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Angelique Kerber: Ein Erfolg, der den Luxus sichert

In Wimbledon gibt es weiterhin eine Art hierarchisches Kastensystem, das nur den Erfolgreichen allerlei Privilegien verschafft. Ein Paradies geradezu. Auch Angelique Kerber gehört inzwischen als Nummer acht der Welt dazu.

Ein wenig plagt Angelique Kerber doch das schlechte Gewissen, wenn sie morgens den All England Club in Wimbledon betritt. Einer der Stewarts erwartet die Kielerin dann bereits vor der getäfelten Tür zu jener Umkleide, die den besten 16 Spielerinnen der Welt vorbehalten ist, mit einem freundlichen „Good morning, Miss Kerber“ und lässt sie hinein ins Allerheiligste. „Eigentlich ist es ungerecht den anderen Spielerinnen gegenüber“, sagt sie, und fügt lächelnd hinzu: „Aber ich genieße es doch.“ Der ehrwürdige Traditionsklub an der Londoner Church Road scheut sich nicht, weiterhin eine Art hierarchisches Kastensystem durchzuziehen, das nur den Erfolgreichen allerlei Privilegien verschafft. Ein Paradies geradezu. Auch Kerber gehört inzwischen als Nummer acht der Welt dazu. Und nach ihrem 7:5 und 6:3-Sieg über die Russin Jekaterina Makarowa in Runde zwei, sieht es ganz danach aus, als könne sie in den neuen Annehmlichkeiten noch eine ganze Weile schwelgen.

Nach Kerber zog auch Julia Görges in die dritte Runde ein. Die 23-Jährige aus Bad Oldesloe bezwang die Weißrussin Anastasia Jakimowa 7:6 (7:3), 6:2 und folgte damit Sabine Lisicki aus Berlin und Kerber, die immer noch erstaunt ist über die „ganz andere Welt“, in der sie sich befindet. Bei keinem anderen Turnier werde man so umsorgt und so elitär behandelt wie in Wimbledon. Anstatt Gemeinschaftsduschen gibt es bei ihnen Einzelkabinen, und sogar in großzügigen Badewannen können die Topspielerinnen nach harten Matches entspannen. Vor den Massagebänken müssen sie sich nicht wie alle anderen in die langen Warteschlangen einreihen, sondern die extra abgestellten Physiotherapeuten widmen sich ausschließlich den besten 16. „Ich bekomme jetzt auch Sachen einfach so, um die ich früher betteln musste“, sagt Kerber.

Seit ihrem rasanten Aufstieg im letzten Herbst, als sie überraschend als Nummer 92 der Welt ins Halbfinale der US Open stürmte, merkt Kerber, dass sie anders wahrgenommen wird – von Konkurrentinnen, den Veranstaltern, den Medien. Zwei Turniere gewann Kerber in dieser Saison bereits, steht in der Rangliste jetzt so hoch wie seit Steffi Graf keine Deutsche mehr. Die Erwartungen sind in den letzten Monaten enorm gestiegen, der Druck auch. Bei den French Open spielte die 24-Jährige erstmals als eine der Favoritinnen bei einem Grand Slam mit. Es war wieder eine neue Erfahrung für Kerber, die sie zumindest bis ins Viertelfinale geführt hatte. „Ich bin noch in einem Lernprozess“, erklärte sie, „aber Paris hat mir sehr viel gebracht. Ich weiß jetzt, wie ich mit diesem Druck umgehen muss.“

Nur durch Verdrängen ginge das, sagte Kerber ganz offen. Beim Vorbereitungsturnier in Eastbourne war Kerber nur knapp im Finale gescheitert. Es hat ihr vor allem geholfen, sich besser auf dem ungewohnten Rasenbelag zu bewegen. „Ich fühle mich jetzt viel sicherer“, sagt sie und bewies es mit einer kämpferisch starken Leistung gegen Makarowa. Kerber scheint bereit, es mit den Großen der Branche aufzunehmen, mit denen sie sich nun die Eliteumkleide teilt, was ihr fast peinlich ist: „Ich will gar nicht abheben, so bin ich doch gar nicht.“

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