubwürdigkeit von Matheis angreifen und die Verschwörungsthese Schwenkers nähren. Nach dem ersten Verhandlungstag kündigt Schwenker weitere entlastende Details an. „Es wird noch die eine oder andere Überraschung geben.“

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