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Sport: An die Spitze rotiert

Beim HSV hat niemand seinen Stammplatz sicher

Von Karsten Doneck, dpa

Hamburg - Bastian Reinhardt trabte auf den Platz, blieb schon nach ein paar Metern wieder stehen, drehte sich um und suchte Rat bei einem der zahlreichen Assistenztrainer, die der Fußball-Bundesligist Hamburger SV derzeit beschäftigt. Nach kurzem Gespräch begann er sein Aufwärmprogramm für das Spiel beim VfL Wolfsburg. Sein Verhalten erweckte den Eindruck, als wüsste der Abwehrspieler mit seiner Rolle als Reservist nichts rechtes anzufangen. Reinhardt ist normalerweise Stammspieler in der Viererabwehrkette, doch Stammspieler – gibt’s die beim HSV eigentlich noch? Seit Martin Jol in Hamburg als Trainer das Sagen hat, gilt das Rotationsprinzip. Es ist ein bisschen wie beim Mensch-ärgere-Dich- nicht-Spiel: Jeder muss mal raus. Daran wird sich gewiss auch nichts ändern, wenn der HSV versucht, morgen (18 Uhr) im Uefa-Pokal bei Unirea Uziceni ein besseres Resultat als das 0:0 vom Hinspiel zu erzielen.

Die Spieler, die mal aussetzen müssen, murren nicht. Noch nicht. „Wenn man einen guten Kader hat, sind solche Dinge völlig normal“, sagt Mittelfeldspieler David Jarolim. Und: „Es beschwert sich ja auch keiner darüber.“ Zuletzt im Bundesliga-Heimspiel setzte Jol überraschend Paolo Guerrero und Piotr Trochowski auf die Bank, brachte dafür Thiago Neves und Ivica Olic. Vier Tage zuvor, beim 2:0 im Pokal gegen Bochum, war Olic noch Ersatz, dafür spielte erstmals Mladen Petric von Anfang an. So geht das jetzt fortwährend beim HSV: rein, raus.

In Wolfsburg, bei der bisher einzigen Saisonniederlage der Hamburger (0:3), hatte Jol die Abwehr neu formiert. Reinhardt, in den Spielen zuvor absolut zuverlässig in der Innenverteidigung, blieb draußen. Der für ihn gekommene Brasilianer Alex Silva sah bei zwei der drei Gegentore höchst unglücklich aus. Das wiederum setzte Jol nach dem Abpfiff unter Rechtfertigungsdruck. „Ich muss doch irgendwie anfangen, die neuen Spieler zu integrieren, damit kann ich doch nicht bis Weihnachten warten“, sagte der niederländische Trainer.

Für Mladen Petric, Marcell Jansen, Thiago Neves und Alex Silva hat der HSV insgesamt rund 28 Millionen Euro ausgegeben. Aus finanziellen Erwägungen heraus wurden diese Einkäufe aber erst möglich, nachdem die Transfers von Rafael van der Vaart (zu Real Madrid) und Vincent Kompany (zu Manchester City) perfekt waren. Erst als die Saison bereits begonnen hatte, hatte der HSV seinen jetzigen Kader komplett beieinander. Zeit zum Einspielen blieb also nicht. Trotzdem ist der HSV Bundesliga-Tabellenführer, und selbst Jol findet es „eigentlich unglaublich, dass wir so gut dastehen“. Karsten Doneck

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