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Sport: Am Sieg vorbei

Hertha BSC geht in Mönchengladbach in Führung – und schafft doch wieder nur ein Unentschieden

Mönchengladbach. Hans Meyer bewahrte in der Extremsituation die Ruhe. Um ihn herum tobte Herthas Funktionsteam, doch Meyer, der Chef, blieb einfach auf seinem Stuhl sitzen, nahm eine Wasserflasche vom Boden, spreizte den kleinen Finger und sog einen tiefen Schluck ein. Gerade hatte Roberto Pinto den Berliner Fußball-Bundesligisten 1:0 in Führung geschossen. Hans Meyer zeigte keine Regung.

Man kann aus dieser Reaktion vieles herauslesen. Zum Beispiel eine aus früheren Erfahrungen geborene Skepsis. Wenn Hertha BSC schon in der neunten Minute in Führung geht, heißt das noch lange nicht, dass die Mannschaft das Spiel auch gewinnt. Neunmal schon in dieser Saison gelang ihr das nach einem 1:0 nicht. Und gestern auf dem ausverkauften Bökelberg folgte das zehnte Mal. Vier Minuten vor Schluss dribbelte sich Joris van Hout durch den Berliner Strafraum, spielte Arie van Lent an, und dessen Ablage spitzelte Ivo Ulich zum 1:1-Endstand ins Tor.

Mit einem Sieg hätte Hertha BSC die Abstiegsplätze verlassen können; durch das Unentschieden aber hat sich die Tabellensituation für die Berliner nicht entscheidend verbessert.

Man hätte aus Meyers verhaltener Reaktion nach dem Führungstreffer auch eine gewisse Verbundenheit mit dem Gegner herauslesen können. Fast dreieinhalb Jahre hat er als Cheftrainer bei den Borussen gearbeitet, und als er aufhörte, verkündete Meyer, er werde sich fortan nur noch um die Rosen im heimischen Garten kümmern. „Hans! Das sind aber seltsame Rosen“, stand auf einem Transparent in der Gladbacher Fankurve. Trotz aller Irritationen aus der Vergangenheit wurde Meyer auf dem Bökelberg wie ein alter Freund empfangen.

Dass er das Stadion am Ende nicht als Sieger verließ, verschlechterte seine Sympathiewerte in Gladbach zumindest nicht. In der zweiten Halbzeit spielten die Berliner so, als wollten sie ihrem Trainer bei seinen früheren Mitarbeitern keine Scherereien bereiten. „Da haben wir ganz einfach zu wenig gemacht“, sagte Meyer. Der Ausgleich sei fast eine Frage der Zeit gewesen, „nur der Zeitpunkt selbst war eher unglücklich“.

Nach der Halbzeitpause brachten die Berliner keine einzige gefährliche Offensivaktion mehr zu Wege. Marcelinho geisterte orientierungslos über den Platz und gewann fast keinen Zweikampf. „Ich sage generell nichts zu einzelnen Spielern“, sagte Manager Dieter Hoeneß, „es sei denn, sie haben überragend gespielt.“ Den einzigen lichten Moment hatte Marcelinho, als er mit einem schnellen Einwurf den Führungstreffer von Roberto Pinto einleitete. Die Gladbacher bemängelten hinterher, dass sie eigentlich den Einwurf hätten bekommen müssen. Wie auch immer – das 1:0 war der gerechte Ausdruck einer deutlichen Überlegenheit der Berliner in der Anfangsphase. „Ich glaube, dass wir die Gladbacher in den ersten 20, 25 Minuten ein bisschen überrascht haben“, sagte Meyer. Statt drei Stürmer hatte Herthas Trainer mit Nando Rafael nur einen echten Angreifer aufgeboten, auf den Außenpositionen Roberto Pinto und Marcelinho eingesetzt und Andreas Neuendorf ein wenig zurückhängend zur Unterstützung im Mittelfeld. Neuendorf hatte nach zwanzig Minuten die große Chance, das Spiel früh zu entscheiden, als er den Ball nach einem Zuspiel von Arne Friedrich frei vor Gladbachs Torhüter Jörg Stiel knapp vorbei schoss. „Das wäre der Klassiker gewesen“, sagte Manager Hoeneß.

So aber wurde es wieder nur ein Spiel, das Hertha aus der Hand gegeben hat. Zudem mussten die Berliner Nando Rafael schon in der ersten Halbzeit und Dick van Burik nach der Pause wegen Verletzungen ersetzen. Rafael brach sich bei einem Kopfballduell mit Jeff Strasser das Jochbein und wurde noch in Mönchengladbach operiert, van Burik zog sich im linken Knie eine Innenbanddehnung zu. „Uns bleibt nichts erspart“, sagte Dieter Hoeneß.

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