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Sport: Am Rande der Perfektion

Thomas Haas führt das deutsche Daviscup-Team ins Viertelfinale

Manchmal hat es den Anschein, als ob Boris Becker den Vorrat an Emotionen schon in seinem ersten Berufsleben komplett aufgebraucht hätte. Der ewige deutsche Tennis-Held sitzt in der Krefelder Eishalle gleich hinter dem Schiedsrichter, doch wenn um ihn herum der ganze Saal tobt und „Tommy! Tommy!“ ruft, reckt Becker nur ein wenig das Kinn. Die Beine übereinander geschlagen oder die Arme verschränkt, sitzt er da: Buddha Becker. Der Mann hat eben ganz andere Zeiten erlebt. Vor allem hat er dem deutschen Tennis die wirklich großen Momente beschert. Immerhin hat das deutsche Daviscup-Team dank Thomas Haas die Möglichkeit, wenigstens mal wieder in die Nähe der großen Spiele zu gelangen. Mit seinem Dreisatzsieg gegen den Kroaten Ivan Ljubicic machte Haas vorzeitig den Sieg des deutschen Teams perfekt. Zum ersten Mal seit 2001 steht das deutsche Team wieder im Viertelfinale, in dem sie vom 6. bis 8. April auf Belgien trifft, das Australien 3:2 bezwang.

Zumindest erhob sich Boris Becker applaudierend von seinem Platz, als Haas nach zwei Stunden und 20 Minuten seinen ersten Machtball mit einem Ass zum 6:2, 7:6, 6:4 verwandelte und das deutsche Team uneinholbar 3:1 in Führung brachte. Im bedeutunglosen letzten Einzel unterlag Benjamin Becker dem Kroaten Marin Cilic 4:6, 6:1, 1:6.

Haas war zuvor schon von seinen Teamkollegen Alexander Waske und Michael Kohlmann auf die Schulter genommen und um den Platz getragen worden. Als Haas wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wollte er zum Dank für die Unterstützung einen Tennisball ins Publikum werfen, er traf einen Zuschauer mit voller Wucht im Gesicht. Selbst an einem solchen Tag kann nicht alles klappen. Dafür hatte sich Haas’ Vortrag gegen den Weltranglisten-Achten Ljubicic am Rande der Perfektion bewegt. „Ich bin sehr stolz auf meine Leistung“, sagte der 28-Jährige. „Es tut verdammt gut.“

Kapitän Kühnen bescheinigte seiner Nummer eins „zwei absolute Weltklasse-Matches“, und auch Ivan Ljubicic musste die Überlegenheit seines Gegners anerkennen: „Er war zu stark für mich.“ Die Niederlage beendete auch die erfolgreiche Daviscup-Karriere des Kroaten. 2005 hatte Ljubicic sein Team zum Titel geführt, nach dem Misserfolg von Krefeld erklärte der 27-Jährige, er werde 2008 nicht mehr im Daviscup antreten, allenfalls noch im Herbst in der nun fälligen Relegationsrunde.

Ljubicic hat sich diesen Schritt gut überlegt, aber die Entscheidung wäre auch verständlich gewesen, wenn er sie spontan und allein aus Frustration über die Niederlage gegen Haas getroffen hätte. Mitte des ersten Satzes ließ sich der Kroate nach einem Schlag ins Netz zwei Bälle geben, um sie auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen. An den Bällen lag es nicht. Es lag an Ljubicic selbst und seinem fehlerhaften Spiel, vor allem aber an der überragenden Leistung seines Gegners.

Alle statistischen Daten untermauerten die Dominanz des Siegers: Ljubicic machte insgesamt 76 Punkte, Haas 103. Bei eigenem Aufschlag gab der Deutsche lediglich zehn Punkte ab, eine Breakchance bekam Ljubicic im ganzen Match nicht. Haas sagte: „Wir wollten den Sieg ein bisschen mehr als die Kroaten. Das hat sich ausgezahlt.“

Haas ist jetzt 28, und vermutlich wird ihm langsam bewusst, dass ihm nicht mehr viele Möglichkeiten bleiben, im Daviscup doch noch Geschichte zu schreiben. Weiter als bis ins Viertelfinale hat er es nie geschafft. Auch deshalb sagt er: „Wir wollen noch nicht zu viel feiern.“

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