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Angelique Kerber musste sich in ihrem Zweitrundenmatch zumindest phasenweise strecken.

© David Gray/AFP

Angelique Kerber: Verbale Störgeräusche von Ex-Trainer Wim Fissette

Sportlich läuft für Angelique Kerber bei den Australian Open bisher alles nach Plan. Doch nun meldet sich überraschend ihr früherer Coach zu Wort.

Sie lehnte sich auf ihrem Tribünensitz weit nach vorne, und so verschwand ihr Gesicht hinter ihrer blonden Wallemähne. Es nutzte nichts, man hatte sie längst entdeckt. Steffi Graf saß am Mittwochabend am Court Nummer drei im Melbourne Park hinter ihrem Mann Andre Agassi und verfolgte den Zweitrundensieg von dessen aktuellem Schützling Grigor Dimitrov gegen Pablo Cuevas aus Uruguay. Aber da es Jahre her ist, dass man die 22-malige Grand-Slam-Siegerin überhaupt mal als Zuschauerin beim Tennis gesehen hatte, verwunderte es doch, dass Graf nicht bei Angelique Kerber mitfieberte.

Die spielte parallel direkt nebenan in der Rod-Laver-Arena gegen die Brasilianerin Beatriz Haddad Maia. Kerber brauchte eigentlich keinen Beistand gegen die Qualifikantin, die sie mit 6:2 und 6:3 souverän bezwang und so ihren 100. Sieg bei einem Grand Slam feierte. Wirklich große Bedeutung wollte sie dem Jubiläumserfolg allerdings nicht beimessen. Darauf angesprochen meinte sie lediglich: „Das zeigt, dass ich alt werde.“ Mehr gefreut hätte sie sich sicherlich über einen Besuch Grafs.

Schon bei der Ehrung zur Sportlerin des Jahres 2018 im Dezember hatte Kerber auf ihr Vorbild als Laudatorin gehofft und mit großen Augen gefragt: „Oh, ist Steffi etwa da?“ Und sie wirkte ein bisschen enttäuscht, als sie mit Boris Becker Vorlieb nehmen musste. Die früheren Champions kommen regelmäßig zu den Grand Slams, nur Graf nicht. Die inzwischen 49-Jährige ist ein äußerst seltener Gast beim Tennisfamilientreffen und Kerber war sich nach ihrem Match auch nicht sicher, ob sie Graf in Melbourne noch sehen könne. „Ich habe es gestern erst erfahren, dass Steffi da ist. Noch ist nichts geplant.“

Es hieß, Graf würde am Donnerstag bereits wieder abreisen. Kerber dagegen möchte gerne noch bis zum Finale bleiben. Auch, wenn sie das nie direkt sagen würde. Sie schaut nur auf ihre nächste Gegnerin und das ist die Australierin Kimberly Birrell, die mit einer Wildcard ins Hauptfeld gekommen war. Kerber wird an ihrem 31. Geburtstag am Freitag gegen sie spielen, das hat für sie in Melbourne inzwischen schon Tradition. „Vielleicht ist das ja ein gutes Omen“, hoffte sie. Zumindest in den beiden Jahren zuvor gab es zum Geburtstag einen Sieg.

Steffi Graf ist in Melbourne - bei Kerber schaute sie aber nicht vorbei

Kerber will sich nur auf das nächste Match fokussieren, doch es gibt Störgeräusche von ihrem ehemaligen Trainer Wim Fissette. Beide hatten die Zusammenarbeit im vergangenen Herbst überraschend beendet, aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen, so teilte es Kerber damals knapp mit. Vermutet wurden sportliche Differenzen. Aber nun äußerte sich Fissette erstmals zu den tatsächlichen Gründen. Gegenüber der belgischen Presseagentur „Belga News Agency“ erklärte er: „Ich hätte gerne mit Angie weitergearbeitet, aber es ging ums Finanzielle. Wir lagen da einfach zu weit auseinander.“

Fissette hatte Kerber nach ihrem Krisenjahr 2017 als Nummer 21 der Welt übernommen und wieder in die Erfolgsspur gebracht. Am Ende der Saison 2018 stand Kerber als Weltranglistenzweite und Wimbledonsiegerin da. Fissette wollte sich diesen großen Erfolg vergüten lassen, als man vor den WTA-Finals in Singapur den neuen Vertrag aushandelte. „Aber wir konnten uns auf keinen Kompromiss einigen“, fügte Fissette hinzu. Kerber entschied sich dann, alleine nach Singapur zu fliegen, obwohl Verträge meistens bis zum Saisonende laufen. „Da habe ich mich anderweitig umgesehen“, fügte Fissette hinzu, der inzwischen wieder mit der zweimaligen Grand-Slam-Siegerin Viktoria Asarenka arbeitet.

Fissettes verbaler Vorstoß ist ungewöhnlich, fast schon ein Novum in der Tennisszene. Denn üblicherweise werden in den Verträgen Verschwiegenheits-Klauseln ausgehandelt. Damit nach einer Trennung bloß keine schmutzige Wäsche gewaschen wird. „Wim steht es frei, sich zu äußern“, erklärte Kerbers Management, „aber für uns ist das Thema erledigt.“ Tatsächlich wirkte die Deutsche am Mittwoch völlig unbeeindruckt, auch wenn sie gegen die offensiv agierende Haddad Maia zwischenzeitlich gefordert wurde. „Es war wirklich ein hartes Match, sie hat richtig gut gespielt“, sagte Kerber, die in Melbourne noch kein Aufschlagspiel verloren hat.

Dass ein Streit ums Finanzielle eine erfolgreiche Spieler-Trainer-Beziehung auseinander bringt, ist im Tennis eher unüblich. Meist sind es persönliche Animositäten oder man wird sich über die tägliche Arbeit oder sportliche Ausrichtung nicht mehr einig. Um jeden Preis wollte Kerber aber offensichtlich nicht um Fissette kämpfen und verpflichtete stattdessen den Ex-Profi Rainer Schüttler, der 2003 im Finale der Australian Open stand – und damals gegen Andre Agassi verlor. „Rainer kennt diesen Platz hier sehr gut, hat selbst gespielt, das hilft“, sagte Kerber, „wir haben bisher eine gute Zeit zusammen.“

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