zum Hauptinhalt
Mann sucht Klub. Colin Kaepernick hat sich in der NFL nicht nur Freunde gemacht.

© AFP/Ehrmann

American Football: NFL-Profi Kaepernick: Keine Hymne, kein Job

Weil er als unpatriotisch gilt, will kein Team in der National Football League (NFL) Quarterback Colin Kaepernick verpflichten.

Acht Millionen Dollar sollen es also sein, pro Saison versteht sich. Darunter ist nichts zu machen, das hat Adrian Peterson erst neulich wieder klargestellt. Der Running Back der Minnesota Vikings ist einer der größten Namen der sogenannten „Free Agency“, jener Zeit also, in der sich Spieler aus der National Football League (NFL) auf die Suche nach dicken neuen Verträgen machen dürfen. Phasenweise bemühte sich ein halbes Dutzend Teams um Peterson, dessen sportlicher Wert selbst im reifen Alter von 32 Jahren außer Frage steht.

Bei allem verständlichen Wechsel-Tratsch ist es zumindest erstaunlich, dass Petersons Vorgeschichte mit keiner Silbe Erwähnung findet: 2014 wurde der Superstar wegen Kindesmisshandlung verurteilt, ein spätes Geständnis bewahrte ihn vor einer Haftstrafe. Aber über solche Fälle sehen sie die NFL-Klubs gern mal hinweg, wenn es darum geht, den eigenen Kader um jeden Preis zu verstärken. Quarterback Michael Vick erhielt selbst nach einer Gefängnisstrafe wegen illegaler Hundekämpfe eine zweite Chance in der Liga – die Fans der Philadelphia Eagles reagierten mit einem legendären Plakat: „Hide your beagle, Vick is an Eagle.“

Einzig im Fall Colin Kaepernick lassen die NFL-Oberen bislang wenig Nachsicht walten – dabei hat sich der ehemalige Quarterback der San Francisco 49ers nach seiner selbst gewählten Vertragsauflösung rein juristisch nichts zu schulden kommen lassen. Kaepernicks vermeintliche Verfehlung liegt vielmehr darin, in den USA eine Kontroverse losgetreten zu haben, die die Schlagzeilen bestimmte und sogar zum Wahlkampf-Thema taugte: Aus Protest gegen politische Verhältnisse und alltäglichen Rassismus weigerte sich Kaepernick zu Beginn der vergangenen Saison, bei der Nationalhymne aufzustehen und diese mitzusingen – für US-Amerikaner eine riesige Beleidigung.

Deshalb sehen viele einen unmittelbaren Zusammenhang darin, dass Kaepernick bis heute verzweifelt einen neuen Verein sucht. Prominente Fürsprecher deuten das Desinteresse am 29 Jahre alten Spielmacher als verspätete Retourkutsche. „Ich bin überzeugt davon, dass er von den Klubs abgelehnt wird“, sagt Star-Verteidiger Richard Sherman von den Seattle Seahawks. „Für mich ist das hart zu ertragen, weil er auf so hohem Niveau gespielt hat“, ergänzt Sherman, „und dann sieht man Quarterbacks mit neuen Vereinen, die das nie geschafft haben.“

So offen wie Sherman sagt das natürlich kein NFL-Besitzer, aber der Verdacht der Ausgrenzung liegt einigermaßen nahe bei einem Blick auf die Mehrheitsstruktur der Profi-Klubs: Bis heute gibt es keinen einzigen schwarzen Besitzer, die Klub-Eigner entsprechen ziemlich genau dem Bild des aktuellen Präsidenten Donald Trump, der immer wieder gern gegen Kaepernick schießt: Es sind überwiegend alte, weiße, schwerreiche und konservative Männer mit ausgeprägter Geltungssucht. Ihr Argument lautet: Kaepernick habe schlichtweg nicht mehr das sportliche Niveau der vergangenen Jahre und sei nur auf einen möglichst gut dotierten Vertrag aus. Adrian Peterson lässt grüßen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false