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In Tieflage. Hamburgs Stefan Schröder (vorn) hat sich gegen Berlins Colja Löffler durchgesetzt. Foto: dpa

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Sport: Am Ende liegt Hamburg vorn

In einer dramatischen Schlussphase verspielen die Füchse die Qualifikation zur Champions League.

Im Handball verhält es sich ebenso wie in anderen Mannschaftssportarten, die Überzahlsituationen ermöglichen: Mehr Spieler auf dem Feld sind nicht zwangsläufig mit einem Vorteil gleichzusetzen, vor allem unter psychologischen Gesichtspunkten. Diese bittere Erfahrung haben gestern Abend auch die Füchse Berlin gemacht. Im Qualifikations-Rückspiel zur Champions League lief die 56. Minute, als HSV-Spielmacher Domagoj Duvnjak vom Feld geschickt wurde, die Berliner führten nach einem Remis im Hinspiel (30:30) mit 26:24, sie besaßen in diesem Moment alle Möglichkeiten auf die dritte Qualifikation in drei Jahren – und scheiterten doch noch dramatisch.

In einer an Hektik schwer zu überbietenden Schlussphase gab die Mannschaft von Trainer Dagur Sigurdsson ein Spiel aus der Hand, das sie 56 Minuten lang kontrolliert hatte. 27:26 (10:14) hieß es nach 60 Minuten für die Hamburger. „Für mich hat der HSV dieses Spiel glücklich gewonnen, wir waren nicht die schlechtere Mannschaft“, sagte Sigurdsson. „Ich bin sehr stolz, wie sich meine Mannschaft in den ersten beiden Saisonspielen präsentiert hat“, ergänzte der Isländer. „Handball ist ein Spiel, in dem am Ende Kleinigkeiten entscheiden“, analysierte derweil Hamburgs Trainer Martin Schwalb, „heute ist das zu unseren Gunsten passiert.“

Nach den öffentlichen Streitigkeiten der Klubpräsidenten in den vergangenen Tagen hatten sich die Hamburger zunächst eine kleine Frechheit mit ihren Gästen erlaubt. Als die Berliner in die mit 6620 Zuschauern nicht einmal zur Hälfte gefüllte Arena einliefen, wurden sie mit einer Zeile der Berliner Band „Seeed“ begrüßt: „Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein.“ Auf dem Feld ging es in Anbetracht der Bedeutung des Spiels jedoch überaus fair zu – die Schiedsrichter verhängten die erste Zeitstrafe erst nach 37 Minuten. Aber von vorn.

Dagur Sigurdsson hatte seine Startformation im Vergleich zum Hinspiel lediglich auf der Rechtsaußenposition verändert, wo Mattias Zachrisson für Markus Richwien begann. Bei den Hamburgern durfte Torsten Jansen von Beginn an mitwirken, den der HSV in Berlin draußen gelassen hatte. Jansen war in der vergangenen Saison mit einem brutalen Kopfstoß gegen den damaligen Füchse-Linksaußen Ivan Nincevic unangenehm aufgefallen.

Im Gegensatz zur Partie 48 Stunden zuvor fanden die Berliner diesmal allerdings gut ins Spiel, das galt besonders für Silvio Heinevetter. Der Nationaltorhüter hatte nach einer Viertelstunde bereits mehr Bälle gehalten als im gesamten Hinspiel, zur Halbzeit waren es sensationelle 12. Zudem leitete Heinevetter mit riskanten Pässen zahlreiche Gegenstöße der Berliner ein, die bevorzugt von eben Zachrisson und Fredrik Petersen abgeschlossen wurden, der erst im Sommer aus Hamburg zu den Füchsen gewechselt war. Nach 18 Minuten führten die Gäste mit 9:5, zur Halbzeit betrug ihr Vorsprung nach einem Treffer Iker Romeros in der Schlusssekunde ebenfalls vier Treffer: 14:10.

In der zweiten Halbzeit verkürzten die Hamburger den Rückstand kontinuierlich, wobei sie von ihrem breiteren und fast ausschließlich mit Nationalspielern besetzten Kader profitierten. Der erstmalige Ausgleich gelang dem HSV jedoch erst in der 58. Minute. Es war der psychologische Wendepunkt. In den Schlussminuten brachen die Füchse schließlich unter dem Lärm der Halle und der Situation im Allgemeinen ein. „Ich weiß auch nicht, was bei uns in den letzten Minuten schief gelaufen ist“, sagte Sigurdsson – und dass er sich die Vorkommnisse noch einmal auf Video ansehen wolle.

Durch den knappen Sieg hat sich Champions-League-Sieger HSV nun die Möglichkeit erarbeitet, seinen Titel zu verteidigen. Die Berliner dagegen müssen im eher zweitklassigen EHF-Cup antreten. Wie groß die Diskrepanz zwischen den Wettbewerben ist, lässt sich schon an der Rolle ableiten, die den Berlinern zugeschrieben wird und die sich sich auch selbst zuschreiben. Als teilnehmender Bundesligist zählen Füchse automatisch zu den Favoriten im EHF-Cup – auch wenn nach dem dramatischen Abend von Hamburg verständlicherweise niemand darüber reden wollte.

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