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Neu ausholen. Michael Vick (in Grün) saß wegen der Beteiligung an illegalen Hundekämpfen 23 Monate im Gefängnis. Heute engagiert sich Philadelphias Quarterback gegen Tierquälerei, doch nicht alle Fans sind von seinem Sinneswandel überzeugt.

© Reuters

American Football: Ein Henker als Heilsbringer

Amerikas Football-Fans debattieren über Michael Vick. Der verurteilte Tierquäler gibt sich geläutert, doch nicht jeder traut ihm.

Berlin - Als es keinen Ausweg mehr gab, versuchten es die Fans der Philadelphia Eagles mit Humor. Sie malten Bilder von verängstigten Hunden und schrieben darüber „Hide your beagle, Vick is an Eagle“. Philadelphias Hundehalter sollten ihre Lieblinge verstecken, so die Botschaft, denn das Böse war auf dem Weg in die Stadt. An jenem Spätsommertag 2009 hatten die Philadelphia Eagles, ein an Tradition reicher aber an Erfolgen umso ärmerer Verein aus der National Football League (NFL), die Verpflichtung von Michael Vick bekannt gegeben. Wut und Enttäuschung lagen dicht beieinander und ganz Philadelphia war aus Ärger über Vicks Ankunft auf den Beinen.

Dass niemand den einstigen Star in der Stadt haben wollte, hatte seinen Grund: Vick war erst kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden. 23 Monate saß der Quarterback ein, weil ihm die Staatsanwaltschaft eine Beteiligung an illegalen Hundekämpfen nachweisen konnte. Heute jubeln viele von denen Vick zu, die vor einem Jahr gegen seine Verpflichtung protestiert hatten. In Philadelphia sind alle wild auf die Eagles und der Grund ist: Michael Vick. Der athletische Spielmacher spielt so gut wie nie zuvor und führt sein Team von Sieg zu Sieg. „Er ist unglaublich“, sagt Jonathan Tamari. Der Journalist vom „Philadelphia Inquirer“ findet, „momentan gibt es niemanden in der Liga, der besser ist.“ Vor einer Woche gewann Philadelphia mit 59:28 in Washington, dabei warf Vick vier Touchdownpässe und erlief zwei weitere Touchdowns selbst. Die Eagles liegen dank Vick in ihrer Division mit sieben Siegen aus zehn Spielen vorn und ganz Philadelphia träumt vom Gewinn der ersten Meisterschaft.

Doch nicht alle sind glücklich. Unter den Jubel um Vick und seine Heldentaten mischt sich eine Debatte über Vergebung und Vergessen, Schein und Wirklichkeit. Es gibt nicht Wenige, denen die Heroisierung von Vick wie ein übler Scherz vorkommt. Als dieser im Dezember 2007 verurteilt wurde, schien seine Karriere als Footballprofi beendet. Darüber freuten sich viele Amerikaner. Zu grausig waren die Details, welche im Laufe des Prozess an die Öffentlichkeit kamen. Der damals 27-Jährige gestand, auf seinem Anwesen in Virginia Hunde für brutale Kämpfe mit Artgenossen abgerichtet zu haben. Vick wettete auf den Ausgang der Kämpfe, verlor eines seiner Tiere, wurde es von dem 100 Kilo schweren Hünen persönlich gequält: mit Elektroschocks etwa. Wahlweise erschlug Vick die Hunde auch oder er erhängte sie. Die Kämpfe waren für ihn nur ein Zeitvertreib, bei den Wetten ging es lediglich um fünfstellige Dollarbeträge. Geld verdiente Vick mit den Wetten keines. Das musste er auch nicht: Die Atlanta Falcons hatten Vick mit einem Vertrag über 130 Millionen Dollar ausgestattet. Später sollten die Falcons einen Großteil des bis dahin gezahlten Geldes wieder zurück fordern – mit Erfolg.

Pleite und sich seiner misslichen Lage bewusst, gab Vick im Gefängnis den Geläuterten. Er wurde religiös, und macht sich nun ausgerechnet gegen Hundekämpfe stark. Vick geht in Schulen und hält dort Vorträge gegen Tierquälerei, selten gab es einen größeren Tierfreund in der Stadt – scheint es. Einigen kommt dieser Sinneswandel scheinheilig vor, sie vermuten hinter Vicks Handeln kühle Berechnung und eine geschickte PR-Strategie. Andere finden, es wäre nun Zeit, Vick zu vergeben und ihn nicht auf seine Vergangenheit zu reduzieren. Vor allem in Philadelphia finden viele, Vick hat eine zweite Chance verdient. Der Sinneswandel der Fans überrascht Tamari nicht. Er sagt: „Je erfolgreicher jemand ist, desto mehr neigen wir dazu, ihm zu vergeben. Vor allem im Sport.“ Tamari selbst will sich davon nicht ausnehmen, auch er ist begeistert von den sportlichen Leistungen des Quarterback. Ob Vicks Gesinnungswandel tatsächlich echt ist, kann auch Tamari nicht sagen: „Niemand weiß, was wirklich in ihm vorgeht.“

Am 6. Februar 2011 steigt in Arlington der Super Bowl, das Endspiel der Football-Meisterschaft. Sollten die Eagles dort den Titel gewinnen, werden die Menschen in Philadelphia wieder auf die Straße gehen. Dann nicht um zu protestieren, sondern um zu feiern. Nichts lässt so schnell vergessen wie der Erfolg.

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