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© dpa

Analyse: Eishockey: Die große Turniervorschau

Heute gehen die olympischen Spiele erst so richtig los, denn das mit Spannung erwartete Eishockey-Turnier der Männer beginnt. Wer die Favoriten sind, auf welche Stars Sie achten sollten und ob mit der deutschen Mannschaft zu rechnen ist, erfahren Sie in einer ausführlichen Vorschau - inklusive Umfage und Fotostrecke.




KANADA

(Vorrunde: - NOR, 17.2., 1.30 Uhr, - SUI, 19.2., 1:30 Uhr, - USA, 22.2., 1:40 Uhr)*

  • Olympia-Historie: 7 x Gold, letzte drei Turniere: 1998 = 4., 2002 = Gold, 2006 = 7.
  • Coach: Mike Babcock
  • Wichtigster Spieler: Sidney Crosby
  • Prognose: Goldfavorit Nr. 1

Alles andere als Gold wäre eine Enttäuschung für "Team Canada" und vor allem für die Millionen Fans im Gastgeberland. Die Hoffnungen ruhen dabei insbesondere auf Sidney Crosby, der seine ersten olympischen Spiele bestreitet und auf dem ein fast unmenschlicher Druck lastet. Der 22-Jährige hat allerdings in seiner noch jungen Karriere gezeigt, dass er starke Nerven hat. Mit seinem NHL-Klub Pittsburgh Penguins wurde er in der vergangenen Saison Meister. Mike Babcock, der Trainer seines damaligen Finalgegners Detroit Red Wings, ist jetzt sein Coach im Nationalteam. Als General Manager fungiert mit dem aus British Columbia stammenden Steve Yzerman ebenfalls eine Red-Wings-Legende. Gemeinsam haben sie eine kanadische Mannschaft zusammengestellt, die mit NHL-Stars gespickt ist. Neben Crosby sind hier exemplarisch Torhüter Martin Brodeur, die Verteidiger Scott Niedermayer und Chris Pronger sowie Joe Thornton und Jarome Iginla (beide Sturm) zu nennen. Die Tiefe dürfte eine große Stärke des Teams sein, dazu kommt eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern. Normalerweise kann sich Kanada auf dem Weg ins Finale nur selbst schlagen. Doch vergangene Olympia-Turniere haben gezeigt, dass das so unwahrscheinlich gar nicht ist.


RUSSLAND (Vorrunde: - LAT, 17.2., 6 Uhr, - SVK, 19.2., 6 Uhr, - CZE, 21.2., 21 Uhr)*

  • Olympia-Historie: 8 x Gold, letzte drei Turniere: 1998 = 2., 2002 = 3., 2006 = 4.
  • Coach: Wjatscheslaw Bykow
  • Wichtigster Spieler: Alexander Owetschkin
  • Prognose: Goldfavorit Nr. 2

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlor das russische Eishockey seine internationale Spitzenposition. Zwischen 1993 und 2007 blieb die "Sbornaja" bei großen Turnieren ohne Titel. Jetzt endlich ist eine neue Generation herangewachsen, die die Gegner wieder das Fürchten lehrt. 2008 wurde Russland Weltmeister, pikanterweise durch einen spektakulären 5:4-Finalsieg nach Verlängerung in Quebec über Kanada. Im Vorjahr konnte das Team seinen Titel erneut durch einen Erfolg über die Kanadier verteidigen. Die Russen verfügen von allen Mannschaften vermutlich über die besten Individualisten. Nicht nur der explosive Alexander Owetschkin, auch Jewgeni Malkin, Pawel Datsyuk oder Ilja Kowaltschuk können ein Spiel praktisch im Alleingang entscheiden. Ein kleines Fragezeichnen steht jedoch hinter der Defensive, die im Vergleich zu der der Kanadier deutlich abfällt. Auf Torhüter Jewgeni Nabokov und Starverteidiger Sergej Gonchar dürfte gleich zu Beginn des Turniers viel Arbeit zukommen, denn die Gruppe mit Tschechien und der Slowakei ist zweifellos die stärkste in der Vorrunde. Interessant dürfte auch zu beobachten sein, wie die NHL-Spieler mit ihren Kollegen aus der russischen Heimat harmonieren. Dass die Akteure aus der KHL allerdings in der Leistungsfähigkeit deutlich zu ihren Kollegen abfallen, ist eher nicht zu erwarten. Sonst hätte Trainer Bykow einen Spieler wie den NHL-Veteran Alexej Kowalew ganz sicher nicht zu Hause gelassen.

