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© dpa

Analyse: Hertha lässt Hoeneß hinter sich

Dieter Hoeneß, der starke Mann bei Hertha BSC, hat den Machtkampf mit Trainer Lucien Favre und Präsident Werner Gegenbauer verloren.

Berlin - Es war Sonntag um 18.39 Uhr, als Hertha BSC in 26 Zeilen offiziell vermeldete, was inoffiziell längst beschlossene Sache war. Der Berliner Fußball-Bundesligist trennt sich von Dieter Hoeneß, dem Mann, der als Vizepräsident, Manager und Vorsitzender der Geschäftsführung 13 Jahre lang die Geschicke des Vereins bestimmte. Sein Nachfolger wird der frühere Hertha-Profi Michael Preetz. „Er wird zum Geschäftsführer Sport ernannt“, sage Herthas Präsident Werner Gegenbauer am Sonntagabend im RBB.

26 Zeilen – das sind zwei für jedes Jahr, das Hoeneß bei Hertha verbracht hat. „Hertha BSC und Dieter Hoeneß haben heute freundschaftlich und einverständlich vereinbart, das Vertragsverhältnis zum Saisonende aufzulösen“, heißt es harmonisch in Herthas Kommuniqué. Aber schon im nächsten Satz wird deutlich, dass da einiges schief gelaufen sein muss in der jüngsten Vergangenheit: „Die Vereinsgremien des Clubs und der Vorsitzende der Geschäftsführung hatten zuletzt unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Vereins- und Geschäftspolitik.“

Das ist die eigentliche Botschaft der Trennung. Es ist kein gegenseitiges Einvernehmen, sondern ein Auseinandergehen im Streit. Das Ergebnis eines Machtkampfes, den Hoeneß verloren hat. Nicht nur gegen Herthas Präsident Gegenbauer, der Hoeneß lange Zeit freundschaftlich verbunden war und ihn zuletzt öffentlich vorgeführt hatte. Sondern vor allem gegen Lucien Favre, den Trainer, den Hoeneß im Sommer 2007 nach heftigem Werben und mehrmaliger Absage verpflichtet hatte.

Eingeplant war Favre als leicht zu führender und taktisch versierter Fußball-Professor. Was Hoeneß bekam, war ein stringent denkender Stratege, der in Berlin etwas aufbauen und sich dabei keineswegs zum Hilfstrainer degradieren lassen wollte. Er selbst wollte den Kader zusammenstellen. Das aber reklamierte Hoeneß als Kernkompetenz für sich, wie noch bei jedem Trainer zuvor.

Hoeneß hat Favre lange Zeit nicht ernst genommen – und dabei übersehen, dass dieser ihn über seinen Erfolg überflüssig machen würde. Der Schweizer kam, als Hertha nach Jahren finanzieller und sportlicher Fehlspekulation am Rand der Bedeutungslosigkeit stand. Mit wenig Geld und cleverem Handling machte er aus der grau-weißen Maus der Liga eine blau-weiße Erfolgsgeschichte. Favre war Hoeneß’ bester Transfer, aber mit diesem Transfer verlor der Manager auch die Hoheit über die Erfolgsgeschichte. In der öffentlichen Wahrnehmung war Herthas Aufschwung nicht der von Hoeneß.

Dieter Hoeneß hätte nun sagen können: Seht her, das ist der Mann, der Hertha zu einer Spitzenmannschaft gemacht hat. Und wer hat ihn geholt? Ich!

Stattdessen versuchte der Manager, seinen wichtigsten Kollegen zu einem besseren Handlanger zu machen, der ohne seine, Hoeneß’ schützende Hand zum Scheitern verurteilt wäre. Gern kolportierte Hoeneß, der Trainer würde wahrscheinlich allein im Supermarkt verhungern, weil er sich nicht entscheiden könne zwischen Wurst und Fleisch und Käse und Milch. Das wiederum bekam auch Favre mit, was seine Sympathie zum Vorgesetzten nicht unbedingt steigerte. Zum Schluss standen sich Manager und Trainer unversöhnlich gegenüber. Das Präsidium musste sich für einen von beiden entscheiden – und zögerte keine Sekunde lang.

