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Tatort Stadiontrakt. Was genau passierte? Die Aussagen widersprechen sich. Schiedsrichter Stark (r.) sagt, Kobiaschwili habe ihn auf der Treppe geschlagen, der Hertha-Spieler (auf dem Bild im Hintergrund links) bestreitet das.

© Boris Streubel

Angeklagte Hertha-Profis: „Sie sind eine blöde Sau“

Vom Konietzka über Kremers zu Kobiaschwili – noch nie ist ein Spieler bisher für ein Jahr gesperrt worden. Körperliche Auseinandersetzungen mit Schiedsrichtern kamen jedoch immer wieder vor.

Werner Gegenbauer ergriff extra selbst das Wort, als es bei der vergangenen Mitgliederversammlung Pfiffe der eigenen Fans gegen Lewan Kobiaschwili gab, den Manager Preetz als einen der Leistungsträger auch für die kommende Saison nannte. Der Präsident rief: „Lewan Kobiaschwili schwört Stein und Bein, dass er nicht geschlagen hat.“

Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sieht das völlig anders, denn sonst hätte das Gremium am Mittwoch nicht eine Sperre von zwölf Monaten verlangt. Damit würde der 34-Jährige als Leistungsträger in der Zweiten Liga ausfallen, und manche meinen, ein solches Urteil wäre auch sein ungewolltes Karriereende.

Wie dem auch sei, der schmerzhafte Alltag hat Hertha nach der Mitgliederversammlung eingeholt. Der Verein hat am Donnerstag fristgemäß Einspruch gegen die Strafvorschläge eingelegt und Einzelrichterverfahren beantragt, so dass jeder Fall separat behandelt werden muss. Der DFB teilte am Donnerstagnachmittag mit, er werde „spätestens Anfang nächster Woche entscheiden“. Der Fall Kobiaschwili wiegt allerdings deshalb so schwer, weil Schiedsrichter Wolfgang Stark dem Georgier anlastet, ihn nach Spielschluss auf dem Treppenabgang des Spielertunnels mit einem Faustschlag am Hinterkopf getroffen zu haben. Der Unparteiische sei darauf ins Straucheln gekommen und habe nur mit Mühe einen Sturz vermeiden können. Er erlitt ein Hämatom am Hinterkopf.

Wegen krass sportwidrigen Verhaltens und wegen Schiedsrichter-Beleidigung wurde gegen Christian Lell eine Sperre von sechs Meisterschaftsspielen beantragt. Er soll in der Nachspielzeit den Düsseldorfer Assani Lukimya angespuckt und nach Spielschluss den Referee beleidigt haben. Ebenfalls wegen Schiedsrichter-Beleidigung beantragte der Kontrollausschuss Sperren gegen Thomas Kraft (fünf Meisterschaftsspiele) und Andre Mijatovic (vier Meisterschaftsspiele). Der Düsseldorfer Andreas Lambertz erhält zwei Spiele Sperre und eine Geldstrafe von 5000 Euro wegen des Abrennens von Bengalos. Er hat seine Strafe bereits akzeptiert. Eine einjährige Strafe wäre ein historisch noch nie dagewesenes Strafmaß. Sollte es wahr werden, würde der Schalker Erwin Kremers auf Platz drei der ewigen Übeltäter abrutschen: Der Schiedsrichter wollte damals ganz sichergehen und fragte bei Kremers nach, ob er sich vielleicht verhört haben könnte. „Also jetzt noch einmal für Doofe: Sie sind eine blöde Sau“, erwiderte Kremers und durfte 14 Wochen nicht spielen. Eigentlich nicht so schlimm, die Sperre fiel größtenteils in die Sommerpause. Allerdings wurde Kremers auch aus dem Kader für die Weltmeisterschaft 1974 gestrichen und war somit beim Titelgewinn im eigenen Land nicht dabei.

Die Rekord-Sperre bekam Timo Konietzka

Auch die bisher längste Sperre gab es nach einer Meinungsverschiedenheit mit dem Schiedsrichter. Timo Konietzka von 1860 München soll 1966 in einem Spiel gegen seinen vorherigen Klub Borussia Dortmund, in dem nach einem umstrittenen Tor für den BVB Gegenstände auf das Feld flogen, sogar handgreiflich geworden sein. Die damals wenigen Kameras haben das nicht festgehalten, das „Sport Magazin“ schrieb jedoch: „Stoß vor die Brust, Tritt gegen das Schienbein, Wegschlagen der Trillerpfeife.“ Konietzka leugnete, wurde aber für ein halbes Jahr gesperrt. Der DFB schützt seine Schiedsrichter auch dadurch, dass deren Spielberichte maßgeblich für die Bemessung von Strafen sind. Konietzkas Mannschaftskollege Manfred Wagner, der den Unparteiischen brutal am Arm gezogen haben soll, musste drei Monate zugucken.

Zehn Wochen musste Stuttgarts Axel Kruse zuschauen, nachdem er 1993 den Schiedsrichter wegen eines nicht gegebenen Elfmeters wütend über den Haufen gerannt hatte. Die längste Bundesliga-Sperre für ein Foul an einem anderen Spieler und nicht für eine Aktion gegen den Schiedsrichter bekam in der abgelaufenen Saison der Hamburger Paolo Guerrero, der Stuttgarts Torhüter Sven Ulreich mit Anlauf an der Eckfahne niederstreckte und anschließend für acht Wochen gesperrt wurde.

An dem Verfahren selbst, das der Kontrollausschuss automatisch zunächst eine Strafe vorgibt, will aber selbst Hertha BSC nicht rütteln. Die Macht des Schiedsrichters, seine sozusagen bürokratisch verankerte Glaubwürdigkeit, ist die wichtigste Säule der Sportgerichtsbarkeit ebenso wie das Instrument Tatsachenentscheidung.

Trotzdem meinen einige bei Hertha, dass es zumindest unglücklich war, dass im Verfahren um die Wertung des Relegationsspiels der zuständige Richter von Anfang an die Geschehnisse nach dem Spiel mit einbezogen habe, obwohl es verschiedene Verfahren seien. Der Kontrollausschuss, der jetzt, nach Ende der DFB-Gerichtsverfahren, das Strafmaß gegen die Hertha-Spieler vorgab, dürfte von der allgemeinen Berichterstattung über den angeblichen Schlag Kobiaschwilis nicht unbeeinflusst geblieben sein. Im Grunde, gerade weil der Spieler nach den DFB-Regeln erst bei einem Gerichtsverfahren gehört wird, kommen die Aussagen Starks im Verfahren um eine Neuansetzung aber einer Vorverurteilung des Spielers gleich.

Jedenfalls wird es für den neuen Trainer Jos Luhukay nun nicht einfacher, den Kader für die neue Saison zusammenzustellen. Zu seinem „Gerüst“ sollte Lewan Kobiaschwili zählen, dazu Thomas Kraft, Peter Niemeyer, Roman Hubnik, Fabian Lustenberger und, wenn er wieder gesund ist, Pierre-Michel Lasogga. Wie sagte Luhukay, er achte sehr auf den „Charakter“ eines Spielers.

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