SCHWEDEN (Vorrunde: - GER, 18.2., 1.30 Uhr, - BLR, 19.2., 21 Uhr, - FIN, 22.2., 6 Uhr)*

  • Olympia-Historie: 2 x Gold, letzte drei Turniere: 1998 = VF, 2002 = VF, 2006 = Gold
  • Coach: Bengt-Ake Gustafsson
  • Wichtigster Spieler: Nicklas Lidström
  • Prognose: Medaillenkandidat

Schweden wurde 2006 für viele überraschend Olympiasieger. Dabei verfügten die "Tre Kronors" damals über eine Mannschaft, in der viele Stars auf ihrem Leistungszenit spielten. In Vancouver stehen immer noch 13 Olympiasieger von Turin im Kader, einige von ihnen sind allerdings in die Jahre gekommen. Gemeint ist damit in erster Linie Peter Forsberg. Der inzwischen 36-Jährige bestreitet seine fünften olympischen Spiele, fiel in den vergangenen Spielzeiten aber immer wieder mit Verletzungen aus. Hinter seinem Leistungsvermögen steht daher ein großes Fragezeichen. Dennoch verfügen die Schweden über eine ganze Reihe exzellenter Stürmer: Henrik und Daniel Sedin spielen in der NHL bei den Vancouver Canucks derzeit groß auf. Gleiches gilt für Nicklas Backström, der in Washington als Vorlagengeber für Alexander Owetschkin glänzt. Weniger gut ist es um die Form und vor allem die Fitness der schwedischen Fraktion aus Detroit bestellt. Nicklas Lidström, der als Red Wing sechsmal zum besten Verteidiger der NHL gewählt wurde, steckt mit seinem Team in der Krise. Da kommt die Liga-Pause vielleicht gerade zu rechten Zeit. Und wenn eine Mannschaft den Topfavoriten Kanada und Russland bei diesem Turnier Paroli bieten kann, dann am ehesten Schweden. Schließlich wissen die meisten Spieler schon, wie man Olympiasieger wird.

FINNLAND (Vorrunde: - BLR 17.2., 21 Uhr, - GER, 20.2., 6 Uhr, - SWE, 22.2., 6 Uhr)*

  • Olympia-Historie: je 2 x Silber & Bronze, letzte drei Turniere: 1998 = 3., 2002 = VF, 2006 = 2.
  • Coach: Jukka Jalonen
  • Wichtigster Spieler: Miikka Kiprusoff
  • Prognose: Erweiterer Favoritenkreis

Mit den Finnen ist es so eine Sache: So richtig auf dem Zettel hat sie vor einem großen Turnier eigentlich niemand, doch wenn es am Ende um die Wurst geht, ist "Suomi" oft mit dabei. Nur der ganz große Wurf will meistens nicht gelingen. Nur einmal wurde Finnland Weltmeister und das ist auch schon ein paar Tage her (1995). In Vancouver können die Finnen anders als vor vier Jahren wieder auf ihren Super-Goalie Miikka Kiprusoff zurückgreifen. Damals wurde das Team dennoch Zweiter. Ist Finnland diesmal demnach noch mehr zuzutrauen? Nicht unbedingt. Einige Leistungsträger wie Saku Koivu und Teemu Selänne sind nicht mehr die Jüngsten und die Konkurrenz aus den anderen Nationen scheint diesmal noch stärker als in Turin. Wenn es allerdings darum geht, in einem Spiel das Maximale herauszuholen, ist den Finnen alles zuzutrauen. An einem guten Tag von Torhüter Kiprusoff sind sogar Siege über Kanada oder Russland möglich. Das Format des olympischen Turniers kommt den Skandinaviern also durchaus entgegen. Vielleicht kommt es daher wie so oft: Über die anderen Teams wird geredet und am Ende wundern sich die Experten, wie ausgerechnet Finnland so weit kommen konnte.

