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Sport: Am Anfang der Aufklärung

Der Radsport steht vor weiteren Enthüllungen – und einer Neubewertung

Berlin - Heute nachmittag ist der nächste an der Reihe. Bjarne Riis, heute Chef des dänischen Radrennstalls CSC, tritt vor die Presse. Auch er, der 1996 für das Team Telekom die Tour de France gewann, hat bisher geleugnet, gedopt zu haben. Dabei wird er in dem Enthüllungsbuch des ehemaligen Telekom-Pflegers Jef d’Hondt, der die Welle der Geständnisse ausgelöst und letztlich auch Erik Zabel dazu gebracht hat, sich nun zu outen, Riis schwer belastet. Sollte Riis heute ebenfalls Doping gestehen, würde die Affäre noch einmal eine andere Dimension bekommen, die über Deutschland hinausreicht. Schließlich zählt Riis als Betreiber des CSC-Rennstalls zu den Leuten im internationalen Radsport, die konkret darüber entscheiden, wie mit dem Doping der Vergangenheit und der Gegenwart in der Praxis derzeit umgegangen wird.

Die Folgen für die gestern geständigen Fahrer sind noch nicht absehbar. Rolf Aldag darf Teamchef beim jetzigen T-Mobile-Team bleiben und soll weiter verantwortlich dafür sein, das ambitionierte Anti-Doping-Programm des Rennstalls in die Tat umzusetzen. Was aus seinem Ruf als tapfer arbeitender Helfer für Jan Ullrich wird, ist eine andere Sache. Erik Zabel sagte: „Ich lege meine Zukunft in ihre Hände.“ An wen diese Geste adressiert war, ließ er weitgehend offen, auf jeden Fall meinte er auch die Sportgerichtsbarkeit. Konkret muss der 36 Jahre alte Zabel zum Beispiel um seine Nominierung für die Heim-WM in Stuttgart im September fürchten. Der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) Rudolf Scharping sprach sich gegen eine generelle Amnestie für geständige Fahrer aus. Dopingvergehen noch aktiver Fahrer verjähren nach acht Jahren, die nicht mehr aktiver Fahrer nach fünf Jahren. Aldag, der seine Karriere 2006 beendet hat, sagte gestern, dass er 2002 mit dem Doping aufgehört habe.

Nach den ehemaligen Telekom-Profis Bert Dietz und Christian Henn haben inzwischen auch Udo Bölts und Brian Holm gestanden, mit Epo gedopt zu haben. Der ehemalige Fahrer Uwe Raab sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“, dass ihn die Teamleitung in den Neunzigerjahren zur Leistungssteigerung Doping angeboten haben. Raab lehnte ab, „was meine Karriere besiegelte“.

Bis Ende Mai könnten sich geständige Fahrer melden und mit einem gewissen Entgegenkommen rechnen, sagte Scharping. BDR-Leistungssportdirektor Burckhard Bremer ließ durchblicken, dass Zabels einwöchiges Dopen mit Epo vor zehn Jahren milde behandelt werden dürfte. Bei der Prüfung der Einzelfälle spiele „es eine Rolle, wie sehr die Fahrer bei der Aufklärung von Verhaltensweisen und Hintergründen helfen“, sagte Bremer dem Tagesspiegel.

Zabels Team Milram will mit ihm ein „klärendes Gespräch“ führen und danach eine Entscheidung bekannt geben. Zabel sagte, dass er nicht wisse, welche Konsequenzen sein Geständnis haben werde.

Solche muss weiterhin auch Jan Ullrich fürchten, der 1997, ein Jahr nach Bjarne Riis und inmitten der Hochphase des Epo-Dopings bei Telekom, die Tour gewann. Bei seiner Verteidigung muss er ab sofort auf seinen Anwalt Peter-Michael Diestel verzichten. Er legte gestern sein Mandat ohne nähere Angaben von Gründen nieder. Noch am Morgen hatte Diestel in einem Interview mit dem ZDF erklärt, dass er Ullrich durch die Geständnisse der anderen Fahrer entlastet sehe. Die Ermittlungen wegen Betrugs zum Nachteil von Telekom seien hinfällig, wenn Doping übliche Praxis war. Heute redet Riis, Ullrich schweigt weiter.

Wie Aldag und Zabel ihre Vergangenheit erklären: Seite 3

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