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Ziel vor Augen. Andrea Petkovic will in New York unbedingt die zweite Turnierwoche erreichen.

© AFP/Brunskill

Andrea Petkovic bei den US Open: Mein Assistent Boris

US Open: Die Tennislegende Becker arbeitet als Ratgeber für Andrea Petkovic – auch ohne Vertrag.

Es ist noch nicht allzu lange her, da gefiel sich Boris Becker vor allem in der Rolle des Tennis-Grandseigneurs. Er genoss den Smalltalk mit den alten Weggefährten, wenn er auf Stippvisite in Wimbledon oder Flushing Meadows vorbeischaute. Dann klopfte man sich generös auf die Schultern und erzählte sich Geschichten von früher. Das Gleiche tat er in der Kommentatoren-Kabine. Aber durch die aktuelle Spielergeneration radebrechte er sich, und auch die deutschen Profis kannte er eher aus der Ferne. Seit Becker jedoch vor knapp zwei Jahren Trainer von Novak Djokovic wurde, ist der dreimalige Wimbledonchampion wieder mittendrin im Geschehen. Becker ist präsent, bestens informiert und im Tour-Alltag wieder voll im Thema. Und für Andrea Petkovic ist er ein wichtiger Ratgeber geworden, der der Weltranglisten-18. bei den US Open den erhofften Extra-Schub geben könnte.

Petkovic war am Dienstag erschöpft, aber erleichtert vom Grandstand zurückgekommen, auf dem sie die Französin Caroline Garcia nach zweieinhalb Stunden mit 3:6, 6:4 und 7:5 in der ersten Runde niedergerungen hatte. Nach der Partie war Becker ihr im Kraftraum des Arthur-Ashe-Stadiums noch über den Weg gelaufen. „Boris hat mir sehr viel positiven Zuspruch gegeben“, erzählte sie, „und er meinte, die mentale Leistung wäre super gewesen und ich sei sehr gut im Match geblieben.“ Und so läuft es inzwischen mit ihnen. Becker ist ein freundschaftlicher Berater, ohne Vertrag oder Honorar. Petkovic nennt ihn „meinen Schatten im Hintergrund, den ich anhauen kann, wenn ich etwas habe“.

Und das tut sie, seit die zweitbeste deutsche Spielerin nach ihrem Drittrundenaus bei den French Open im Frühjahr geknickt in einer Ecke des Pariser Player’s-Restaurants gesessen hatte und Becker sich zu ihr setzte. Zufällig hatte er ihr Match gegen Sara Errani verfolgt, da sein Schützling Djokovic als Nächster auf jenem Court dran war. Sie redeten, und Becker gab Petkovic gleich ein paar Tipps. „Es waren drei, vier Sachen, die mir echt die Augen geöffnet und mir eine neue Perspektive gegeben haben“, erinnert sich Petkovic, „vielleicht hatten andere mir schon mal das Gleiche gesagt, aber es ist eben etwas anderes, wenn es Boris zu dir sagt.“ Die eloquente Hessin bedankte sich ein paar Tage später per Mail bei Becker für das Gespräch und bot ihm gleich kess an, er solle sich bei ihr melden, sollte er die Nase voll von der Herren-Tour haben. Becker antwortete ihr mit einem süffisanten Kommentar, er bleibe Djokovic zwar treu, aber Reden sei ja erlaubt. „Ich merke, er ist da. Ich vertraue ihm irgendwie“, sagte Petkovic, „und er gibt mir immer eine ehrliche Antwort, das hilft sehr.“

Vor allem vermag Becker ihren ungestümen Überehrgeiz zu bremsen, der sie oft befällt. Denn Petkovic neigt dazu, mitunter ihr Trainingspensum zu übertreiben. Selbst mit ihrer Sehnenentzündung im Knie, die sie sich beim Vorbereitungsturnier in Cincinnati zuzog. „Boris meinte zu mir: ,Jetzt mach’ mal drei Tage einfach nichts.’ Da habe ich es gemacht. Auf meinen anderen Boris hätte ich nicht gehört.“ Der andere Boris ist der 28 Jahre alte serbische Ex-Profi Boris Conkic, der sie derzeit als Trainer betreut. „Ich bin mit dem kleinen Boris sehr zufrieden“, sagte sie, „und lustigerweise ist er wirklich nach dem großen Boris benannt, weil der an dem Tag irgendein wichtiges Turnier gewonnen hat“.

Mithilfe der beiden Namensvettern zeigt ihre Formkurve nach zwei Achtelfinalteilnahmen in Toronto und Cincinnati wieder nach oben. Sie scheiterte dort jeweils erst an den beiden Besten der Branche, Serena Williams und Simona Halep. „Es war einerseits frustrierend“, sagte Petkovic, „aber ich bin aus beiden Matches mit einer unglaublichen Motivation rausgegangen, wieder an die Arbeit zu gehen und Sachen zu verbessern. Das hatte ich schon lange nicht mehr so extrem.“

Andrea Petkovic will zurück in die Top Ten und wieder die zweite Turnierwoche der Grand Slams erreichen. Bei den US Open stand sie zuletzt vor vier Jahren im Viertelfinale. Einfach wird es angesichts ihrer kniffligen Auslosung und dem Zwicken im linken Knie nicht, den Erfolg zu wiederholen. Heute wartet zunächst die Russin Jelena Wesnina. Doch Boris ist dabei, in der Box und im Hintergrund.

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