USA

(Vorrunde: - SUI, 16.2., 21 Uhr, - NOR, 18.2., 21 Uhr, - CDN, 22.2., 1.40 Uhr)*

  • Olympia-Historie: 2 x Gold, letzte drei Turniere: 1998 = 4., 2002 = 2., 2006 = 8.
  • Coach: Ron Wilson
  • Wichtigster Spieler: Ryan Miller
  • Prognose: Gefährlicher Außenseiter

Die USA schicken ein sehr junges Team zu Olympia, wobei alle 23 Akteure des Kaders in der NHL spielen. Viele der Youngster wie Patrick Kane oder Zach Parise haben großes Potenzial, doch in der Breite fehlt den US-Boys die individuelle Klasse anderer Mannschaften. Das bedeutet, dass "Team USA" wieder einmal auf die Karten Kampf und Leidenschaft setzen und über sich hinauswachsen muss, wenn es in Vancouver über die Rolle des gefährlichen Außenseiters hinauskommen will. Dazu braucht es in erster Linie einen guten Goalie und den haben die Amerikaner mit Ryan Miller von den Buffalo Sabres allemal. Er soll die Jungen gemeinsam mit den erfahrenen Spielern Brian Rafalski oder Jamie Langenbrunner führen. Ob dieses Paket allerdings ausreichen wird, um das Endspiel zu erreichen, ist eher fraglich. Aber wenn die Olympiahistorie eines gezeigt hat, dann, dass "Team USA" in Nordamerika (fast) immer zu Höchstform aufgelaufen ist. Ob sich Geschichte ein weiteres Mal wiederholt?

Tschechien (Vorrunde: - SVK, 18.2., 6 Uhr, - LAT, 20.2., 1.30 Uhr, - RUS 21.2., 21 Uhr)*

  • Olympia-Historie: 1 x Gold, letzte drei Turniere: 1998 = Gold, 2002 = VF, 2006 = 3.
  • Coach: Vladimir Ruzicka
  • Wichtigster Spieler: Jaromir Jagr
  • Prognose: Unberechenbar

Zwischen 1998 und 2001 waren die Tschechen die dominierende Eishockeynation. Diese goldenen Zeiten sind inzwischen schöne Geschichte, auch wenn im heutigen Team immer noch einige dieser glorreichen Helden eine Hauptrolle spielen. Natürlich ist damit Jaromir Jagr gemeint, der mit 38 Jahren einmal mehr sein letztes großes Turnier mit der Nationalmannschaft bestreitet. Jagr spielt inzwischen in der russischen Liga bei Awangard Omsk und er steht auch sinnbildlich für das große Problem des tschechischen Eishockeys: Es kommen kaum neue Stars nach. So muss Coach Vladimir Ruzicka fast zwangsläufig auf seine gestählten Haudegen setzen und hoffen, dass das Team als Einheit funktioniert. Wenn Tschechien aber ernsthaft um die Medaillen mitspielen will, muss es den großen Teams nach Möglichkeit im Viertelfinale aus dem Weg gehen. Doch genau das könnte angesichts der Vorrundengruppe mit Russland und dem Bruder aus der Slowakei zum Problem werden.

Slowakei (Vorrunde: - CZE, 18.2., 6 Uhr, - RUS, 19.2., 6 Uhr, - LAT, 21.2., 1.30 Uhr)*

  • Olympia-Historie: Keine Medaille, letzte drei Turniere: 1998 = 10., 2002 = 13., 2006 = 5.
  • Coach: Jan Filc
  • Wichtigster Spieler: Marian Hossa
  • Prognose: Außenseiter

