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Sport: An der Schwelle zum Abheben

Philipp Kohlschreiber wähnt sich nach seinem jüngsten Sieg vor großen Erfolgen bei den Australian Open

Die Kulisse war beschaulich, vor der Philipp Kohlschreiber am Sonntagmittag seine erste Trainingseinheit im Melbourne Park absolvierte. Kohlschreiber drosch die Bälle so schonungslos übers Netz, als ginge es für ihn immer noch um Titel und Ranglistenpunkte. Dabei war der Jubel von mehreren tausend Zuschauern seit fast 24 Stunden wieder verklungen. In Auckland hatte sich Kohlschreiber mit einem Zweisatzerfolg über den Spanier Juan Carlos Ferrero den zweiten Turniersieg seiner Karriere gesichert.

Wie viel Bestätigung er aus diesem Triumph mitnahm, war Kohlschreiber überdeutlich anzusehen. An Selbstbewusstsein mangelte es dem 24-jährigen Augsburger nie, doch seine Körpersprache ließ keinen Zweifel mehr zu, dass er sich an der Schwelle zu weit größeren Erfolgen glaubt. „Besser geht es einfach nicht. Meine Leistung stimmt und es passt jetzt alles. Ich bin so was von ready für die Australian Open“, sagte Kohlschreiber. Nach der verletzungsbedingten Absage von Thomas Haas ist er der am höchsten platzierte der acht deutschen Spieler und der einzige, der beim ersten Grand-Slam- Turnier des Jahres gesetzt ist.

Dass ihm die Rolle des Anführers ein wenig früher als erwartet zukommt, stört Kohlschreiber keineswegs. Im Gegenteil, er rechnet fest damit, diese Position bald dauerhaft einnehmen zu können: „Ich will die Nummer eins in Deutschland werden. Es ist ein schönes Gefühl, der Führungsspieler zu sein. Das kann ich jetzt schon mal üben“, fügte Kohlschreiber hinzu.

Ab Montag wird er auf Platz 27 der Rangliste geführt werden, der bisher besten Platzierung seiner Karriere. Der Augsburger sieht es als Lohn für die harte Arbeit der letzten Monate, die er seit dem Winter mit seinem neuen Trainer Martin Geserer absolviert. Doch viel Zeit, den Ruhm zu genießen, kann und will sich Kohlschreiber nicht nehmen: „Ich habe am Samstag den Sieg sehr genossen, aber jetzt konzentriere ich mich nur noch darauf, meinen ersten Gegner wegzuhauen.“ Diese Rolle kommt am Montag in der ersten Runde von Melbourne dem Kroaten Roko Karanusic zu, der Nummer 135 der Welt.

Kohlschreibers Optimismus entbehrt durchaus nicht jeder Grundlage. Auch im vergangenen Jahr hatte Kohlschreiber im Vorfeld große Töne gespuckt, sie aber zum Großteil bestätigen können. Damals bot er in der zweiten Runde von Melbourne dem Weltranglistenzweiten Rafael Nadal ein Duell auf Augenhöhe, unterlag jedoch in vier Sätzen. Anders verhielt es sich dagegen, nachdem er im Mai 2007 in München seinen ersten Turniersieg errungen hatte. Kohlschreiber stieg der Erfolg zu Kopf, er schielte bereits vor dem ersten Match auf das Viertelfinale, hielt sich insgeheim für unbezwingbar. Die Folge waren frühe Niederlagen und schwache Ergebnisse, besonders die Leistungen in Roland Garros und Wimbledon brachten ihm harte Kritik ein. Bei den US Open im Herbst gab sich Kohlschreiber schließlich geläutert und gestand ein, nach dem ersten Turniersieg ein wenig die Bodenhaftung verloren zu haben.

Gleiches könnte ihm nun allerdings erneut blühen. Denn bei den Australian Open will Kohlschreiber in die Fußstapfen von Thomas Haas zu treten, der 2006 dort das Halbfinale erreichte. „Warum sollte ich das nicht auch schaffen? Ich traue es mir zu.“ In der dritten Runde würde mit dem US-Amerikaner Andy Roddick allerdings der Weltranglistensechste auf ihn warten. Dem unterlag Kohlschreiber 2005 im Achtelfinale – es war sein bisher bestes Ergebnis bei einem Grand-Slam-Turnier.

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