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Sport: Am Beispiel des Hummers

Natürlich hat Holger Stanislawski geweint. Mit seinem Abschied bei St.

Natürlich hat Holger Stanislawski geweint. Mit seinem Abschied bei St. Pauli beendet der 41-Jährige auch einen Lebensabschnitt. Er verlässt seinen Herzensverein nach 18 Jahren. Stanislawski und St. Pauli – das war eine der letzten Symbiosen im deutschen Profifußball. Im Umfeld des Kultklubs wurde Stanislawski, als Spieler immerhin Weltpokalsiegerbesieger, zum Kulttrainer. Das Millerntor war dabei lange der perfekte Resonanzraum für seine persönlichen Eruptionen an der Seitenlinie.

Und doch ist sein Abschied durchaus nachvollziehbar. Er entspricht der Häutung eines Hummers, der aus seiner einstmals passenden Schale schlicht heraus gewachsen ist und diese nun abstreifen muss. Denn Stanislawski besitzt, anders als ein Großteil seines Kaders, die Qualität, auch bei einem Verein im gehobenen Mittelfeld der Liga zu bestehen.

St. Paulis Rückkehr in die Bundesliga wäre ohne Stanislawski kaum denkbar gewesen. Er hatte dem siechen Verein neues Leben eingehaucht. Doch Stanislawski ist mehr als nur emotionaler Grenzgänger. 2008 schloss er den Fußballlehrer-Lehrgang in Köln als Jahrgangsbester ab. Und gehört zu jener Trainergeneration, die den Fußball als emotionales Planspiel begreift, mit der Taktiktafel unter dem Arm und dem Megaphon in der Hand. Das weckt, automatisch, Begehrlichkeiten. Bei anderen Vereinen, aber auch bei Stanislawski selbst.

Einer wie er kann sich auf Dauer nicht damit zufrieden geben, kultig im Fahrstuhl festzustecken. Dafür ist er zu gut. Für den Verein ist sein Abgang deshalb natürlich ein Rückschlag (noch dazu, wenn er tatsächlich nach Hoffenheim zieht, in die Gegenwelt des Kults). Für Stanislawski jedoch fällt die Entscheidung für eine Karriere ohne permanenten Totenkopfstempel gerade noch rechtzeitig. Und wie gut einem Trainer Emanzipation vom Herzensverein tun kann, zeigt das Beispiel Jürgen Klopp. Der hatte Mainz 2008 verlassen. Nach 18 Jahren. Unter Tränen.

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