Was für die Tschechen gilt, gilt ebenso für die Slowakei. Mit Ziggy Palffy, Jozef Stümpel und Miroslav Satan spielen drei ganz Große der jüngeren slowakischen Eishockeyvergangenheit immer noch in Vancouver mit. Und womöglich wechselt sich Peter Bondra, der diesmal als General Manager fungiert, im Notfall auch noch selbst mit ein. Mit Marian Hossa oder Marian Gaborik verfügt die Slowakei aber auch über Stars, die sich aktuell auf ihrem Leistungshöhepunkt befinden. Leider gehen beide leicht angeschlagen in das Turnier. Eine traditionelle Schwäche der Slowaken könnte diesmal allerdings eine Stärke sein: Die Verteidigerriesen Zdeno Chara und Lubomir Visnowsky stellen gehobenes NHL-Niveau dar und auch Torhüter Jaroslaw Halak gehört zu den besseren Goalies in Nordamerika. Wenn Hossa oder Gaborik vorne treffen und die Defensive hinten dicht hält, könnten die Slowaken ihren tschechischen Bruder vielleicht sogar überflügeln. Damit es allerdings zu einer Medaille reicht, müsste schon ein kleines Wunder geschehen.

Deutschland (Vorrunde: - SWE, 18.2., 1.30 Uhr, - FIN 20.2., 6 Uhr, - BLR, 21.2., 6 Uhr)*

  • Olympia-Historie: 2x Bronze, letzte drei Turniere: 1998 = 9., 2002 = VF, 2006 = 10.
  • Coach: Uwe Krupp
  • Wichtigster Spieler: Marco Sturm
  • Prognose: Chancenloser Außenseiter

Die gute Nachricht vorweg: Deutschland kann in der Vorrunde auch mit drei Niederlagen nicht ausscheiden. Der Turniermodus macht es möglich. Um ins Viertelfinale einzuziehen, ist nur ein Sieg in der so genannten Play-off-Qualifikation notwendig. Diese Aufgabe könnte etwas leichter werden, wenn die DEB-Auswahl in der Gruppe zumindest Weißrussland schlagen würde. Und das scheint durchaus machbar. Sieben NHL-Spieler stehen im Kader von Uwe Krupp, wobei Marco Sturm und Jochen Hecht als Angreifer sowie die Verteidiger Christian Ehrhoff und Dennis Seidenberg dabei noch herausragen. Das große Problem der Mannschaft bei vergangenen Turnieren war die mangelnde Torgefährlichkeit. Dass diese Ladehemmung in Vancouver plötzlich abgestellt werden kann, scheint unrealistisch. Also muss hinten dicht gemacht werden, wobei auf die Torhüter Thomas Greiss und Dimitri Pätzold vermutlich viel Arbeit zukommen dürfte. Mit "Mr. Eisbär" Sven Felski, Travis Mulock und André Rankel sind auch drei Berliner in Kanada mit dabei. Für sie gilt wie für alle anderen im deutschen Team: Dabei sein ist manchmal wirklich alles.

Schweiz, Weißrussland, Lettland, Norwegen
Diese vier Teams dürften ähnlich wie Deutschland keine Chance auf eine vordere Platzierung haben, wobei die Schweizer bei Olympia 2006 immerhin mit Siegen über Tschechien und Kanada aufhorchen ließen. Wie in Turin sind die Eidgenossen auch diesmal wieder mit einem guten Torhüter ausgestattet. Jonas Hiller ist in der NHL bei den Anaheim Ducks die unumstrittene Nummer eins. Die Weißrussen mussten kurz vor dem Turnier den Ausfall dreier Stars verkraften: Ruslan Salei, Andrej Kostitsyn und Michail Grabowski stehen alle wegen Verletzungen nicht zur Verfügung. Eine Wiederholung des legendären Halbfinaleinzugs von 2002 nach Sensationssieg über Schweden in der Runde der letzten Acht ist damit praktisch ausgeschlossen. Noch krassere Außenseiter als Deutschland, Schweiz und Weißrussland sind Lettland und Norwegen. Jeder Punkt wäre eine Sensation, jedes Tor ein Grund zum Feiern. Aber wann spielt man schon mal gegen die Allerbesten der Welt vor einem ganz großen Publikum...

* Alle Zeiten MEZ.   

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