Alles hatte sich zugespitzt auf den Sonntag, an dem Gegenbauer seinem einstigen Busenfreund Hoeneß zum finalen Gespräch traf. Genau genommen waren es zwei Gesprächsrunden mit mehreren Mitgliedern aus Präsidium und Aufsichtsrat. Zur entscheidenden Unterredung kam es am späten Nachmittag. Am Kurfürstendamm, in der Kanzlei von Rechtsanwalt Thorsten Manske, der Herthas Präsidium angehört. Hoeneß machte einen gefassten Eindruck und wehrte sich nicht weiter gegen das, was sich seit Tagen angekündigt hatte. Werner Gegenbauer musste nicht lange kämpfen. „Es war ein angemessener Abschied, für Dieter Hoeneß und auch für Hertha BSC“, sagt der Präsident, und: „Bitte ersparen Sie mir weitere Details, es war ein schwerer Tag.“

Ein schwerer Tag, an dem nicht nur die Auflösung der Männerfreundschaft von Hoeneß und Gegenbauer besiegelt wurde, sondern auch das Ende einer Berliner Ära. Der Schwabe Dieter Hoeneß war am 27. November 1996 zu Hertha gekommen. Er begann als ehrenamtlicher Vizepräsident und wirkte dann als Manager, ehe er nach der Umwandlung des Vereins in eine Kapitalgesellschaft im Juli 2001 zum Vorsitzenden der Geschäftsführung ausgerufen wurde. Zwischenzeitlich gab es in der Bundesliga keinen, der über eine solche Machtfülle verfügte und gleichermaßen so machtbewusst war wie Dieter Hoeneß. Auch deswegen trifft ihn das abrupte Ende hart. Bis zum Samstag wollte er unbedingt bleiben, dann änderte er plötzlich seine Meinung. Hoeneß hat es kommen sehen: Wäre er nicht freiwillig gegangen, wäre er gegangen worden.

In all den Jahren war Hoeneß einer, der so von sich und seinem Handeln überzeugt war, dass er sich für unfehlbar hielt. Zu sehr ist ihm in seinem an Selbstherrlichkeit grenzenden Selbstbewusstsein die Sensibilität für Stimmungen und Schwingungen abhanden gekommen. In den vergangenen Wochen hatte das Zerwürfnis zwischen Hoeneß und Präsidium noch einmal an Fahrt aufgenommen. Ausgangspunkt für das angespannte Verhältnis war ein Auftritt von Hoeneß im Winter, als er die gute sportliche Entwicklung des Vereins öffentlich erklären sollte und diese Gelegenheit in „Dieter-Hoeneß-Festspiele“ umfunktionierte, wie es Werner Gegenbauer scharf kritisierte.

Gegenbauer und Hoeneß pflegten eine langjährige Freundschaft. Über Nacht zerbrach sie. Gegenbauer, der frühere Chef des Hertha-Aufsichtsrates, steht Hertha seit einem Jahr als Präsident vor. Eine seiner zentralen Aufgaben sollte es sein, die Nachfolge von Dieter Hoeneß zu regeln. Hoeneß hatte nämlich vor dreieinhalb Jahren etwas leichtfertig gesagt, er werde 2010 als Vorsitzender der Geschäftsführung ausscheiden. Gegenbauer nahm ihn beim Wort, und man darf wohl vermuten, dass Hoeneß Anderes erwartet, erhofft hatte.

Auf der Zielgerade seiner Berliner Amtsjahre war Hoeneß immer krampfhafter darum bemüht, sich ins rechte Licht zu rücken, insbesondere seine Verdienste um Herthas jüngste positive Entwicklung. Dieses Bemühen nahm bisweilen bizarre Züge an. Zum Beispiel in jenem Brief, den die leitenden Mitarbeiter des Vereins an das Präsidium schrieben und diesem vorwarfen, es habe Hoeneß persönlich angegriffen und diffamiert. Bis heute hält sich die Vermutung, Hoeneß habe diesen Brief selbst initiiert, was er selbstredend bestreitet. Voraus gegangen war ein Artikel im Tagesspiegel mit dem Tenor, der Manager Hoeneß neide dem Trainer Favre den sportlichen Erfolg. Darin war ein Mitglied des Präsidiums unter anderem so zitiert worden: „Kann Hoeneß nicht einfach anerkennen, dass Favre einen super Job macht?“

Das Brisante an diesem Brief war, dass er über die „Bild“-Zeitung seinen Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatte. Auch daran, so wird in der Geschäftsstelle kolportiert, soll Hoeneß nicht ganz unbeteiligt gewesen sein. „Die Lage ist schlimm“, sagt ein Präsidiumsmitglied. „Hoeneß hat den Bogen überspannt.“ Niemand aus dem Präsidium mochte mit Hoeneß in eine weitere Saison gehen. „Das machen wir nicht mehr mit“, war der allgemeine Tenor im Gremium.

Es gab bei Hertha BSC nicht wenige, die die Trennung schon früher vollziehen wollten. Aber da war noch der Vertrag mit dem Hauptsponsor Deutsche Bahn. Das Zustandekommen der weiteren Zusammenarbeit mit dem Hauptsponsor habe doch sehr am persönlichen Verhältnis zwischen Hoeneß und Mehdorn gehangen, sagt ein Präsidiumsmitglied: „Diese Nummer hat er nach Hause geschaukelt, aber es war seine letzte Nummer.“ Hartmut Mehdorn wurde eine Woche nach der Verlängerung des Sponsorvertrages beurlaubt, Dieter Hoeneß hielt sich nur sechs Wochen länger.

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